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Foto: V.H.

Ich höre immer wieder von FreundInnen und Bekannten, dass ich „ja so diszipliniert sei“ und es daher leichter hätte, z.B. damit, auf meine Gesundheit zu achten; d.h. mir genügend Zeit zu schlafen zu nehmen, regelmäßig Sport zu betreiben, kaum Zucker zu mir zu nehmen, Lebensmittel, die ich nicht vertrage aus meinem Speiseplan zu streichen. Ich muss zugeben, dass ich das weniger als Kompliment sehe, denn als Geringschätzung meiner Bemühungen. Denn es ist durchaus nicht so, dass mir die Disziplin in die Wiege gelegt wurde und ich sozusagen mit dem goldenen Disziplin-Gen geboren worden bin. Disziplin trainiert sich genauso wie Muskeln, je öfter du sie anwendest, je öfter du dich an deine Intention erinnerst und weitermachst, auch wenn es gerade nicht so toll ist, desto kräftiger wird sie und desto besser wird sie beim nächsten Mal anspringen wenn es darum geht, ein klares Nein z.B. zur Topfengolatsche oder zum Nussbeugerl zu sagen – oder ein klares Ja zum (wenngleich kurzen) Sportprogramm.

Ich finde es auch nicht super toll, dass ich speziell eine Kombination von Fett-Zucker-Gluten wirklich ganz schlecht vertrage – sprich Kuchen, Torten, Eisbecher mit Schlag, Kekse, Knödel, frisches Weiß- (oder Schwarz-) Brot mit Butter und Honig, Palatschinken, und was es sonst noch an Köstlichkeiten gibt. Aber – als ich speziell seit dem Wechsel, in dem ich schleichend mehr oder weniger kontinuierlich zugenommen habe und mein System immer empfindlicher auf diverse Ausrutscher reagierte, habe ich beschlossen, dass ich keine Lust habe, immer dicker zu werden, ständig unausgeschlafen zu sein und dauernd irgendwelches Bauchgrimmen zu spüren. Das ich also dem langläufigen Urteil entgegentrete, dass das eben so sei – man wird halt alt, und man wird halt dick und die senile Bettflucht trifft dich halt und der Bauch ist eben aufgebläht.

Wenn Dinge so als gegeben hingestellt werden – das ist eben so, da kann man nichts machen, damit muss man leben – hat mich schon als Kind herausgefordert und meinen Widerstand geweckt. Wieso darf ich etwas nicht tun, nur weil ich ein Mädchen bin? Wieso soll ich irgendetwas nicht mehr beginnen, nur weil ich jetzt schon „zu alt“ bin?

Als ich mir in Vorbereitung auf einen geplanten New York-Aufenthalt bei einem Selbstverteidigungskurs das Kreuzband riss, stürzte für mich eine Welt zusammen. Ich wollte nach Abschluss meines Biologie-Studiums mit einer Freundin nach New York gehen, um zu tanzen. Jetzt saß ich mit einem von oben bis unten eingegipsten Bein zu Hause, konnte nicht trainieren und sah meine Felle davonschwimmen. Rundherum atmeten alle, denen mein Plan Sorge bereitet hatte auf. Jetzt würde ich diese wahnsinnige Idee ja wohl aufgeben, in diese „gefährliche“ Stadt aufzubrechen um dort einen Traum zu verwirklichen der nichts anderes war als das – ein Traum.

Nach einem halben Jahr Physiotherapie auf Biegen und Brechen, bei der mir oft schlecht wurde vor Schmerzen wurde ich ein zweites Mal am Knie operiert. Zu viel Narbengewebe hatte sich gebildet und verhinderte eine Beugung von mehr als 90 Grad – damit konnte ich kaum die Stiegen raufgehen, geschweige denn ans Tanzen denken. Ich lag eine Woche lang im Krankenhaus auf dem Rücken, mein linkes Bein auf einer Schiene, die mein Knie unablässig beugte und streckte, beugte und streckte. Dann kam eines Tages ein Arzt zur Visite, der mich nach meinem Beruf und meinen Plänen fragte. Und der lachte, als ich ihm sagte, ich wollte als Tänzerin nach New York gehen. Seine Reaktion hat mich gekränkt und erniedrigt, klar. Aber sie hat mich auch wirklich wütend gemacht. Dieser Mann kannte mich überhaupt nicht, sah mich zum ersten Mal, und lachte meinen sehnlichsten Wunsch einfach weg.

Als mein Bein nach einer anfänglichen Verbesserung weiterhin Probleme machte, war ich sehr verzagt und stand kurz davor, meinen Traum aufzugeben. Doch dann überlegte ich mir wie schon so oft bei anderen Dingen, was ich mit 80 über meine Entscheidung sagen würde. (Das hat mir sehr geholfen, mein Studium abzuschließen, obwohl ich zum Schluss schon wirklich keine Lust mehr hatte und mir alles zu viel war – aber ich dachte, ich halte die Reaktion meiner Mutter nicht aus, wenn ich so kurz vor ihrem erklärten Ziel, dass ihre Kinder einmal als AkademikerInnen ein „besseres“ Leben haben sollten die Flinte ins Korn warf). Also entschied ich mich, meine Magistra doch noch zu holen, und ich entschied mich, dem Big Apple zumindest ein Jahr zu geben. Wenn das Knie dann die Strapazen des Tanzens nicht mitmachte, hatte ich es zumindest versucht – und bräuchte mich später im Alter nicht grämen.

Es gibt noch einige Begebenheiten in meinem Leben, in denen mich mein Nein zu einer Ungerechtigkeit, mein „Sicher-Nicht“ gegenüber einer Anmaßung motiviert und weitergebracht hat.

Ein klares Nein

Ein klares Nein gegen etwas ist genauso hilfreich wie ein klares Ja für etwas. Der Vorteil des klaren Nein ist der, dass du noch gar nicht genau und präzise wissen musst, was es denn ist, was du nun wirklich willst – solange du spürst – das, was dir da gerade vorgesetzt wird, ist es sicher nicht. So ein Nein beinhaltet die absolute Weigerung, dass jemand anderer über dich und dein Leben bestimmen darf oder kann. Es ist auch stärker als jedes Jammern, Matschgern und Schimpfen im Kopf oder dich bei anderen darüber aufregen. Denn solange wir Jammern nehmen wir ja immer noch das, was wir nicht wollen, als gegeben hin – es haftet uns noch an. Wenn Du aber dein klares Nein spürst, einfach jede Zelle deines Körpers weiß, dass das, was dir da vorgeschlagen wird, für dich nicht passt, dann kommt es plötzlich zu einer Klarheit darüber, dass das auch wirklich nicht geht für dich, dass du da einfach nicht mitmachst. Unter dem Motto: „Not my circus, not my monkeys“ – oder – „All drama must remain on stage“- oder „Danke, aber ohne mich“.

Wie kommst du zu deinem Nein?

Zunächst geht es wie immer darum, dass du bemerkst, wie du reagierst, wenn etwas passiert, was du nicht willst oder du befürchtest, dass jemand (wieder) etwas macht, was dir nicht passt. Hörst du zu atmen auf? Spannst du den Bauch, den Nacken, das Kiefer an? Wie schaust du? Wird dein Denken eng und eindimensional?

Dann entscheidest du dich dafür, diesen automatischen Zustand wieder loszulassen. D.h. du beginnst bewusst, wieder tief durch zu atmen. Du entspannst dich so gut es geht. Du erlaubst dir nicht, dich von den Gedanken oder dem Jammern mitreißen zu lassen. Du hörst dir quasi selbst nicht zu und bringst stattdessen deine Aufmerksamkeit immer wieder in den Körper, spürst den Boden unter den Füßen, den Untergrund, auf dem du sitzt oder liegst, gibst dein Gewicht ab.

Möglicherweise spürst du dann Angst (davor, dem, was du nicht willst wirklich entgegenzutreten) oder Wut (dass da überhaupt jemand etwas gegen deinen Willen durchsetzen will) oder Schmerz (dass da jemand deine Grenzen nicht respektiert).

Und wenn das alles Platz bekommen hat, was in der Realität auch wirklich da ist, dann kann dein Nein Raum greifen. Dann kann sich die Klarheit darüber, was für dich nicht passt, nicht geht, deiner Integrität widerspricht, in deinem ganzen Körper ausbreiten und für alle rund um dich ebenfalls spürbar werden. Und oft musst du dann gar nichts mehr sagen oder tun, viele Leute bemerken dann von selbst, dass es für dich bis hierher – und nicht weiter – heißt. Die 5. Überstunde machst du noch, doch dann ist Schluss. Diese Distanzlosigkeit sprichst du nur an, das nächste Mal gibt es Konsequenzen. Diesmal gleichst du die laissez-faire Art deines Kollegen noch aus, nächstes Mal lässt du ihn anrennen.

Und je klarer du dein Nein in deinem Körper hast, desto leichter wird es auch mit dem Ja. Falls du dir Unterstützung dabei wünscht, dein Nein zu finden, ruf mich an, und wir machen uns einen Ersttermin aus. Bis Ende Juni gilt der Nach-Corona-Bonus: die Erstsitzung (Online oder Live) um nur € 60.-.

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