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Foto: Cora K. Hiebinger

Ich muss zugeben, dass ich etwas überrascht war, als die Ankündigung kam, dass mit 1. Mai alle DienstleisterInnen wieder arbeiten dürfen. Mit Sicherheitsvorkehrungen, klar, aber doch. Und ich denke, wir freuen uns alle, dass wieder etwas „Normalität“ in unseren Alltag einkehrt. Gleichzeitig erschreckt mich die Vorstellung, dass wir alle dort weitermachen, wo wir vor 7 Wochen eingebremst wurden, zutiefst.

Eine positive Seite des Lock-downs

Eine der positiven Seiten des Lock-downs war für mich, dass ich mir täglich Zeit für einen Spaziergang genommen habe. Das ist etwas, was ich mir seit Jahren gewünscht, wovon ich immer wieder gesprochen habe. Etwas, das ich nicht geschafft habe, regelmäßig in meinen Alltag einzubauen. Seit 6 Wochen gehe ich täglich. Eines der ersten Dinge, die mir auffielen war, dass die Sicht über den Wienerwald viel klarer war. Von der Scheune auf den Steinhof-Gründen sieht man derzeit gefühlt bis ins Salzkammergut. Vom Paulinensteig sieht man jede Dachschindel und über die Dächer von Wien bis weit auf den gegenüberliegenden Stadtrand. Jedes Mal, wenn ich mit dem Fahrrad hinauffahren, bin ich wieder völlig fasziniert von dieser klaren Sicht und der Weite die sich aufgetan hat. Keine Kondensstreifen, kein Flugzeuglärm. Nur blauer Himmel und ein paar Wolken.

Da ich wirklich täglich eine Runde ging, bekam ich auch mal wieder den Frühling mit. Nicht wie sonst – ah, die ersten zarten Spitzen – und beim nächsten Mal liegen die Blütenblätter schon wieder auf dem Boden; sondern wie in dem alten Dokumentarfilm „Die Wüste lebt“ der mit Zeitraffer die Geschehnisse nach einem Regen filmte; der Frühling brachte täglich mehr Knospen zum Bersten, die Blätter begannen zu sprießen, jedes Stadium war detailliert zu beobachten. Und unter so einem erblühten Baum summte es, dass man das Bienensterben glatt vergessen konnte. Selbst mitten im Achten sehe ich dieser Tage Bienen und Hummeln vorbeifliegen, in der Früh weckt mich Vogelgezwitscher und süßer Blütenduft weht durch die Gassen. Also zumindest bis gestern war das so.

Jetzt sind bereits wieder mehr Autos unterwegs, und die Freundlichkeit im Straßenverkehr ist im Abnehmen begriffen.

Es gibt ja diese Theorie, dass ein Unfall, eine Krankheit, eine Krise immer auch ein Weckruf ist – oder sein kann. Du stolperst und verknackst dir den Knöchel. Du machst weiter wie bisher. Du stürzt und holst dir eine sehr schmerzhafte Steißbeinprellung. Du bist eine Zeit lang ruhig-gestellt, machst dann aber weiter wie bisher. Dann rutscht du aus und holst dir einen komplizierten Beinbruch, der dich für Wochen lahmlegt. Wieso sollte es global gesehen anders sein? Und ich denke, die Corona-Pandemie war jetzt trotz allem erst der verletzte Knöchel.

Was möchten wir, das bleibt?

Die Frage stellt sich – was möchten wir, das bleibt? Die Hilfsbereitschaft gegenüber älteren NachbarInnen, die man vorher höchstens einmal gegrüßt hat? Die Wertschätzung gegenüber VerkäuferInnen, die unermüdlich WC-Papier über den Scanner zogen? Die Rücksichtnahme von AutofahrerInnen, die Verständnis dafür zeigten, dass FußgängerInnen zeitweise auf die Fahrbahn ausweichen mussten? Und wie wichtig ist es uns, dass Blütenduft auch in der Stadt zu riechen ist und nicht ganz selbstverständlich von Autoabgasen überdeckt wird? Dass man Vögel tirilieren hört, die sich nicht mehr gegen Straßenlärm durchsetzen müssen, sondern ihrer Kreativität freien Lauf lassen? Dass die Luft klar und sauber ist?

Was wirklich wichtig ist

In den letzten Wochen ist mir wieder einmal sehr klar geworden, was ich zum Leben brauche. Ohne die Möglichkeit, mich in der freien Natur zu bewegen wäre mein Blickwinkel von den Steinhof-Gründen wohl ein anderer geworden, der Biophilia-Effekt par excellence. Ich habe mir vorgenommen, mir weiterhin regelmäßig den Genuss von Natur zu gönnen und auch die täglichen Spaziergänge weiterhin zu praktizieren. Und auch fünf Mal die Woche trainieren fühlt sich sehr gut an – durch das Online-Pilates unterrichten bin ich so fit wie schon lange nicht. Und das, was mir am meisten abgegangen ist, ist wirklich der soziale Kontakt mit und das Berühren von Menschen. Allen KlientInnen, die in den letzten Wochen online mit mir gearbeitet haben, sei es Pilates oder Sitzungen, und allen FreundInnen, die abstandhaltend mit mir spazieren gegangen sind, sei Dank – ihr ward jedes Mal das Highlight des Tages, ihr habt Euren Beitrag zu meiner geistigen Gesundheit geleistet. Und meine Freude darüber, jetzt endlich auch wieder in echt arbeiten zu dürfen, Muskeln und Haut unter meinen Händen spüren zu können, ist unbändig.

Was möchtest Du, das bleibt?

Was ist Dir in den letzten Wochen aufgefallen, von dem Du Dir wünscht, dass es bleibt? Welche neuen Routinen hast Du entwickelt, die Du beibehalten möchtest? Was ist Dir wirklich abgegangen während des Lock-downs, was war leicht zu verkraften nicht zu haben oder nicht tun zu können?

Ich denke, wenn wir uns diese Fragen stellen, dann können wir der „positiven Reinigungskraft“, die Nationalbankchef Holzmann im März so poetisch für die Wirtschaft erwartet hat einen ganz neuen Spin geben – nun wirklich positiv. Dinge, die wir als überflüssig erkannt haben herschenken, weggeben, loslassen; Dinge, die wir als essentiell für unser Glück erkannt haben, stärken, üben, in unseren Alltag integrieren. Entscheiden, was bleibt.

 

 

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