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Foto: Cora K. Hiebinger

Drüber und drunter ist ein beliebtes Spiel der Menschen. Und eines, das oft dazu führt, dass alles drunter und drüber geht.

Es ist Teil eines Großteils der automatischen Seins-Zustände, denen ich in meiner Arbeit begegne und die wir alle zu verändern, zu entlernen trachten. Die Spielregeln sind denkbar einfach: jedeR wird ein Platz zugewiesen – entweder drüber oder drunter – und dann wird munter verschoben und zurechtgerückt.

Du bist „drunter“, weil jemand dich respektlos behandelt, abwertend, von oben herab – oder du empfindest es zumindest so. Oder Du sorgst selbst dafür, dass du „drunter“ bist, weil du jemand andern auf ein Podest hievst, die Person erhöhst, zur HeilsbringerIn erhebst. Um dann umgehend nach Gelegenheiten zu suchen, das Stockerl wieder abzusägen.

Im Spiel geht es also darum, unsere eigene Position oder die der anderen zu verändern, um uns wieder „besser“ zu fühlen.

Weil, egal, wohin man „geschoben“ wird – weder unten noch oben zu landen ist wirklich fein (auch wenn selbst das „unten“ sein immer auch Vorteile haben kann – aber das ist ein anderes Thema). Weil beides ein in-die-Ecke-drängen ist und den Bewegungsspielraum aller Beteiligten einschränkt – selbst wenn es eine luftige Ecke hoch oben ist (wo der Abgrund dann auch nicht weit weg ist).

Wenn wir also „drunter“ sind, matschgern wir vielleicht über die „drüber“, oder suchen Fehler, beobachten wirklich scharf, was auf den oberen Plätzen passiert. Gott sei Dank, wenn wir einen (berechtigten) Kritikpunkt finden – schon ist das Podest ein bisschen niedriger, der Abstand zwischen drüber und drunter geringer geworden. Und falls Du gerade oben gelandet bist, bemühst du dich vielleicht, eine deiner Leistungen herunterzuspielen, um niemandem Gelegenheit zu geben, dich noch weiter in ein Eck zu drängen. Und so geht das Spiel, drüber und drunter, und wir sind damit beschäftigt, uns gegenseitig rauf- und runter zu schieben oder zu drücken. Mühsam.

Ich denke am wohlsten fühlen wir uns doch, wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen, unsere Realität leben und sehen. D.h. Fehler oder Schwächen zugeben und bei anderen akzeptieren können. Weder uns selbst noch andere in ein Kastel zu sperren.

Manchmal wird das Drüber-Drunter-Spiel sehr offensichtlich gespielt; wenn dich jemand vor allen runtermacht um sich selbst zu erhöhen dann ist das meist auch gut zu erkennen. Manchmal findet es jedoch hinter einem Schleier von „Als-ob“ statt – und dann ist oft selbst den Haupt-AkteurInnen nicht klar, was da eigentlich gerade abgeht.

Einer meiner Dozenten in meiner derzeitigen Ausbildung ist ein gutes Beispiel. Er ist zugegebenermaßen äußerst wohlwollend und scheint auch eine Berufung zu spüren, seine SchülerInnen auf die Abschlussprüfung vorzubereiten. Aber da beginnt das Problem schon.

Statt uns – seine SchülerInnen – als erwachsene Personen wahrzunehmen, die freiwillig entschieden haben, neben ihrem Job und familiären Verpflichtungen eine Zusatzausbildung zu machen, geht er offensichtlich davon aus, dass wir alle einfach nur die Abschlussprüfung über die Runden bringen wollen, um unser Zertifikat zu erlangen.

Fragen wiegelt er entweder ab mit seinem knock-out Argument – „das braucht ihr nicht zu wissen, das kommt nicht zur Prüfung“ – oder er windet sich und weicht aus – was den Eindruck vermittelt, dass er die Antwort nicht weiß, es aber nicht zugeben will. Beide Methoden sind beliebt, wenn es darum geht, den Abstand zwischen denen drunter und denen drüber aufrechtzuerhalten.

Es ist auch ein probates Mittel, Leute an ihren Platz zu verweisen – wenn Wissen Macht ist, dann hat es jetzt mal nur er, wir brauchen das Wissen nicht, und wir bekommen es auch nicht. Damit ist sichergestellt, dass wir auf unserm (niedrigeren) Platz bleiben. Da schwingt auch mit, dass er uns nicht viel zutraut – also nicht einmal, dass wir eigenverantwortlich lernen können und wollen, für unser Leben – nicht nur für die Prüfung. Oder dass wir uns in noch so etwas wie Wissensdurst erhalten haben. Oder dass wir durchaus die intellektuelle Kapazität haben, Neues aufzunehmen, Zusammenhänge herzustellen, selbstständig zu denken.

So hat er auch gleich prophylaktisch bei der Verteilung der Referatsthemen darauf hingewiesen, dass wir auf keinen Fall Zusatzinformation darstellen sollen, sondern ausschließlich das, was im Skriptum steht oder in unsere Mitschrift. Auch pädagogische Hilfsmittel seien unerwünscht, wir sollen einfach sprechen. Weil sonst würden unsere KollegInnen nicht mehr wissen, was prüfungsrelevant sei. Das wohlgemerkt nach der gefühlt 135sten Wiederholung des ewiggleichen Stoffs. Was meine Freude darauf, das Referat so richtig gut und interessant vorzubereiten, damit ich und meine KollegInnen Spaß haben währenddessen, gleich mal etwas eingebremst hat.

Wenn wir dann alle nur mehr stumm im Klassenzimmer sitzen, keine Fragen mehr stellen und ihm auch nicht mit offensichtlicher Begeisterung an den Lippen hängen, bemängelt er unser Desinteresse (- was ihn vermutlich in seiner Annahme bestärkt, dass wir nur am Bestehen der Prüfung interessiert sind).

Dieses Anderen-Nichts-Zutrauen-Syndrom (und uns damit automatisch über sie zu stellen) gibt es natürlich auch außerhalb von Klassen- oder Besprechungszimmern. Wie oft übernehmen Mütter den Hauptteil der Babybetreuung, weil „nur sie“ das Kind beruhigen können? Abgesehen vom Busen und Stillen, das hier sicher eine Rolle spielt – was sollte Frauen dazu auserwählen, diese Aufgabe des Kinder-Beruhigens besser hinzukriegen? Ist diese Fähigkeit an das Bügel-Gen gekoppelt, von dem die Gesellschaft annimmt, dass es nur in weiblichen Individuen vorkommt?

Und wie oft schlägt diese mehr oder weniger bewusste Selbst-Erhöhung um in Grant, wenn der Partner dann wirklich nicht mehr so geübt ist darin, und das Kind vehement Mama-Ausschließlichkeit einfordert?

Und wie oft hört man von Leuten mit Delegationsschwierigkeiten, die meinen – „nein, das kann ich XY nicht zumuten, das schafft XY nicht“? Ist das nicht auch ein bisschen arrogant?

Oder – ganz häufig – die Angst von Menschen – die wie ein Fels in der Brandung stets bereit sind, ihren Nächsten eine starke Schulter anzubieten und ein offenes Ohr – dass das Gegenüber ihre Wut nicht aushalten wird, ihre Angst jemandem lästig ist, ihre Traurigkeit allen anderen zu viel ist?

Trauen wir einander doch wieder etwas mehr zu. Und sorgen wir dafür, dass wir auf Augenhöhe kommunizieren miteinander. Unseren Horizont erweitern, indem wir einander auf derselben Ebene begegnen. Das ist ganz sicher weniger anstrengend, und viel inspirierender, motivierender, aufregender, spannender – als das ewig gleiche, uralte Drüber-Drunter-Spiel.

Wenn Du Lust hast, Dir Dein Drüber-Drunter-Spielen bewusst zu machen und es zu stoppen – du kannst das in Sitzungen lernen. Mach Dir einen Termin aus – mit Code-Wort: DrüberStellen erhältst du die Erstsitzung zum ermäßigten Preis.

 

 

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