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Was wir von Katzen und anderen Tieren lernen können

Foto: Cora K. Hiebinger

Carlos, der Inbegriff eines Katers und absolutes Alpha-Tier, ist leider ganz unerwartet in seinen besten Jahren gestorben. Ich stelle ihn mir vor, wie er nun im Katzen-Himmel bald in den obersten Katzenrat gewählt wird. Den solcherart war sein Charisma und sein elegantes Geschick, das zu erlangen, was er wollte und was ihm zustand.

Es ist ja bekannt, dass Hunde Besitzer haben, Katzen aber Bedienstete. Und ich hatte die Ehre, eine der Zusatz-Bediensteten von unserem majestätischen „Baron von Ottakring“ zu sein. Diese Karriere begann damit, dass ich bei ihm einzog, während seine Haupt-Bediensteten für eine Woche auf Hochzeitsreise fuhren. Denn Carlos war eine Katze, der man nicht einfach nur das Fressen hinstellen konnte – er schätzte Gesellschaft – oder zumindest die Option, von seinen ausgedehnten Spaziergängen über die Dächer Wiens in eine nicht leere Wohnung zurückzukehren. Ähnlich wie Kinder, die es ja auch mögen, wenn jemand da ist, auch wenn sie sich gerade lieber alleine beschäftigen.

Ich verlegte also meinen Lebensmittelpunkt in die Wohnung von Carlos und sorgte u.a. für pünktliche Essenszeiten. An die er mich auch vehement erinnerte, speziell in der Früh, wo er natürlich nach seinen nächtlichen Ausflügen dringend eine Stärkung benötigte. Am ersten Tag war er noch etwas zurückhaltend und wohl auch andeutungsweise beleidigt ob der mit ihm nicht abgesprochenen Veränderung im Haushalt. Aber am Ende der Woche tat er das, wovor mich seine MitbewohnerInnen gewarnt hatten – er biss mich in die kleine Zehe, um meinen Aufwachprozess zu beschleunigen. Und damit war meine Probezeit beendet und er gestattete mir, jederzeit als Betreuerin einzuspringen, wenn seine Haupt-Menschen verhindert waren.

Carlos verfügte über eine ganze Palette von Aufweck-Methoden. Von eher unsanften, wie das in die Zehen zwicken, bis zärtlich liebevollen einen mit der Pfote sanft anstupsen oder – mein absoluter Lieblingstrick: wachstarren. Er saß dann seinem Menschen auf Augenhöhe gegenüber und schaute einen einfach so lange an, bis man aufwachte. Speziell wenn er einen gnädigerweise (fast) ausschlafen ließ, musste es dann mit dem Frühstück schon eher schnell gehen. Ich gewöhnte mir an, nach dem Aufstehen sofort (und rasch) in eine lange Hose zu springen, nachdem ich einmal zu langsam war und meine Wade das zu spüren bekam.

Umso entspannter waren Samstagnachmittage mit ihm. Kam er auf einen Sprung zu Hause vorbei und entschied sich dann, sich auf einem seiner Lieblingsplätze im Wohnzimmer der Schwerkraft hinzugeben, sackte der ganze Raum um ein paar Anspannungsgrade nach unten. Und war man zu intensiv mit der Arbeit am Computer beschäftigt, sprang er gerne auf den Tisch und setzte sich vor den Bildschirm oder die Tastatur, um einen daran zu erinnern, dass es auch noch andere Dinge im Leben gab als Deadlines und Arbeit und Internet.

Carlos liebte es, gebürstet zu werden – und er hatte auch ein eigenes Aufforderungs-Miauen für die Einforderung dieser Tätigkeit. Man konnte auch ganz großartig mit ihm schmusen wenn er Lust dazu hatte. Sein sonores Schnurren war ganz sicher heilsam für alle Beteiligten und es war immer ganz klar, welche Stellen er gerne wie und wie lange gekrault haben mochte und welche eher nicht. Wie er überhaupt stets sehr klar machte, was er wollte und was nicht. Es galt nur, aufmerksam zu sein, um die Zeichen richtig deuten zu können. Und schon war alles friedlich.

Wenn wir also eines von Carlos, diesem großen Meister des Willens lernen konnten, dann, wie essentiell es ist, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Ich denke, ein erfolgreicher Tag war für ihn, sich genügend Pausen gegönnt zu haben, sich absolut nur dort niederzulassen, wo es ihm gerade gefiel und wo er sich wohlfühlte – und zwar nur so lange, wie die Bedingungen genau so waren, dass dieses Wohlbefinden auch aufrechterhalten werden konnte. Erfolg bedeutete ihm, sich ausgiebig gerekelt und getreckt zu haben, seine Talente als Jäger und seine Sprungkraft trainiert zu haben, die Krallen geschärft, seine Sinne eingesetzt und sich Streicheleinheiten in genau dem Maße geholt zu haben, in dem er sie wollte. Er hat das hehre Ziel erreicht, genau das zu sein, wozu er geboren wurde – ein Kater zu sein und seine Essenz des Alpha-Tiers auszuleben. Er hat seine Strategie, bei genau diesen beiden großartigen Menschen einzuziehen, die er als Jungtier dazu gebracht hatte, ihn bei sich aufzunehmen niemals hinterfragt und ließ auch niemals einen Zweifel daran, dass ihm bewusst war, dass er dabei die absolut richtige und für ihn beste Wahl getroffen hatte. Er war immer authentisch, nie lange nachtragend, brachte uns alle immer wieder zum Lachen und beglückte uns mit seinem Charme und seiner Liebenswürdigkeit.

Es fällt uns ja leider eher nur bei Haustieren leicht, die Tiere Tiere sein und ihre Essenz ausleben zu lassen. Auch eine Kuh liebt ihre Freiheit und macht Bocksprünge vor Freude darüber auf die Weide hinaus zu können; jedes Schwein suhlt sich gerne im Schlamm oder legt sich unter einen Baum, um in Ruhe zu verdauen oder den Schatten zu genießen. Und auch die Bäume wissen um ihre Essenz – keine Buche wird damit hadern, nicht als Fichte oder Ahorn gewachsen zu sein.

Abgesehen von dieser Selbstverständlichkeit, mit dem Tiere – und wohl speziell Katzen – genau das sind, was sie eben sind, und – wenn man sie denn lässt – genau das tun, was sie eben tun wollen – und dass es für unser eigenes Wohlbefinden und Vorankommen als Person hilfreich ist, diese Selbstverständlichkeit immer wieder anzustreben – auch die Art, wie wir mit solch aristokratischen Geschöpfen, wie Carlos eines war, ganz selbstverständlich umgehen kann uns einiges lehren:

Allen KatzenliebhaberInnen ist klar, dass unsere Bereitschaft, die Eigenheiten eines Tieres ganz selbstverständlich zu akzeptieren und uns damit zu arrangieren, oft größer ist als die für unsere Mitmenschen. Finden wir es liebenswert, wenn Kater wie Carlos die Katzenklappe ausschließlich dann verwenden, wenn niemand da ist, der ihm die Türe öffnen kann – so nervt uns so eine kleine Manipulation durch simulierte Hilflosigkeit, wenn sie von einem Menschen kommt. Obgleich es in beiden Fällen ja vielleicht nur der Wunsch nach Aufmerksamkeit ist, und das Bedürfnis, wieder einmal gesehen zu werden, sich der „Anwesenheit“ seines Gegenübers zu versichern.

Und es käme uns nie in den Sinn, ein Tier – und speziell eine Katze – ändern zu wollen. Ganz im Gegenteil, die kleinen Eigenheiten, die seine Persönlichkeit ausmacht, machen es noch liebenswerter. Noch heute erinnere ich mich an den ganz speziellen Blick und das Ohrenspiel unseres Rauhaardackels, wenn sie in der Dämmerung ihr „Revier“ beobachtete. Und der Stimmumfang und die Modulation, zu der Carlos fähig war, um seine Menschen zu erziehen, sucht wohl ihresgleichen.

Brächten wir für die Eigenheiten unserer Partner und PartnerInnen, Geschwister, Kinder und Eltern – und auch für unsere eigenen – genauso viel Toleranz auf wie für die unserer Haustiere, wären unsere Beziehungen vermutlich sehr viel entspannter. Wenn wir uns dann auch noch von Katzen oder anderen Tieren abschauen, wie man sich entspannt, seinen Raum ganz selbstverständlich einnimmt und sich mit niemandem vergleicht – Carlos würde es sicher unter „Erfolg“ verbuchen. Ich werde ihn vermissen, den Baron von Ottakring.

 

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