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Foto: CoraKHiebinger. Linzer Klangwolke 2024

Kürzlich brachte eine Klientin im Gespräch über die letzten Überschwemmungen ihren Frust zum Ausdruck und meinte, sie wolle schon nicht einmal mehr Müll trennen, weil sowieso alles keinen Sinn habe. Ich verstehe ihren Frust. Kommendes Wochenende gehe ich zu meinem 40-jährigen Maturatreffen – schon in der Unterstufe dieser Klasse wurden wir im Biologieunterricht vor dem drohenden Klimawandel und dessen Auswirkungen gewarnt: Artensterben, Pandemien, immer häufiger werdende Extremwetterereignisse, damit einhergehende Überflutungen, Trockenheit bzw. Dürre, damit einhergehende Ernteausfälle, damit einhergehende Flüchtlingsströme, ……

Nach dem gestrigen Wahlergebnis verstehe ich diesen Frust noch besser. Und gestern war auch wirklich die Luft draußen. Und so muss ich mich selbst daran erinnern, was ich ihr letzte Woche entgegnet habe. Dass ich es immer als hilfreich empfunden habe, speziell in Zeiten oder Bereichen, in oder über die ich wenig bzw. keine Kontrolle habe, die Nischen zu finden und auszunützen, die ich selbst kontrollieren kann.

Habe die Kontrolle darüber, was Du kontrollieren kannst

In meiner Ausbildung zur Grinberg-Praktikerin gab es z.B. einiges an Willkür, abgesehen davon, dass die Dinge, die man in der Ausbildung lernt nicht immer einfach wie Wissen erlernbar sind, sondern ganz viele Faktoren zusammenspielen, damit man sie zeitgerecht für die nächste Ausbildungswoche kapiert haben konnte. Wir hatten aber als Hausübung zwischen den Ausbildungswochen auch immer ein Training zu absolvieren. Und das zu machen oder nicht lag nun mal einzig und alleine in unserer eigenen Kontrolle. Also machte ich es. Genau wie vorgeschrieben. Ich erinnere mich noch, dass ich auf Urlaub (Paddeltour auf der Elbe) am Abend auf dem Campingplatz meine Übungen machte, während meine Freund*Innen schon beim Bier saßen. Das war im dritten Ausbildungsjahr, wir hatten täglich eine Stunde Training zu machen. Der Spaßfaktor hat sich dabei zeitweise sehr in Grenzen gehalten, aber die Stärkung meiner Selbstwirksamkeit und des Gefühls, mein Leben selbst im Griff zu haben hat diesen Nachteil mehr als aufgewogen.

Eine Freundin von mir meint, dass ich eben diszipliniert sei und mir daher leicht tue Dinge durchzuziehen. Ich kann bestätigen, dass ich Disziplin im Sinne von etwas durchziehen durchaus positiv bewerte; und dass Disziplin trainiert werden kann, d.h. sie wird besser und damit einfacher aufrechtzuerhalten, je mehr man sie anwendet. Wie das halt mit sehr vielen Dingen so ist. Je öfter/mehr man es macht, desto besser kann man es. Ansonsten würde ich nicht sagen, dass mir Disziplin bedeutend leichter fällt als allen anderen. Da gibt es z.B. den Manner-Wafferl-Test: manchmal – wenn Patient*Innen zum Abschluss der Reha wieder einmal eine Riesenpackung mitbringen – nehme ich mir „versehentlich“ eine Packung Wafferl mit nach Hause. Mit dem Vorsatz, sie beim nächsten Ausflug für alle als Gutzi mit dabei zu haben. Ja, eh. Die leben nicht lange, wenn sie mal bei mir daheim sind. Manchmal schaffe ich noch den Freitagnachmittag, aber spätestens am Samstag ist der Widerstand dann gebrochen. Ich denke an meine Oma, die zu solchen Gelegenheiten meinte: „Dann hat die arme Seel a Ruah“ und die Packung ist ratzeputz verschlungen. Obwohl ich beschlossen habe, außer dunkler Schokolade nur zu Fest- und Geburtstagen Süßigkeiten zu essen (und im Urlaub und an Wahlsonntagen ….).

Tricks

Ich habe also ein paar Tricks, um mich selbst auszutricksen und mich dabei zu unterstützen meine Dinge durchzuziehen. Und in Anbetracht der politischen Lage ist ein „Jetzt erst recht“ wohl nicht fehl am Platz. Vor allem auch in Sachen persönlicher Beitrag zum Umweltschutz. Oder persönlicher Beitrag zur Aufrechterhaltung/Verbesserung der eigenen Gesundheit, damit man der absehbaren Steigerung der Ungemütlichkeit besser standhalten kann. Die meisten meiner Tricks sind Beispiele für Disziplin in Sachen gesund Essen und Sport. Mit etwas Fantasie können sie aber sicher auch auf andere Bereiche angewendet werden.

Bring nichts mit nach Hause, das du vermeiden willst

Wenn es um Dinge geht, die du vermeiden willst – bring sie nicht mit nach Hause. Wenn keine Mannerwafferl/Süßigkeiten daheim sind, dann isst du sie auch nicht. D.h. du brauchst die Disziplin nur während des Einkaufens und kaufst das Zeug nicht (ich habe oft genug etwas in der Hand und lege es wieder zurück). Und wenn der Gusto am Samstagnachmittag so groß wird, dass du kurz vor Ladenschluss noch zum Billa rennst, dann hast du dich wenigstens extra bewegt dafür. Dasselbe gilt für Alkohol oder sonstige Suchtmittel. Oder in Sachen Umweltschutz – wenn Du im Oktober von Erdbeeren angelacht wirst. Du musst sie nicht mitnehmen. Erdbeersaison ist bei uns im Mai/Juni. Da schmecken sie auch besser.

Zeitfresser

Auf Handys sind Spiele drauf. Nachdem ich mal auf eines total reingekippt bin und damit wirklich viel Zeit vertrödelt habe, habe ich die App vom Handy entfernt. Seither muss ich keine Energie mehr dafür aufwenden, das Spiel nicht zu spielen. Ich kann es einfach nicht spielen. Es geht mir auch nicht ab. Über eine Freundin habe ich einen Netflix-Zugang. Nach einer Phase des Serien-Binge-Watching (Gray’s Anatomy!) musste ich auch einen Deal mit mir machen – ich darf einmal pro Woche Netflixen. Dazu, den Zugang zurückzugeben, habe ich mich noch nicht durchgerungen. Das wäre noch klüger. Und auch günstiger in Sachen ökologischer Fußabdruck. Streamen kostet auch Energie – wobei hier anscheinend v.a. die Größe des Bildschirms ausschlaggebend ist, auf der man sich den Film/das Video anschaut. Aber auch das leppert sich zusammen.

Planen

Wichtige Termine stehen sicher auch bei Dir im Kalender. Wenn Du Sport für wichtig erachtest, dann schreib den auch in den Kalender. Seit ich das mache, schaffe ich häufig wirklich 4 Sporteinheiten pro Woche. Wenn ich mir nicht eintrage, dass ich am Donnerstag um 16:15h auf der USI bin, dann glaube ich, mein Donnerstag Nachmittag sei frei und mache mir etwas anderes aus. Planen ist auch sonst hilfreich. Wenn ich weiß, dass ich auf den Markt gehe am Samstagvormittag, dann nehme ich mir Stoffsackerl (von www.sheepish.at) für das Gemüse mit. Und Stoff-Tragetaschen habe ich immer mit in meinem Rucksack, falls ich spontan etwas einkaufe. Wenn ich weiß, dass ich den ganzen Tag in der Arbeit bin, dann nehme ich mir von zuhause etwas zu essen mit – damit komme ich zu meinem gesunden Essen und spare auch wieder Verpackungsmaterial das anfällt, wenn ich mir irgendwo etwas kaufe. Gut zu beobachten in der Westbahn, in der die Schaffner*Innen im Zielbahnhof den Müll einsammeln: ein Waggon lieferte letzthin einen ganzen, großen gelben Müllsack Abfall. Anscheinend steigen viele Leute in den Zug, um dann sofort aus dem Automaten eine 0,25l Plastikflasche Wasser zu holen. Oder zwei. Nimm Dir eine Flasche von zu Hause mit. Mit Wasser auffüllen kannst Du sie unterwegs an vielen Orten. Jause mitnehmen ist anscheinend auch nicht mehr modern. Funktioniert aber immer noch gut.

Austricksen

Mir geht es besser, wenn ich abends nichts mehr esse. D.h. ich plane meine Tage wenn es geht so, dass ich spätestens um 16:30h den letzten Bissen zu mir nehme (am Montag arbeite ich z.B. bis 15h, dann nehme ich meine „Mittagspause“ und dann bin ich ab 17h wieder in der Praxis). Aber die Planung alleine ist es noch nicht – weil wenn ich abends nach Hause komme bin ich allenfalls schon wieder leicht hungrig. Wenn ich aber am Nachmittag nach der geplanten letzten Mahlzeit sofort Mundhygiene mache und Zähne putze, dann schaffe ich es. Weil noch einmal den ganzen Aufwand mit Zwischenräumen, Zahnseide, Putzen – „Nein, Danke!“

Was sonst noch hilft

In einem meiner Seminare kam der folgende Vorschlag: immer wenn Du etwas durchziehen möchtest und schwach wirst, kannst Du Dir vornehmen, dass nach jedem Abbruch Du die nächste Phase um zumindest 1 Einheit länger machen musst. D.h. du hast es geschafft an 5 Tagen nicht zu rauchen und am 6. wirst du schwach – dann legst du es darauf an, dass du beim nächsten Mal zumindest 6 Tage lang durchhältst.

Was auch immer hilfreich ist – den Deal, den Du mit Dir gemacht hast zu verschriftlichen bzw. es anderen Leuten zu erzählen. Wenn alle Deine Arbeitskolleg*Innen von Dir gehört haben, dass Du ab sofort keinen Kaffee mehr trinkst – und dann sehen sie Dich mit der Tasse in der Hand – dann ist das allenfalls ein bisschen peinlich. Außerdem können Dich die anderen auch anspornen und unterstützen. Beim Sport hilft mir nicht nur die Tatsache, dass die Einheiten als Fixtermin in meinem Kalender stehen, sondern auch, dass ich zu Gruppenstunden gehe und die Leute dort mittlerweile kenne und gerne sehe. D.h. wir motivieren uns gegenseitig, auch wirklich auf der Schmelz anzutanzen.

Für ganz Hartgesottene gibt es noch diesen Trick – ich habe ihn selbst noch nie angewendet, weil ich es echt krass finde. Wenn Du den Deal mit Dir selbst brichst, musst du einer Organisation, die Du verabscheust, Geld spenden. Beim Gedanken, dass ich aufgrund einer plötzlichen Mannerwafferl-Schwäche z.B. der FPÖ Geld überweisen müsste, graut es mir. Und da ich weiß, dass ich den Mannerwafferln trotz aller Tricks oft doch nicht widerstehen kann, lasse ich diese Methode einfach ausfallen. Allenfalls könnte man es umwandeln und einer Organisation wie der Caritas oder Ärzte ohne Grenzen oder Global 2000 oder Greenpeace zu spenden, wenn man schwach wird……. Da müssten es dann aber wohl wirklich größere Beträge sein, damit es einen relevanten Einfluss auf die Disziplin hat.

Was auch noch hilft ist, nicht nur Sporteinheiten, sondern auch andere Dinge, die regelmäßig zu tun sind im Kalender zu notieren und dann täglich abzuhaken, was man erledigt hat. Abgesehen davon, dass das hilft, den Überblick zu wahren und nichts zu vergessen, stärkt jedes Abhaken auch den Disziplin-Muskel. Geschafft, geschafft, geschafft. Du hast Dir damit selbst bewiesen, dass Du es kannst. Falls Du gerade einen Lernprozess nach der Grinberg-Methode machst und es darum geht, deinen Zustand immer wieder zu stoppen, hilft dir dieses Training mit Kleinigkeiten des Alltags ebenso – du hast jetzt schon 5 Wochen keinen Soft-Drink mehr zu dir genommen – dann kannst du deine automatische Reaktion auf deine Chefin auch stoppen. Du tust es einfach.

Wenn Du Deine Disziplin stärken willst, probier einfach mal aus, welche Tricks Dir zusagen und wie Sie Dir helfen können. Speziell wenn Du Dich verzagt fühlst und das Gefühl hast, überhaupt keinen Spielraum mehr zu haben – dann hilft es wirklich oft, in einem kleinen Bereich wieder die Kontrolle zu übernehmen. Und je mehr Du das machst, desto mehr bist Du auch wieder der/die Chef*In Deines Lebens. Und falls Du Unterstützung dabei möchtest – ein Lernprozess nach der Grinberg-Methode ist gut dazu geeignet, die eigene Selbstwirksamkeit zu erkennen und zu verbessern. Wie gesagt – jetzt erst recht.

 

 

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