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Über die Freiheit 

Foto: Cora K. Hiebinger

Einer der positiven Veränderungen, den die Pandemie für mich mit sich brachte ist, dass ich mir – egal bei welchem Wetter – jeden Tag Zeit nehme, zumindest eine kurze Runde spazieren zu gehen. Wenn es schnell gehen muss, genügt die unmittelbare Nachbarschaft, oder auch ein, zwei Runden im alten AKH. Mittlerweile habe ich auch schon viele mir neue schöne Plätze rund um Wien entdeckt, die alle ihren Charme haben und z.Tl. grandiose Ausblicke über die Stadt gewähren (Pötzleinsdorfer Park z.B. oder das Paradies). Alle Ziele meiner kleinen Rundgänge sind mit dem Fahrrad (oder auch den Öffis) innerhalb von 30 min gut zu erreichen.

Einer meiner Lieblingsplätze ist nach wie vor die Baumgartner Höhe. Auf dem Weg hinauf gibt es einen kleinen Pavillion mit Bänken und einem Tisch. Dieser ist in letzter Zeit vermehrt vermüllt. Schnell bietet sich Corona und die Lock-downs als Schuldige an. Wo sollen sich die Leute denn treffen, wenn alles zu hat, da setzen sie sich eben im Freien zusammen, ist ja auch sinnvoller, wegen reduzierter Aerosol-Dichte. Ja, eh.

Im Sommer berichtete der ORF (Fotos dazu) darüber, wie am Donaukanal Müllberge um die heillos überfüllten Mistkübel wuchsen. Auch hier wurde ein Zusammenhang mit Corona hergestellt (Clubs und Lokale zu, etc.), zusätzliche Mistkübel aufgestellt und das Reinigungspersonal aufgestockt, weil offensichtlich die zu kleinen Mistkübel und die zu geringe Reinigungsfrequenz („nur“ 3x täglich) schuld an der Misere waren.

Aber kann man das, was man mitgebracht hat, nicht einfach auch wieder mit nach Hause nehmen und dort fachgerecht entsorgen? Der Mülleimer neben dem Pavillion war jedenfalls keineswegs überfüllt, er war völlig leer.

Die „Hinter mir die Sintflut“-Einstellung

Diese „Hinter mir die Sintflut“-Einstellung, das Abgeben von Verantwortung für Dinge, die ganz eindeutig im eigenen Verantwortungsbereich liegen, ist weit verbreitet. Gleichzeitig ist Zuweisung von Schuld an andere populär wie noch nie. Irgendwie stehen diese Haltungen wohl miteinander in Zusammenhang.

Es gibt ja Politiker, die Meister darin sind, allem so einen Spin zu versetzen, dass sie stets mit scheinbar reiner Weste aussteigen und die anderen das Bummerl in der Hand halten. Schuldzuweisungen funktionieren offensichtlich wirklich gut – unser Hirn kann die Informationen – wie wahr sie auch immer sein mögen – zu den vorhandenen Vorurteilen und Überzeugungen dazufügen und unsere Sichtweise auf das Leben verfestigen. Und alles hat wieder seine Ordnung. Das gibt ein Gefühl der Sicherheit. Alles ist so, wie wir schon immer „wussten“, das es ist. Der Vorteil für die, die zugewiesen haben: die Diskussion ist für viele zu Ende, weil das Hirn bereits befriedigt ist mit einem weiteren Baustein für das eigene Weltbild. Und vielleicht glauben die, die Schuld anderen zuweisen ja irgendwann selbst daran, dass sie mit allem gar nichts zu tun hatten.

Schuldzuweisung und Unabhängigkeit

Was dabei oft übersehen wird: jedes Mal, wenn wir jemand anderem die Schuld geben an unserem Verhalten, geben wir Unabhängigkeit ab. Unsere Freiheit, die als Erwachsene darin besteht, dass wir zu jeder Zeit und in jeder Situation entscheiden können, wie wir sein wollen, wie wir handeln wollen. Wenn ich meinem Bruder die Schuld dafür gebe, dass er einen meiner Trigger betätigt hat und ich deshalb ausgeflippt und die Familienfeier in einen Streit münden habe lassen, dann gebe ich nicht nur die Verantwortung für meinen Beitrag am Desaster ab, sondern auch meine Freiheit, unabhängig vom Verhalten anderer agieren zu können. Wenn ich das Wetter für meine schlechte Laune verantwortlich mache, dann bin ich dem Wetter ausgeliefert. Wenn ich einem Werbespot die Schuld daran gebe, dass ich Geld für ein weiteres Teil mit enden wollendem Nutzen ausgegeben habe, (obwohl ich doch Dinge reduzieren wollte!), wo stehe ich dann eigentlich?

Jede Handlung hat Konsequenzen

Tatsache ist, alles, was wir tun hat Konsequenzen. Wenn wir uns so betrinken wollen, dass wir es nicht mehr schaffen, die leeren Flaschen in den Mist zu schmeißen oder wieder einzupacken – ok. Dann lasst uns dazu stehen, dass wir zu besoffen, zu bequem, zu trotzig oder angepisst auf das Establishment waren, unseren Müll wieder mit nach Hause zu nehmen. Aber als gesunde Erwachsene liegt die Verantwortung für mein Trinkverhalten, meine Bequemlichkeit und wie ich mit meiner Wut umgehe einzig und alleine bei mir.

Und selbst wenn wir niemandem die Schuld geben – auch wenn wir unsere Verantwortung abgeben und etwas einfach glauben oder hinnehmen, ohne weiter darüber nachzudenken, ob das so stimmen kann, wie es gerade erzählt wird; etwas für bare Münze nehmen, und es auch gleich weitertragen, ohne uns genauer zu informieren, sind wir leichte Beute für Manipulation – wer auch immer die gerade betreibt. Und wir nehmen uns die Freiheit, der Realität ins Auge zu schauen, im Hier und Jetzt präsent zu sein mit allem, was wir sind.

Der unbezahlbare Gewinn

Der unbezahlbare Gewinn, den ich als jahrelange Klientin meiner Lieblings-Praktikerin (Danke, Claudia!) in meinem Lernprozesses nach der Grinberg-Methode erfahren habe, und den meinen Klient:Innen immer wieder zu vermitteln mir ein ganz großes Anliegen ist, ist genau diese unbändige Freiheit, die wir erlangen können, wenn wir Eigenverantwortung übernehmen und präsent sind in der Realität; wenn wir lernen,

  • uns die Art und Weise, mit der wir automatisch auf äußere Umstände oder Aussagen und Handlungen von anderen reagieren bewusst zu machen,
  • es als eine Reaktion, einen Zustand, den wir selbst kreieren zu erkennen, und
  • damit aufzuhören.

Und das erfordert Mut und Ausdauer.

Der Realität ins Auge schauen

Und wenn wir dann noch weiter mutig sind, und uns all das, was da ist zu spüren erlauben: Trauer, Angst, Wut….. Und feststellen – oops – da hab ich was falsch gemacht – oder – Naaah, das freut mich jetzt echt nicht – und dann vielleicht spüren, dass wir traurig sind über den Fehler, weil wir damit jemanden verletzt haben; oder uns ein klein bisschen schämen, weil wir zu bequem waren, an diesem besagten Tag die Umwelt zu schützen;

Und wenn wir dazu stehen und keine Schuldigen suchen, sondern uns aufs neue bewusst machen, dass wir unsere eigenen Chef:Innen sind und beim nächsten Mal eine neue Chance haben, es anders und vielleicht auch besser zu machen.

Und wenn das ganz viele von uns so handhaben ab sofort.

Was für ein großartiges Jahr wird 2021 werden!

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