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Foto: Cora Hiebinger

Kennst du die Geschichte des Paars, bei der sie ihm in den ersten Wochen ihrer Ehe ein spezielles Müsli kauft, von dem sie fälschlicherweise annimmt, dass er es besonders mag  und er – noch frisch verliebt und ihr Bemühen sehend – will sie nicht verletzten und würgt es mit einem Lächeln und sich überschwänglich bedankend hinunter, obwohl er den Geschmack dieser Müslimischung gar nicht schätzt. Und so nimmt sie (nicht unberechtigterweise) an, dass sie die richtige Wahl getroffen hat und kauft diese Sorte von nun an immer für ihn. Er versucht immer wieder, sie indirekt davon abzubringen. Er eiert also herum. Aber er ringt sich nie dazu durch, ihr klar zu sagen, „Du, Liebling, ich mag diese Sorte eigentlich nicht. Bitte kauf sie mir nicht mehr.“ Und 30 Jahre später hält er ihr bei einem Streit vor, dass sie ja „noch nie auf seine Bedürfnisse geachtet hätte, und noch nicht einmal weiß, welches Müsli ihm schmecke“.

Nicht sagen, was einen stört

Ich erlebe es ganz oft, dass Leute nicht aussprechen, was sie nicht wollen. Weil was wir nicht wollen, bzw. was uns stört, ist uns ja meistens schneller klar, als das, was wir wollen. Es zieht ein bisschen ins Genick, der Polster liegt nicht so, dass man den Kopf bequem ablegen kann, das Licht blendet, die Füße sind zu warm, der Rücken aber zu kühl, ein Geräusch im Raum stört. Oder einfach so ein Gefühl, dass irgendetwas nicht passt, das Wohlbefinden auf eine subtile Art beeinträchtigt ist. Und da haben wir offene Zahnpastatuben oder herumliegende Hausschuhe oder in den Kasten reingewurschtelte Hand- oder Leintücher noch gar nicht erwähnt.

Nicht kränken wollen

Ich denke, einer der Gründe, warum wir oft nicht klar sagen, was uns stört ist, dass wir – so wie beim eingangs erwähnten Ehepaar – unser Gegenüber nicht kränken wollen.

Mein New Yorker Ex, dem ich zu seinem Geburtstag einmal eine Topfentorte mit 6 Mürbteig-Tortenböden gebacken hatte, hatte noch nie ein Problem damit, deutlich zu sagen was er dachte. Und als er meinte, er möge kein Cheese-Cake (was die Topfentorte auch nicht war, aber das kam noch am ehesten hin als Übersetzung) ohne die Torte zumindest gekostet zu haben, war ich auch wirklich gekränkt. Ich verspeiste die Torte dann an der Schule mit Freundinnen und das eine Stück, dass er dann doch noch kosten wollte, hat ihm dann doch sehr gut geschmeckt. Tatsache ist jedoch, dass er grundsätzlich nicht so wirklich auf Süßes steht, und die große Geste, die ich mit dieser aufwendigen Torte setzte, eher meinem Ego diente und einem Kultur-Austausch – in meiner Familie ist es üblich, für jemanden, der Geburtstag hat eine Torte zu backen. Und Zuneigung, Liebe oder Wertschätzung zeigen wurde bei uns ganz viel über das Bekochen transportiert. Also ging es bei dieser Geschichte um ganz viele verschiedene Dinge, nicht zuletzt um die Herausforderungen einer interkulturellen Beziehung.

Zwischen der prophylaktischen Ablehnung meiner Topfentorte durch Danny und dem Stillschweigen über eine echte Abneigung über 3 Dekaden hinweg gibt es natürlich ein weites Feld der Kommunikationsmöglichkeiten.

Nicht lästig sein wollen

Ein weiterer Grund, nichts zu sagen liegt wohl darin, dass man nicht lästig sein, keine Umstände machen will. Das erlebe ich nun vermehrt bei Patient:Innen, denen ich das Liegen so bequem wie möglich gestalten möchte, und die meistens sofort abwinken und meinen, es passe schon so. Wenn ich dann den Polster doch noch etwas zurechtrichte, oder die Knierolle um 1 cm nach unten bewege, dann ist es plötzlich doch noch besser und sie liegen auf einmal viel entspannter da.

Es ist aber auch schon vorgekommen, dass einE Klient:In, die ich in einer Sitzung (bei der es um Entspannung ging) mehrmals fragte, ob alles passe, am Ende meinte, ihr Nacken sei jetzt mehr verspannt als vorher, weil sie blöd gelegen sei. Man könnte mir nun vorwerfen, dass mir das hätte auffallen müssen, dass die Person nicht ganz bequem und entspannt gelegen ist. Und das ist ja auch ein häufiges Argument der schweigenden Person, dass es doch auffallen hätte müssen, dass man keine Cremschnitten mag, sondern lieber Linzer Torte. Dass man Rotwein nicht verträgt und grundsätzlich nur Schilcher trinke. Dass man ausschließlich im Norden zu urlauben wünsche und den Süden verabscheue. Und manchmal ist es auch wirklich so, dass jemand etwas besser wissen sollte – einer Vegetarierin Chilli-con-Carne zu kredenzen spricht nicht für große Anteilnahme an deren Person.

Aufmerksam sein

Und ja, ein Teil der Gleichung ist immer, dass alle Beteiligten aufmerksam sind. Und voneinander übereinander lernen. Aber gleichzeitig bleibt eine Ebene, in der ich dem, was mein Gegenüber sagt, vertrauen können möchte. Wenn du dich bei der Planung eines Urlaubs, Ausflugs, oder sonstigen Aktivität aus der Gleichung herausnimmst und behauptest, es sei dir egal ob es in den Norden oder in den Süden gehen soll (sprich: Floridsdorf versus Favoriten, Waldviertel versus Südsteiermark :-)) gibst du die Verantwortung ab. Wenn du dann herumeierst und ganz viele Argumente gegen das Hotel, gegen die Route, gegen alles bringst, und – dort angekommen – deine Stimmung so frostig ist wie sie im Süden normalerweise eben nicht ist, weil du ja eigentlich viel lieber in den kühlen Norden willst, dann ist es erstens deiner Beziehung vermutlich nicht zuträglich, und außerdem auch nicht fair Deinem Partner, Deiner Partnerin gegenüber. Wenn du merkst, dass das, was dich stört, was du nicht willst, deine Haltung zu der auslösenden Person beeinflusst, Dein Wohlbefinden und damit Deine Stimmung beeinträchtigt, dann ist es Zeit, etwas zu sagen oder zu tun.

Den Mund aufmachen

Den Mund aufzumachen – gerade, um „Kleinigkeiten“ einzufordern oder zurechtzurücken fällt uns allen nicht immer leicht. Und ich sehe ein, dass gebrechliche, ältere Kranke, die schon unzählige Therapien über sich ergehen haben lassen, möglicherweise keinen Kopf mehr dafür haben, irgendjemanden zu bitten, doch bitte auch noch die Decke etwas nach links zu ziehen, weil der rechte Fuß immer so unangenehm warm wird.

Da liegt es dann an mir, immer wieder nachzufragen und für uns beide aufmerksam zu sein, wie ich die Situation für mein Gegenüber noch verbessern könnte. Genauso, wie es in Beziehungen meist hilft, nachzufragen oder genau zu beobachten, was der/die PartnerIn denn lieber hat – Vanille- oder Schokoeis z.B.. oder Fleisch oder lieber doch vegetarisch.

Bequemlichkeit

Aber in einer Beziehung auf Augenhöhe, bei der alle Beteiligten die Ressourcen, Energie und die Möglichkeit zur Aufmerksamkeit besitzen, wünsche ich mir, dass alle ihren Mund aufmachen. Und sagen, was Sache ist, falls es relevant ist. Respektvoll und konstruktiv, wertschätzend und je nach Beziehung auch liebevoll. Weil manchmal ist das Herumeiern und nicht klar aussprechen, was einen stört, auch einfach nur ein Zeichen von Bequemlichkeit.  So wie das Blinken beim Abbiegen, dass immer weniger oft für notwendig erachtet wird.

Gib Bescheid, wenn du in den Norden willst statt in den Süden, sag, dass es Dir zieht, weise darauf hin, dass du links abbiegen willst. Es macht das Leben für uns alle einfacher und weniger kompliziert, wenn wir das tun.

 

 

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