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Foto: Cora K. Hiebinger

Wenn Du bereits KlientIn bist, hast du die Frage „Wo ist Deine Aufmerksamkeit?“ sicher schon des Öfteren gehört. Ich stelle sie dann, wenn ich bemerke, dass mein Gegenüber abdriftet und nicht mehr (ganz) bei der Sache ist. Statt also z.B. den Empfindungen in einem bestimmten Körperareal (zwischen den Schulterblättern, unterhalb der Rippen, rund ums Knie) mit Neugierde nachzuspüren und sie in allen Details erforschen zu wollen – wie ist die Temperatur, die Konsistenz, der Spannungsgrad, die Dichte, sprich – wie fühlt sich der Bereich eigentlich an? – weckt ein Gedanke Dein Interesse und Du folgst ihm von einer Assoziation zur nächsten, bis Kopf und Verstand wieder die alleinige Vorherrschaft ausüben und das Spüren, der Körper an sich, in den Hintergrund treten müssen. Oft fällt es uns gar nicht auf, dass wir nicht mehr bei der Sache sind – das passiert ja nicht nur in Sitzungen, sondern z.B. auch wenn du etwas liest und nach 2 Absätzen darauf kommst, dass du keine Ahnung hast, was da eigentlich geschrieben steht. Weil dir beim zweiten Satz ein Gespräch von vorgestern eingefallen ist, und du dich plötzlich damit beschäftigst alternative Szenarien durchzuspielen. Deine Aufmerksamkeit ist also nicht mehr in den Zeilen vor dir, sondern in der Vergangenheit investiert. Oder sie ist in der Zukunft, wenn die Assoziationskette, die dein Verstand dir liefert, dich zu möglichen Folgen dieser Szenarien weiterleitet.

Diese Qualität unseres Geistes, sprunghaft und nicht notwendigerweise logisch nachvollziehbare Zusammenhänge herzustellen, unzusammenhängende Dinge miteinander zu verknüpfen, sich Situationen vorzustellen und zu erfinden, ist die Grundlage jeder Innovation und Kreativität und in diesem Sinne selbstverständlich begrüßenswert. In Sachen Aufmerksamkeit stellt diese Bereitschaft, von einem zum nächsten zu gleiten und sich wie auf einer Welle in entlegene Gefilde mittragen zu lassen, die nicht mehr viel mit der Realität vor Ort zu tun haben, natürlich eine Herausforderung dar. Denn folgen wir diesen Sprüngen, schenken wir ihnen von Assoziation zu Assoziation unsere Aufmerksamkeit, dann ist unsere Energie auch in diesen Gedankengängen gebündelt und unser ganzes Sein landet möglicherweise bei einem Konflikt, der noch gar nicht stattgefunden hat. Und wir sind damit beschäftigt, statt in der gegenwärtigen Realität unser Leben zu leben.

Eines der Hauptwerkzeuge, die die Körperarbeit nach der Grinberg-Methode uns an die Hand gibt, verwenden wir mit dem Ziel zu lernen, unsere Aufmerksamkeit besser steuern zu können. Wir nutzen unsere Freiheit, in jedem Augenblick (erneut) zu entscheiden, wohin wir unsere Aufmerksamkeit, unseren Fokus, richten und tun dann genau das. Statt uns mitreißen zu lassen ins LaLa-Land, statt den Sirenen zu gewähren uns zu umgarnen und zu entführen, wählen wir immer wieder aufs Neue, unsere Aufmerksamkeit in den Körper zu bringen indem wir ihn spüren. Unser Körper kann nur im Hier und Jetzt, in der Realität sein. Er existiert weder in der Vergangenheit, noch in der Zukunft. Er ist jetzt da. Was wir jetzt spüren, kann sich in 2 Minuten schon wieder anders anfühlen. Das betrifft „physische“ Empfindungen – ein Gurgeln im Magen, eine Luftblase im Darm, ein Jucken auf der Nasenspitze, ein kurzer Schmerz weil man sich irgendwo angestoßen hat – genauso wie „emotionale“: ein Gefühl kommt selten alleine könnte man sagen; erlauben wir einmal, wirklich zu spüren, was ist, wandelt sich eine Traurigkeit oft in Wut, schwingt zurück zu Schmerz und mischt Angst mit hinein. Und in dieser wilden Mischung aus den drei Haupt-Ingredienzen schwingt dann vielleicht noch die eine oder andere Emotion mit, die einmal mehr und einmal weniger in den Vordergrund schwappt.

Die Wichtigkeit und der große Nutzen davon, wirklich zu spüren was ist, habe ich schon in anderen Blogbeiträgen hervorgehoben – und werde es sicher auch in Zukunft wieder tun. Diesmal möchte ich uns jedoch an die Relevanz unserer Fähigkeit erinnern, frei entscheiden zu können worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Denn – wohin die geht, dorthin geht auch unsere Energie.

Es ist in der derzeitigen Krisensituation für alle schwierig sich nicht irre machen zu lassen und vor lauter Hiobs-Botschaften nicht den Mut zu verlieren, in Resignation zu verfallen oder einfach nur mehr typisch österreichisch vor sich hin zu granteln. Man könnte meinen, die ganze Welt ist in einen „Zustand“ verfallen. Anspannung, wenig atmen, Tunnelblick, Körper kaum mehr spüren und keine Optionen mehr sehen: ein Zustand, den wir alle in der einen oder anderen Variation gut kennen und der uns automatisch „überfällt“, z.B. in Stress-Situationen.

Wenn wir – indem wir uns entscheiden wieder zu atmen, unser Gewicht abzugeben, Anspannung loszulassen – unseren Zustand beenden, können wir auch die Realität wieder klarer wahrnehmen. Und wenngleich diese derzeit nicht unbedingt rosig ausschaut – Tatsache ist, dass wir auch jetzt die Option haben zu entscheiden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit (hauptsächlich) richten. Das heißt – manchen Dinge keine mehr oder weniger Aufmerksamkeit zu schenken, für andere dafür deine Wahrnehmungswilligkeit zu steigern oder sie überhaupt erst als deiner Wahrnehmung würdig zu erkennen. Eine Freundin hat mich sehr damit beeindruckt, dass sie ihr FB-Konto einfach gelöscht hat, um der Berieselung in ihrer „Bubble“ ein Ende zu machen. Sich keine salbungsvollen Politiker-Sermone mehr anzuhören oder Beteuerungen von jemandem, der sich leider, leider an gar nichts erinnern kann, ist möglicherweise auch eine gute Wahl für die Kategorie: weniger davon/gar nichts mehr. Und mein neues Mantra ist: „I do not engage in unnecessary discussions“ (Danke Bernhard!).

Dir fallen sicher noch andere Aufmerksamkeitsfresser ein, die du beiseitelassen könntest. Damit dir mehr Zeit und Fokus bleibt für anderes oder neues: selbst auf dem Weg in die Arbeit bieten sich da Möglichkeiten: ein kleines Kind, das selbstvergessen mit einem bunten Herbstblatt spielt, eine Krähe, die geschickt eine Nuss knackt, einE PassantIn, die eine schicke Maske trägt, deutlich farbabgestimmt auf die restliche Kleidung. Oder in einem Augenblick der Muße ein ausgezeichnetes Buch lesen, schöne Bilder betrachten, ein gutes Gespräch führen; eine Runde durch den Herbstwald streifen, die Feuchtigkeit in der Luft riechen, das Farbenspiel genießen.

Manchmal braucht es einen kleinen Erinnerungs-Schubs (Danke, Tamara!), um wieder Klarheit darüber zu haben: auch in dieser Zeit der Krise und globalen Unsicherheit bleibt uns die Freiheit zu entscheiden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit vor allem richten, wie wir unsere Energie gebrauchen, wie wir die Welt sehen. Auch wenn es manchmal auswegslos scheint.

Als kleine Unterstützung dabei kannst du folgendes ausprobieren: wähle je eine Sache/Situation/Person oder Handlung der du in den nächsten 4 Wochen keine, weniger, mehr bzw. überhaupt erst Aufmerksamkeit widmen möchtest. Und schau mal, was dann passiert.

Falls du Hands-On-Unterstützung möchtest – egal ob Grinberg oder Massage – wir dürfen trotz der verschärften Maßnahmen weiterhin arbeiten – mit Maske und Co selbstverständlich und allem drum und dran. Grinberg geht auch sehr gut Online, wenn Dir das lieber ist. Ich freue mich auf Dich.

 

 

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