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Foto: Cora K. Hiebinger

Dass Algorithmen im Internet uns Suchergebnisse, Posts und Werbungen zuspielen, die unser Weltbild immer wieder aufs Neue bestätigen ist uns allen bekannt. Selbst in den 90’er Jahren, als das Internet noch nicht allgegenwärtig war wurden Profile von uns erstellt – damals in New York hat es mich noch erheitert, dass mich das Marketing-System offensichtlich als „African-American professional business entrepeneur“ kategorisiert hatte, und mir entsprechende Werbung ins Haus flatterte. Diese Falscheinschätzung war vermutlich den damaligen schlichten Methoden geschuldet. Mittlerweile ist das anders und die Filterblasen haben uns fest im Griff.
 
Die Blase umgibt uns jedoch nicht nur im virtuellen, sondern auch im analogen Leben. Nahe FreundInnen haben zum Großteil ähnliche Weltanschauungen und Wertvorstellungen wie wir selbst, bei mir erstreckt sich diese Ähnlichkeit auch auf Familienmitglieder und sogar KlientInnen.
 
Seit Anfang Dezember absolviere ich im Rahmen meiner derzeitigen Ausbildung ein Praktikum. Vor Beginn war ich lediglich gestresst darüber; über den zeitlichen Zusatzaufwand, die Tagwache um 5h (Wien Steht Auf!!), das auf die Spitze getriebene Zeitmanagement im Dienst (3 PatientInnen gleichzeitig betreuen), die Verantwortung, das theoretische Wissen praktisch rasch und richtig umzusetzen. Ich konnte nicht ahnen, wie horizonterweiternd sich die Arbeit jetzt gestaltet, wie sehr meine „Bubble“ täglich gesprengt wird und wie demütig mich diese Konfrontation mit meinen eigenen Vorurteilen macht.
 
So war vor kurzem eine junge Frau da, Fahrerin für die Wiener Linien von Beruf. Ins Gespräch gekommen erzählte sie, dass sie ihren Traumberuf lebt. Viel besser als ihr voriger Job, da sie nun in Ruhe ihre Arbeit tun könne. Und dann kam der Zusatz: wie sie es genösse, die Otto Wagner Architektur vorbeiziehen zu sehen, und wie schön die Sonnenaufgänge seien, und der Sternenhimmel in Richtung Floridsdorf.
 
Oder der Bauarbeiter, mit dem ich während der Unterwassermassage auf die Hainburger Au zu sprechen kam und er meinte, er sei dort gewesen. Mein Bild dazu war sofort, dass er wohl mit einer Motorsäge Teil der „Gegner“ gewesen sei, doch das wurde sofort zurechtgerückt. Wir waren beide Au-BesetzerInnen. Und auch wenn auch er eine der Gratis-Zeitungen durchblättert, um die Zeit zu überbrücken, haben wir, wie sich bei jedem Termin aufs Neue herausstellt, eine sehr ähnliche Sichtweise der derzeitigen Politik in unserem Land.
 
Auch mit einem Streifenpolizisten habe ich mich unterhalten und mit einer Kassiererin in einem Diskont-Supermarkt, mit Reinigungskräften und Hacklern aller Art, ältere Türkinnen, die sich freuen, wenn ich mein Türkisch hervorkrame, und junge, die mich respektvoll „Abla“ nennen. 
 
Zu meiner früheren Überlegung, dass alle Menschen – egal woher – eigentlich nur sicher leben und ihre Kinder großziehen können wollen kommt nun noch dazu – und sie wollen ihre Schmerzen loswerden.
 
Es fühlt sich wirklich gut an, die eigene Bubble so durchgeschüttelt zu sehen und Schlussfolgerungen in Frage zu stellen oder gleich ganz über Bord werfen zu können. Und das bestärkt mich auch aufs Neue in der Sinnhaftigkeit meiner Arbeit, in der es im Grunde immer auch gerade darum geht:
 
• die eigenen Filterblasen zu erkennen, zu bemerken, wie sie unsere Realität färben und immer wieder auszubrechen, um mehr Raum für unsere Wahrnehmung zu haben, für das, was ist – und mehr „selbst“ sein zu können
• und einen neuen Umgang mit Schmerz zu lernen und auch ihn loszulassen, um mehr umfassendes Wohlbefinden in unserem Leben zu erreichen.
 
Und auch außerhalb eines Lernprozesses, der dir hilft, deine ganz persönliche Filterblase, deinen ganz persönlichen Schmerz zu entlernen kann ich nur wärmstens empfehlen, mal mit Leuten zu sprechen, mit denen du normalerweise nicht kommunizierst, eine Routine zu durchbrechen, andere Medien als sonst zu konsumieren. Es ist immer wieder erstaunlich, wie bereichernd das sein kann. Und wie viel Hoffnung es bringt, dass die meisten Menschen ganz einfach Menschen wie du und ich sind. Egal, wo sie herkommen und welchen Beruf sie haben. 
Jetzt erst recht!

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