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Foto: C.K. Hiebinger

Vom unermüdlichen Wunsch des Körpers, er selbst zu sein.

Wenngleich sich der Frühling heuer bitten ließ, ist es doch jetzt endlich im Begriff ins Land zu ziehen. Einer der Gründe, warum ich diese Jahreszeit ganz besonders liebe, ist die Aufbruchsstimmung, die in der Luft liegt: die Vogelmännchen singen, was das Zeug hält, die Knospen bersten in ein rosa Blütenmeer, das Grün sprießt, und endlich, endlich gibt es auch wieder frisches, oberirdisches Gemüse. Nichts gegen Wurzeln, aber nach mehr oder weniger 5 Monaten an Kürbis, Kraut, Kohl und Knollen kann ich es kaum erwarten ein knackiges Radieschen zu verzehren – und die Spargelsaison ist auch nicht mehr weit.

Dieses allgemeine Aufbegehren und Wachsen ist ein gutes Beispiel für Resilienz: nach Monaten des Rückzugs und Wartens werden die zunehmend besser werdenden Bedingungen umgehend genutzt, Gelegenheiten am Schopf gepackt: ob das nun Futter-, Partner-, oder BestäuberInnensuche ist, die Natur lässt sich nicht lange bitten. Sobald sie Temperatur- und Lichtverhältnisse als förderlich für ihre Belange erkennt, tut sie alles, um ihr Potential zu erfüllen: die Vögel übertönen den Autolärm, die verbliebenen Bienen sammeln trotz Massensterben Nektar, alles Grün strebt zur Sonne und sorgt für frische Atemluft.

Unsere Körper (also wir) reagieren ähnlich, wenn sich ihnen plötzlich ganz unerwartet die Möglichkeit bietet einen Schritt in Richtung Erfüllung ihres Potentials zu gehen. Das könnte selbstverständlich sein, sind wir doch durchaus Teil der Natur – aber so wie wir leben und uns und unseren Körper behandeln, verwundert es durchaus manchmal, welche Resilienz, welcher Wille zu heilen, sich wohlzufühlen, und eben sein Potential zu erfüllen trotz allem in ihm steckt.

Wenn KlientInnen neu in meine Praxis kommen, passiert in der ersten Sitzung oft genau das – der Körper sieht eine Gelegenheit, endlich aus einem ihm auf-oktroierten Zustand (z.B. starrer Brustkorb, flache, minimalistische Atmung, Becken und Beine wie nicht vorhanden) auszubrechen und nutzt die Gunst der Stunde, dieses einengenden Korsett zu sprengen und sich seinem individuellen Gleichgewicht wieder anzunähern. Und eigentlich kann der Körper das sehr gut – solange sich der Verstand noch keine Gegenstrategie überlegen konnte, weil er viel zu überrascht ist von diesem Befreiungsschlag. Der Körper tut sich nicht mehr ganz so leicht, sobald der Verstand Zeit hatte, sich Argumente zurechtzulegen, warum es absolut nicht möglich sei, tiefer zu atmen, warum es – koste es was es wolle – zu vermeiden sei, wirklich hinzuspüren zu einem Gefühl, warum es unter keinen Umständen zu erlauben sei, nicht zu wissen, was als nächstes kommt.

Aber das Schöne und Beruhigende ist, dass die Resilienz des Körpers und sein Bestreben, eben der Körper, der Mensch zu sein, der er ist – so unglaublich groß ist – und er eben immer wieder versucht bei sich anzukommen. Selbst wenn man sich z.B. den Oberschenkelknochen bricht, wächst der normalerweise wieder zusammen, und wenn man ihn dann wieder normal belastet, wird er auch schön gerade. Kleineren Wunden kann man fast schon zuschauen, wie sie sich wieder schließen, und auch wenn man seinen Körper über lange Zeit hinweg quält mit unpassendem Schuhwerk, Langeweile oder ständiger Überarbeitung, ihm zu wenig Erholungspausen und Bewegung gönnt und mit Junk-Food zumüllt – die Chancen stehen gut, dass er trotzdem willig mitmacht, sobald wir einen Neustart zur Veränderung wagen.

E.e.cummings hat das in seinem Gedicht „O sweet spontaneous Earth“ sehr gut auf den Punkt gebracht:

 

….

thou answerest

 

them only with

 

 

spring)

 

e.e.cummings

Dieser erste Schritt erfordert Mut, keine Frage. Denn Veränderung macht immer auch Angst und ist stets auch mit „unangenehmen“ Gefühlen verbunden. Aber mit jedem Schritt, den wir mutig in Richtung unseres Potentials gehen, ist es als würden unsere Zellen frohlocken; weil unser Körper, genau wie die Knospen im Frühling, im Grunde nichts anderes will, als seine Bestimmung zu erfüllen, das zu sein, was er ist.

Nach Sitzungen, wenn wir wieder etwas von dem losgelassen hast, was uns von dem trennt was wir eigentlich sind, breitet sich oft ein Gefühl der tiefen Ruhe und Zufriedenheit in uns aus, ein Gefühl von Selbstverständlichkeit, dass es gut ist, wie es ist – und dass wir gut sind, wie wir sind. Und je mehr und je öfter wir dieses Gefühl spüren, desto mehr unterstützt es uns darin, unseren Verstand zu überzeugen, dass das, was er als Strategie vorschlägt vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Dass die Katastrophenszenarien, die er uns als wahrscheinliche Konsequenz vor Augen hält, wenn wir die „Sicherheit“ unseres – wenngleich quälenden und nicht zielführenden, aber gewohnten, vielfach erprobten Verhaltens aufgeben – und stattdessen zumindest einfach mal wieder tief durchatmen – nichts mit unserer jetzigen Realität zu tun haben. Und wir, da unsere Körper es sich so sehr wünschen, glücklich und wir selbst zu sein mit allem was wir sind, stets einen mächtigen Verbündeten bei uns haben, um die angestrebten Veränderungen zu realisieren. So lange wir leben, ist er bereit und heißt uns willkommen, wenn wir wieder Körper werden wollen. Wenn Du Lust hast, diesen Weg gemeinsam mit mir zu gehen – auf in den Frühling!

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