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Der Verfassungsgerichtshof hat sein Urteil gefällt, die Stichwahl zur Bundespräsident*Innenwahl muss wiederholt werden. Ob das nun rechtlich richtig oder falsch ist (weil keine tatsächlichen Manipulationen nachgewiesen wurden),  – Tatsache bleibt, dass Gesetze zur Wahlregelung, die laut VfGH „rigoros angewendet werden müssen“ aus Bequemlichkeit schon jahrelang nicht eingehalten wurden.

Bequemlichkeit deshalb, weil manche Beisitzer Sitzungsprotokolle unterschrieben, ohne die Auszählung auch wirklich überwacht zu haben, erst gegen Mittag kamen, oder überhaupt „einstimmig beschlossen, bei der Auszählung der Briefwahlstimmen am Montag nicht anwesend sein zu müssen.“ Und da es sich hierbei um „eingespieltes Brauchtum“ handelte, haben auch alle brav mitgetan. Wahlbeobachter*Innen der OSZE haben schon 2010 massive Bedenken im Umgang mit den Wahlkarten geäußert – worauf Österreich jedoch nicht reagiert hat.

Selbst das Innenministerium hat seit 1993 rechtswidrig noch vor 17 Uhr die Ergebnisse bereits ausgezählter Sprengel an Medien und bestimmte Forschungsinstitute weitergegeben, schon das hätte gereicht, um eine Wahl wegen möglicher Beeinflussung der Wähler*Innen kippen zu lassen.

Der Schlendrian und die Wurstigkeit ziehen nicht nur in der Politik weite Kreise. Immer mehr Autofahrer*Innen sind zu bequem, den Motor abzustellen, wenn sie sich nicht fortbewegen, sondern im Auto telefonieren, jausnen, oder Pläne schmieden, oder gleich gar das Auto alleine stehen lassen und einen Einkauf erledigen. Vor kurzem wurde ich wieder einmal wüst beschimpft, weil ich jemanden bat, doch bitte den Motor abzustellen. Der Mann stand neben seinem PKW und unterhielt sich mit jemandem. Obwohl es ein Gesetz gegen das Laufenlassen des Motors im Stehen gibt (§102 (4) Kraftfahrtgesetz) und bei Zuwiderhandeln Verwaltungsstrafen bis über 2000.- drohen habe ich selbst Polizist*Innen schon dabei beobachtet.

Ich bin weder eine Verfechterin des uneingeschränkten Befolgens von Regeln, noch befürworte ich in irgendeiner Weise unsere fortschreitende Entmündigung und „Bequem-Machung“ durch Hinweise aus der No-Na-Ned-Kategorie: „Caution. This beverage is hot.“ auf einem Kaffeebecher. Oder mein absoluter Antispruch in der U-Bahn: „Bitte seien Sie achtsam. Zwischen Tür und Bahnsteig befindet sich ein Spalt.“ Natürlich gibt es da einen kleinen Spalt. (Abgesehen von der meines Erachtens hier völlig unangemessenen Verwendung des Wortes „achtsam“.)

Daniel Levitin schreibt in seinem Buch: „The Organized Mind“:

„In an organized and civilized society, we depend on one another in a variety of interdependent ways. We assume that people won’t throw their garbage willy-nilly on the sidewalk in front of our house, that neighbors will let us know if they see suspicious activity when we’re out of town, and that if we need urgent medical help, someone will stop to dial 9-1-1-. The act of living in cities and towns together is fundamentally an act of cooperation. The government, at various levels (federal, state, county, municipal), passes laws to define civil behavior…..“

Ich denke, wir sollten auch annehmen können, dass Gesetze die dem Wohle aller dienen von Institutionen „rigoros“ eingehalten werden – seien es nun solche zur  Aufrechterhaltung der Freiheit der Wahlen oder die Reinhaltung der Luft.

Es gilt also aufmerksam zu sein und mitzudenken: ist ein Gesetz, eine Regel größer als meine Befindlichkeit/Bequemlichkeit und deshalb „rigoros“ anzuwenden, selbst wenn es nicht exekutiert wird, weder Kläger*In noch Richter*In existiert? Gibt es Möglichkeiten, unsere Mündigkeit unter Beweis zu stellen und auf gesellschaftspolitische Entwicklungen zu reagieren, bevor die Gesetzgeber*Innen noch in die Gänge gekommen sind: z.B. Plastikmüll zu reduzieren indem wir konsequent keine Einweggebinde kaufen, stets eine Einkaufstasche mittragen, oder daran denken, Sackerl mitzunehmen auf den Markt, um die Plastiksackerl-flut einzudämmen; Müll konsequent zu trennen, auch wenn es aufwendig und „unbequem“ ist; saisonales Obst und Gemüse bei lokalen Anbieter*Innen zu kaufen. Bücher und Gewand nicht online bei Steuerflüchter*Innen zu bestellen, sondern im Geschäft nebenan zu kaufen……

Bequemlichkeit kann auf vielerlei Arten unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden gefährden. Aufmerksam zu sein darauf, was ist; wahrzunehmen, ob das, wie es ist, passt, oder ob wir unseren Mund aufmachen, etwas ändern müssen; mitzudenken und uns nicht einlullen zu lassen; den Tatsachen ins Auge sehen und dementsprechend zu agieren – all das ist nicht bequem. Aber es macht uns lebendig und wach. Und manchmal schützt es sogar die schwer erkämpfte Demokratie.

Wie immer ist es eine Übungssache, der Bequemlichkeit zu entrinnen. Wie wäre es mit einem Versuchsballon für den nächsten Monat? Wähle eine Aktion, die du im Juli konsequent durchziehen möchtest: z.B. das Auto stehen lassen, Sackerl wiederverwenden und damit auf dem Markt einkaufen, jemanden bitten, den Motor abzustellen,……Schreib mir in einem Kommentar, wofür du dich entschieden hast, und was die „Unbequemlichkeit“ dir gebracht hat! Ich bin gespannt.

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