Foto: Cora K. Hiebinger
Wenn ich nach der Geschwindigkeit gehe, mit der ich Schokolade verspeise die mir jemand geschenkt hat (weil eigentlich möchte ich ja 2021 meinen Zuckerkonsum noch radikaler einschränken als bisher) hätte ich wohl beim berühmten Marshmallow-Test kläglich versagt. Die Ergebnisse der Langzeitstudie wurde ja jahrzehntelang so interpretiert, dass Menschen, die lieber den Spatz in der Hand haben als die Taube auf dem Dach, eine Tendenz haben weniger erfolgreich zu sein und die, die geduldig warten können:
„…..performed better academically, handled frustration better, and managed their stress more effectively as adolescents.“ Jill Suttie
Neuere Studien stellen die damaligen Schlussfolgerungen übrigens in Frage. Neben dem sozioökonomischen Status der Eltern scheinen verschiedene andere Faktoren Einfluss auf die Willensstärke beim Test und die spätere Entwicklung der Getesteten zu haben.
„While children’s ability to be patient predicts future success (Mischel et al., 2010), a recent paper by Watts et al. (2018) suggests that the relationship between patience and success is not straightforward. Using a larger sample and a more sophisticated statistical approach than previous studies, they show that correlations between patience and future outcomes are not as strong as previously assumed, and that this association disappears after controlling for confounding factors (i.e., early social environment and demographic characteristics).“ (Barragan-Jason et al. 2018)
Obwohl ich grundsätzlich kein Problem mit meiner Willensstärke und dem Dranbleiben habe, finde ich die derzeitige Lage durchaus herausfordernd. Und wie oft nach dem Erreichen eines anspruchsvollen Ziels muss ich mich jetzt nach der kommissionellen Prüfung zur Heilmasseurin schon sehr zusammenreißen, um nicht völlig im Lock-down-Blues zu versacken.
Inspiration aus der Natur
Vor Wochen habe ich bei einem Spaziergang Zweige mit nach Hause genommen, die von Gärtner:Innen schon abgeschnitten aber noch nicht abtransportiert worden waren. Ich stellte sie in eine Vase und erfreute mich an den glänzenden Knospen. Die Vase fiel um, der Großteil des Wassers landete auf dem Boden. Ich wischte auf. Sonst tat ich nichts.
Der Zweig aber schon. Nach Wochen im warmen, hellen Wohnzimmer öffneten sich die Knospen zu Blättern und Blüten. Das nenne ich Willensstärke. Das Pflanzen so sind, und einfach ihr Programm des Wachsens durchziehen – Äste, die in der Vase zu blühen beginnen, ein Löwenzahn, der durch Beton bricht, ein kleiner Baum, der sich in einer Felsnische anklammert und über den Abgrund wächst – ist einer der Gründe, warum ich Biologie studiert habe. Und die Biologie der Dinge, die Natur an sich inspiriert und motiviert mich nach wie vor.
Verbindung zur Basis unterbrochen? Flüssigkeitshaushalt am Limit? Egal. Die Tage werden länger, die Temperatur ist frühlingshaft, Zeit, die Knospen zu öffnen! Hut ab vor dieser unbeirrten Entschlossenheit.
Keine Neujahrs-Vorsätze
Es wird Zeit, uns zu besinnen. Nicht auf die typischen Neujahrs-Vorsätze, die zunächst lustlos verfolgt werden und schließlich in der Schublade landen, um auf den nächsten Jänner zu warten. Nicht auf Vorsätze, die den Vorgaben einer Gesellschaft entsprechen, die Individualität predigt und sie dann als MeMeMe-Egomanie auslebt, in der jegliche Abweichung von der Meinung der eigenen Blase als suspekt angesehen wird.
Dieser Zweig in meinem Wohnzimmer hat nicht mal kurz Däumchen gedreht und sich überlegt – ah, ich könnte ja mal probieren die Knospen zu öffnen. Da steckt vielmehr eine Kraft dahinter, die einfach alles gibt um ihr Potential zu erfüllen. Ein echtes Bedürfnis, ein Nicht-Auskönnen.
Zur Besinnung kommen
Wenn wir es immer wieder schaffen, uns auf dieses auch uns innewohnende Bedürfnis zu besinnen, das, was uns ausmacht, uns einzigartig macht, das was wir wirklich wollen auch umzusetzen – dann können wir dranbleiben. Dann sind die Unbilden des Lebens einfach nur Stationen unseres Lebens. Die uns vielleicht etwas verlangsamen, aber nicht von unserem ganz persönlichen Weg abbringen. Vielleicht geht es ja in diesem individuellen Leben darum, den Spatz in der Hand zu halten (weil der gerade Aufmerksamkeit braucht) und die Tauben vom Dach zu verscheuchen.
Wenn wir dann noch nicht nur in uns selbst hineinhören und uns als menschliches Wesen wahrnehmen, sondern auch unserem Gegenüber diese Aufmerksamkeit schenken; und die von Obama viel zitierte „ability to put ourselves in someone else’s shoes“ tagtäglich anwenden.
Und wenn wir dann auch noch unsere Fähigkeit benutzen, Fakten auf ihren Gehalt zu überprüfen und offen sind, über Jahrzehnte hinweg in Stein gemeißelte „Wahrheiten“ zu hinterfragen. Dann wird es uns leichter fallen, uns zu entfalten und zu tun, was es zu tun gibt für uns.
P.S: In der ursprünglichen Marshmallow-Studie von Mischel et al. aus 1972 waren übrigens nur 50 Kinder inkludiert, die alle den Kindergarten (Bing Nursery School) der Stanford University besuchten.
Der Mythos, der sich immer noch hält, dass man den Motor im Stand warmlaufen lassen soll ist genau das. Ein Mythos. Man soll nicht mit Karacho aus dem Stand lospreschen. Aber das im Stand Laufenlassen des Motors erhöht den Verschleiß, verbraucht Treibstoff, verursacht mehr Abgase und ist gemäß §102, Abs. 4 des KFG verboten.
Jetzt erst recht!
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