Foto: Cora K. Hiebinger
Es ist heiß. Sehr sogar. Spontan wird darauf reagiert mit dem Kauf von mehr Kühlaggregaten und dem Hochschrauben der Klimaanlagen. Vor manche Geschäfte braucht man sich nur vor die automatischen Schiebetüren stellen, um von einem Schwall kalter Luft eingehüllt zu werden. Wer jetzt im Auto sitzt und den Motor laufen lässt, argumentiert mit dem Bedarf an Kühlung (und weniger oft mit der nötigen Handy-Aufladung). Wer es sich leisten kann, fliegt in kühlere Gegenden und lässt die Winterflucht-Destinationen alt aussehen.
Von offizieller Seite reagiert man sinngemäß mit einer 140km/h Test-Strecke und plant den Lobau-Tunnel. Durch einen Neuentwurf des Standortentwicklungsgesetzes soll die Genehmigung von „Großprojekten im öffentlichen Interesse“ automatischer genehmigt und damit beschleunigt werden und bestehende Gesetze zum Umweltschutz – z.B. das Verbot des „vermeidbaren“ Laufenlassen des Motors werden nicht exekutiert.
Also – More of the same – oder Augen zu und durch.
Im Kleinen machen wir es nicht anders. Um Situationen zu überstehen, kreieren wir einen Zustand. Da wir unsere Zustände üblicherweise als Kinder/Jugendliche entwickeln und erlernen, sind sie – als Strategie für den Umgang mit herausfordernden Situationen – enden wollend durchdacht. Jedenfalls ist der Entwicklung keine Kosten-Nutzen-Rechnung vorausgegangen. Was zu Beginn nicht so schlimm ist – immerhin haben wir alle überlebt und sind groß geworden und kommen mehr oder weniger gut zurecht. Allerdings addiert sich der Preis, den wir für unsere Zustände zahlen über die Jahre. Und dann zwickt es halt irgendwann mal mehr als früher. So wie auch das Wetter immer öfter Kapriolen schlägt und einige der Konsequenzen der Globalen Erwärmung – über die ich schon vor Dekaden in der Schule gelernt habe – bereits gang und gäbe – zur Selbstverständlichkeit geworden sind. So wie unsere Zustände uns wie eine zweite Haut begleiten.
Nehmen wir den folgenden Zustand: Schultern hoch, Atmung flach, Brust eng, Kinn vorgestreckt, Bauch eingezogen, Beine angespannt. Man tut so, als hätte man alles im Griff und macht gute Miene zum bösen Spiel. Dieser Zustand ist z.B. die Strategie einer Person, mit Stress und Angst umzugehen. Oder ihre Wut nicht zu zeigen und stattdessen „lieb“ und „verständnisvoll“ zu tun.
Je öfter wir diesen Zustand kreieren, desto besser „können“ wir ihn und desto „normaler“ wird er für uns – und für alle die uns kennen. D.h. irgendwann erwarten alle in Deinem Umfeld, dass du das Kind schon schaukeln wirst, egal wie viele Anforderungen gerade auf dich einstürmen. Und egal, was man dir zumutet oder wie sehr jemand versucht, mit dir Schlitten zu fahren, dein Verständnis wird eingefordert. Und du erfüllst brav die Erwartungen.
So füllt sich langsam aber sicher ein Reservoir. Ein Reservoir an Angst. Oder ein Reservoir an Wut. Ein Reservoir an „unerwünschten“ Gefühlen, für die du nur diesen einen, automatischen Umgang hast, nämlich deinen Zustand. Je voller das Reservoir, desto größer der Druck und desto mehr „Gegendruck“ = Zustand musst du erzeugen, um das Reservoir, den status-quo aufrecht zu erhalten. D.h. du benötigst immer mehr Energie.
In einem Ökosystem mit begrenzten Ressourcen heißt das dann auch, dass du für andere Dinge weniger Energie zur Verfügung hast.
Und die körperlichen Anzeichen des Zustands sind deinem Wohlbefinden auch nicht wirklich zuträglich: durch das ständige „Schultern hoch“ entwickeln sich vielleicht schmerzhafte Verspannungen, die über den Nacken weiter in den Kopf ziehen. Durch flache Atmung wird der Torso weniger durchbewegt, innere Organe weniger massiert, die Verdauung, der Lymphabfluss, die Blutgefäße weniger unterstützt, die Abatmung von Abfallprodukten reduziert, und weniger Sauerstoff für Energiebereitstellung aufgenommen; „Bauch eingezogen“ kann zu Verdauungs- und Unterleibsbeschwerden führen. All das kann im Gegenzug zu einer gedrückten, negativen Stimmung führen und deine Konzentrationsfähigkeit und Klarheit beeinträchtigen. Wenn das Eigenschaften sind, die du für deinen Job dringend brauchst, musst du dich noch mehr anstrengen, um deine Arbeit gut erledigen zu können. Rundherum ein Verprassen von Ressourcen – genau wie wir es global mit unserer Umwelt auch tun.
Und genauso wenig, wie der Plastikmüll nicht einfach verschwindet, nur weil er jetzt gerade in aller Mund ist und ganz viel Schreckensbotschaften über vermüllte Strände und Gewässer im Umlauf sind, verschwindet auch das, was sich in Deinem ganz persönlichen Reservoir aufgestaut hat nicht einfach von selbst. Und manchmal beginnt es auch so richtig zu „modern“.
Stop!
Wie oben erwähnt – wir brauchen offensichtlich nicht auf die Regierung oder sonst jemanden hoffen, der uns aus der Misere rettet. Tempo 140 ist wohl nicht die geeignetste Antwort auf die Umweltprobleme unserer Zeit.
Aber du selbst hast es in der Hand. Du kannst immer entscheiden, was du tun willst. Eine weiter Einweg-Plastikflasche kaufen und den Müllberg damit vergrößern, oder das zu stoppen: d.h. aufhören, solche Produkte zu kaufen. Du kannst dir stattdessen eine hübsche Glas- oder weichmacherfreie Plastikflasche zulegen und die immer wieder befüllen. In Wien jedenfalls mit wohlschmeckendem Alpquellwasser.
Du kannst auf dem Heimweg schnell noch einkaufen gehen und jede Tomate und Banane in ein eigenes Plastiksackerl geben, oder jetzt gleich ein paar Sackerl oder Stofftaschen (z.B. von Stoff statt Plastik) in deine Haupttasche einstecken und die immer mit dabei haben – für alle Fälle. D.h. du stoppst die Verschwendung von Ressourcen.
Und du kannst weiterhin dein Reservoir befüllen und deine Energie und dein Wohlbefinden dafür aufbrauchen, es geschlossen zu halten – oder du entscheidest dich dafür, zu stoppen.
D.h. in diesem Fall, deinen Zustand zu stoppen. Ihn loszulassen.
Ihn nicht mehr zu kreieren.
Die Schultern zu entspannen. Sie wie ein Babyhäubchen sanft auf den Brustkorb gleiten zu lassen. Erlauben, sie dorthin abzulegen, wo sie hingehören. Wo sie ihren Platz finden werden.
Wieder tief(er) zu atmen. Tiefe, ruhige Atmung suggeriert dem Hirn „Aha. Wir sind entspannt“. Und ein Teil deines Zustands wird sofort wegschmelzen. Ohne jegliche Anstrengung.
Egal, was Teil deines „Zustands“ ist, du stoppst alles was dazugehört. Und das ist manchmal nicht ganz einfach – weil sich der Zustand ja ganz normal anfühlt. Und weil es – wie wir auch global sehen – äußerst verlockend ist, den Status Quo beizubehalten.
Es erfordert
- Aufmerksamkeit (zu bemerken, wo du selber Ressourcen verschwendest)
- die Erkenntnis, dass du selbst kein Opfer (mehr) bist, selbst entscheiden kannst und deine Handlung auch eine Wirkung zeigen (dein persönlicher Müllberg wird kleiner) und
- Konsequenz (die befüllte Flasche immer von zu Hause mitzunehmen).
Und es heißt, deine Komfortzone zu verlassen.
Denn wenn du aufhörst, so zu reagieren wie immer, werden sich Dinge zu bewegen beginnen. Gibt es vielleicht Brösel. Spürst du Dinge, die du ganz und gar nicht spüren willst. Erfährst du, dass du viel Energie verwendet hast, um eine Illusion aufrechtzuerhalten.
Aber stoppen funktioniert. Deine Muskeln wissen, wie sie loslassen können. Du kannst entscheiden, wie du atmest. Du kannst sogar entscheiden, was Du denkst, welchen Gedanken du Aufmerksamkeit schenkst. Was du glauben willst, und was nicht.
Niko Paech schreibt in seinem Buch:
„Befreiung vom Überfluss“: Derzeit verzetteln wir uns in einer reizüberfluteten Konsumsphäre, die unsere knappste Ressource aufzehrt, nämlich Zeit. Durch den Abwurf von Wohlstandsballast hätten wir die Chance, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, statt im Hamsterrad der käuflichen Selbstverwirklichung zusehends Schwindelanfälle zu erleiden. Wenige Dinge intensiver zu nutzen und zu diesem Zweck bestimmte Optionen einfach souverän zu ignorieren, bedeutet weniger Stress und damit mehr Glück.“
Durch den Abwurf des „Zustands“-Ballasts haben wir die Chance, das zu sein, was wir wirklich sind. Zu unserer Essenz zu kommen. Ohne Extra. Unsere Passion zu finden, das, was wir mitbekommen haben für die Welt. Und ein größeres Glück kenne ich nicht als das, wenn der Körper einfach ist und das sein darf, was er ist. Wie eine natürliche Lichtung im Wald mit einem moosbewachsenen Felsblock und einem kleinen See, über den eine Libelle schwebt.
Hast Du Ballast abzuwerfen?
Für den Monat August biete ich allen Interessierten Sitzungen zum geschmolzenen Hitze-Preis an. Anruf oder Mail genügt – und wir sorgen gemeinsam für eine Energieumverteilung – aus dem Reservoir und Zustand in dein selbstbestimmtes, lustvolles, leidenschaftliches Leben.
Jetzt erst recht!
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Wie Ihr vermutlich wisst, habe ich gleich nach meiner Ausbildung zur Heilmasseurin die Ausbildung zur Therapeutin für integrative Fasziopathie begonnen. Also, wie so oft in meinem Leben begann ich mal damit – unter dem Motto – na gut, das klingt interessant, ich schau...