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Foto: Cora K. Hiebinger

Im Urlaub stellte eine Freundin bei einer Diskussion über den Zustand unserer Welt kürzlich unumwunden fest, dass sie eigentlich gar nichts mehr verwunderte. Ganz im Gegenteil sei sie positiv überrascht, wenn z.B. jemand seinen Müll in den Abfalleimer werfe, oder sie den Zebrastreifen überqueren ließe.
Der tägliche Wahnsinn,der da viele von uns immer häufiger kopfschüttelnd und ratlos zurücklässt hat wohl viel damit zu tun, dass Dinge, die wir als selbstverständlich erachten, plötzlich nicht mehr dem „Üblichen“ entsprechen, und im Gegenzug Anderes immer mehr zur Selbstverständlichkeit wird und eine neue „Normalität“ schafft, die Angst macht.

Ich rede nicht von kulturellen Unterschieden, die es immer gegeben hat und immer geben wird – früher vielleicht Feinheiten im Umgang in zwei entlegenen Tälern oder Bundesländern – jetzt globaler auf verschiedene Kontinente bezogen.

Ich spreche von Selbstverständlichkeiten, die uns als Menschen und BewohnerInnen dieses Planeten über alle ideologischen und sonstigen Grenzen hinweg einen – oder doch einen sollten.

Eine grundsätzliche Bereitschaft zum Miteinander z.B., die Nachbarn grüßen, die im selben Haus wohnen. Oder jemandem die Türe aufhalten, oder eine klare, ehrliche Antwort auf eine berechtigte Frage zu erwarten und auch zu bekommen.

Auch eine grundsätzliche Bereitschaft dazu, unseren Lebensraum: Umwelt, Pflanzen- und Tiere zu schützen und zu erhalten – und sei es nicht, weil wir an den Biophilia-Effekt glauben, daran, dass gesunde Natur einen großen, positiven Einfluss auf unser Wohlbefinden hat, sondern alleine deswegen, weil wir nur dadurch auch unser eigenes Überleben sichern können. Denn jedeR, der/die in der Schule manchmal aufgepasst hat weiß, dass es Ökosysteme, dass es Nahrungsketten gibt. Und dass z.B. wenn wahllos alle Insekten mit Pestiziden vergiftet werden, es weniger Nahrung für Vögel und andere Insektenfresser gibt. Weniger Vögel dann wiederum heißt, dass es weniger Raubtiere gibt, die von den Vögeln leben, usw. Und dass speziell das Bienensterben, dass durchaus bereits stattfindet, einen Einfluss auf den Obstertrag hat. Die Dinge hängen eben zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Und auch wir sind Teil des Ökosystems, wenngleich wir uns oft so verhalten, als wären wir vor den Konsequenzen unseres Tuns gefeit. Hier findet offensichtlich bereits eine schleichende Erosion dessen statt, was wir bislang als normal ansahen. Kornblumen? Igel? Schmetterlinge? Selbst Spatzen sieht man kaum noch in der Stadt.

Phillip Blom sagt in einem Interview mit dem Schweizer Rundfunk und Fernsehen:

„Wir Menschen reagieren sehr gut auf plötzliche Krisen: bei einem Erdbeben, einer Sturzflut, einem Unfall. Mit einer schleichenden Krise wie dieser ist es für uns wesentlich schwerer umzugehen. In unseren reichen Ländern sehen wir die unmittelbaren Effekte des Klimawandels noch nicht. Die Tatsache, dass wir uns in einer Notsituation befinden, dringt zu den Menschen in ihrem täglichen Leben nicht durch.

Gleichzeitig findet „eine langsame Normalisierung von Dingen, die vorher unmöglich gewesen wären“ – (Phillip Blom) statt. Sei es die Normalität von Fake News, die gebetsmühlenartig sich wiederholenden NLP-Antworten, die viele PolitikerInnen auf unangenehme Fragen geben, die Selbstverständlichkeit, mit der jedeR sein/ihr Recht nützt, eine Auto zu besitzen und bei jeder Gelegenheit zu nutzen, die Banalität von Erdbeeren im Jänner, Café Lattes im Einwegbecher.

Nach unserer Diskussion über den Zustand der Welt sprachen wir für den Rest des Urlaubs laut aus „das ist nicht selbstverständlich!“, wenn jemand die Basics lebte – „Menschliches Miteinander 101“ sozusagen – um diesen Taten den gebührenden Respekt zu zollen.

Egal, ob wir es „positive reinforcement“, Freundlichkeit, Höflichkeit oder Respekt nennen, es lohnt sich, Selbstverständlichkeiten, die oft gar keine mehr sind, mit einem Lächeln oder einer netten Bemerkung zu belohnen. Sei es ein Heben der Hand, wenn Dir im Straßenverkehr der Dir gebührende Vorrang gewährt wird, sei es ein Danke!, wenn Dir jemand die Türe aufhält, oder eine anerkennende Bemerkung an jemanden, der eine Arbeit zu Deiner vollen Zufriedenheit erledigt hat.

Laut Glücksforschung ist Dankbarkeit einer der Hauptfaktoren zum Glücklichsein. Insofern ist es auch eine gute Übung, sich immer wieder auch für Dinge zu bedanken, die uns hier in Österreich zwar als selbstverständlich erscheinen, aber weder für die restliche Weltbevölkerung noch überhaupt für alle ÖsterreicherInnen „normal“ sind: sauberes Trinkwasser, das noch dazu gut schmeckt, direkt aus dem Wasserhahn gibt es nur in wenigen Ländern dieser Welt; Wahlrecht, Schulpflicht, freie Meinungsäußerung und Krankenversicherung zählen auch nicht überall zur Normalität. Alleine die Tatsache, dass ich diesen Text schreiben, und Du ihn lesen kannst, ist anderswo eine Besonderheit. Und selbst hier haben nicht alle ein Dach über dem Kopf.

Unsere positive Haltung wurde im Urlaub noch einmal gehörig herausgefordert, als Neuankömmlinge ihr Zelt so nahe an unsere Zelte platzierten, dass der Zugang zu unserer temporären Heimstatt sich zum Hindernislauf gestaltete. Und das nicht ob einer allgemeinen Platzknappheit, sondern, damit sie vor ihrem Zelt einen Tisch aufstellen, und über eine freie Fläche auf ihr Auto blicken konnten. Unsere Fassungslosigkeit über die Beschneidung unseres Zeltplatzes wurde aber am selben Tag von einer uns zuteilwerdenden Großzügigkeit überstrahlt, die nun wirklich „nicht selbstverständlich“ war. Ein heraufziehender Sturm hatte uns Zuflucht am Ufer suchen lassen. Ein Anrainer sah uns gestrandet, fragte, ob wir Hilfe bräuchten, organisierte kurzerhand einen Lieferwagen damit wir nicht den Sturm abwarten mussten, und brachte unsere Falt-Boote zum Campingplatz zurück. Mein ganz persönlicher Held vom Attersee.

Ich denke, dass wir, um menschliche Selbstverständlichkeiten wieder mehr in unserem Leben zu haben und das, was sich langsam einschleicht als neue Normalität – in der jedeR nur mehr mit dem Handy kommuniziert – zu erkennen und ihm Einhalt zu gebieten wieder mehr „Selbstverständnis des Seins“ brauchen. Ein Selbstverständnis dafür, wer und was wir sind, ein „uns spüren“ und ein „selbstverständlich Körper-Sein“. Das wir Körper sind ist eine unumstößliche Tatsache. Wenn wir als Körper aufmerksam sind, spüren, was wir brauchen für unser Glück und uns dann verantwortungsvoll um diese Bedürfnisse kümmern, können wir auch andere besser spüren, und sind besser fähig sein zu tun, was die Realität gerade verlangt. Die Arbeit nach der Grinberg-Methode bietet Werkzeuge dafür. Probier es aus, oder schreib einen Kommentar was für Dich selbstverständlich -oder eben nicht – ist.

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