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Foto: Cora K. Hiebinger

Glück kann man immer brauchen, und für ein neues Jahr, das den Inbegriff eines Neubeginns darstellt erst recht. Nicht umsonst boomt die Glücksbringer-Industrie rund um den Jahreswechsel und es gibt zahlreiche Traditionen die dafür sorgen sollen, dass das Glück einem hold bleibt: z.B. in der Nacht auf den 1. Jänner rote Wäsche zu tragen, von einem Sessel zu springen, Trauben zu essen, oder Walzer zu tanzen. Gleichzeitig gilt es, Unglück zu vermeiden: in meiner Familie wurde von meiner Großmutter überliefert, dass man in der Silvesternacht keine Wäsche aufhängen darf – und obwohl ich den ganzen Tamtam um Silvester gar nicht mag, halte ich mich nach wie vor an diese Regel. Glück alleine ist aber nicht genug für einen Neubeginn. Um gute Vorsätze umzusetzen und positive Veränderungen erfolgreich zu verwirklichen braucht es neben Glück auch eine gehörige Portion Durchhaltevermögen und Planung.

Falls du zu denjenigen gehörst, die den Jahreswechsel zum Anlass nehmen, gute Vorsätze zu fassen – die dann häufig bereits Mitte Jänner zu verstauben beginnen: es hilft ungemein, eine klare Richtung festzulegen, um dort anzukommen, wo Du hinwillst. Deshalb ist es äußerst wichtig, bei der Zielsetzung das Ziel auch wirklich präzise zu formulieren: z.B.  “ Ich bin fit und gesund, meine Lungenkapazität ist die einer gesunden 20-jährigen“ statt: „Ich rauche nicht mehr“. Oder “ Ich lebe in einer liebevollen, unterstützenden Beziehung“, statt: “ Ich bin nicht mehr alleine.“

Der nächste Schritt ist dann, den ersten Schritt zu tun. Und dann den nächsten und den nächsten. Daher ist es auch hilfreich, ein großes Ziel in kleinere Unterziele zu unterteilen, deren Erreichung Du dann auch gebührend feiern solltest. Kleinere Häppchen nehmen den Überwältigungs-Faktor aus der Gleichung. Jedes Abnehm- oder Muskelaufbau-Programm beginnt mit dem ersten halben Kilo.

Startschwierigkeiten sind oft das Todesurteil für viele Vorsätze. Vielleicht funktioniert unser erster Schritt nicht gleich und vielleicht auch der nächste und übernächste nicht und wir kommen unserem Ziel nicht näher, sondern enden im Frust. Oder wir beginnen gar nicht erst, weil der Alltag uns wieder fest im Griff hat nach den Feiertagen, oder weil unser Ziel gar nicht ist, abzunehmen, sondern die zu engen, unbequemen Kleidungsstücke gegen passende auszutauschen, und weil unser Nicht-RaucherInnen-Status von unserem Partner oder unserer Ärztin gewünscht wird, und nicht von uns selbst.

Oft vergessen wir auch, zurück zu blicken und zu überprüfen, was denn in der Vergangenheit funktioniert und was eben nicht funktioniert hat. Im Bestreben, nur ja einen Neubeginn zu erwirken und von nun an alles anders machen zu wollen übersehen wir, dass es vielleicht schon Dinge gibt, die eigentlich gut funktionieren und uns auch liegen. Dinge also, die wir behalten oder beibehalten sollten. Das Leben ist oft kein klares Alles-oder-Nichts.

Was können wir tun, damit 2018 die erwünschten Veränderungen bringt?

Energie kann bekanntlich nicht zerstört werden, nur umgewandelt. Wenn Dir in deinem normalen Alltag (sprich ab spätestens 6. Jänner) die Energie fehlt, die Umsetzung deiner Ziele in Angriff zu nehmen fehlt Dir vielleicht einfach nur der Zugang zu deiner Energie, die Dir helfen würde, den ersten Schritt zu tun. Statt unsere Energie für Anspannung, Steifigkeit oder sonstige Zustände zu verwenden, können wir sie für unsere Ziele einsetzen.

Die Beschreibung der Realität ist eines unserer wichtigsten Werkzeuge in der Körperarbeit. Wenn du z.B. selbst bemerkst und beschreiben kannst, wie genau du wirst, wenn du plötzlich gar keine Lust mehr hast, den nächsten Schritt auf dem Weg zu deinem Ziel zu gehen (sprich, die Tafel Schokolade nicht auf einen Sitz aufzuessen), dann kann dir das helfen, genau das eben nicht mehr zu tun, statt die Umstände verantwortlich zu machen. Oder du siehst, dass das Ziel sehr groß ist und du dir Unterstützung suchen musst, wenn du es erreichen willst. Auch kein Problem. Es gibt sicher jemanden, der Dir weiterhilft.

Jeder Neubeginn beinhaltet auch, etwas Altes loszulassen oder abzuschließen. Manchmal hängen wir jedoch in unserer Vergangenheit fest. Die ist aber genau das – vergangen. Vorbei. Wenn Du insgeheim noch offene Rechnungen mit jemandem hast, die im Hintergrund schwelen und die Atmosphäre oder sogar Deine Handlungen beeinflussen wird es schwierig, eine Beziehung neu zu definieren oder einen Konflikt beizulegen. Wenn Du die Realität wahrnimmst, ohne in einem automatischen Zustand festzuhängen, wirst Du bemerken, was nötig ist, um das Thema abzuschließen: eine Aktion von Dir, oder etwas, was du von deinem Gegenüber noch brauchst. Oder ob du die Sache gehen lassen kannst.

Der Jahresbeginn bietet sich an, das alte Jahr Revue passieren zu lassen und das neue zu planen, sei es Vorsätze zu fassen, konkrete Ziele zu formulieren, oder sich zu überlegen, was man weitermachen und mitnehmen und was man lieber loslassen und bleiben lassen möchte. Ich selbst werde in den nächsten Tagen genau das tun, und auch die bereits angekündigten Kurse zum Thema Wollen für Frauen planen. Falls Du spezielle Wünsche an das Programm 2018 hast, schreib mir ein Mail oder einen Kommentar!

Im Jänner biete ich sowohl eine Mini-Workshop-Reihe zum Thema „Ziele – Get_it_Done“ an, als auch ein individuelles „Get_it_Done“ Paket mit Workshops, Training und individuellen Sitzungen.

Ich freue mich über Deinen Kommentar dazu, wie Du Deine Vorsätze umsetzt oder was dich daran hindert – Dich bei einem der Workshops persönlich zu sehen!

 

 

Von Heldinnen und Helden

Von Heldinnen und Helden

Foto: Cora K. Hiebinger

Die für Heldinnen und Helden unterschiedliche Definition im Duden ist bemerkenswert. Ist sie zum einen eine weibliche oder männliche Person, “ die sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellt, eine ungewöhnliche Tat vollbringt, die ihr Bewunderung einträgt“, so gilt laut Duden eine “ besonders tapfere, opfermütige (!!!) Frau, die sich für andere einsetzt, eingesetzt hat“ als Heldin – während ein Held sich “ durch große und kühne Taten besonders in Kampf und Krieg“ auszeichnet, ein „Mann edler Abkunft“ ist, sowie jemand, „der sich durch außergewöhnliche Tapferkeit im Krieg auszeichnet und durch sein Verhalten zum Vorbild [gemacht] wird“.

Ein Teil dieser Definition passt sehr gut auf die Held*Innen, um die es heute hier geht. Es sind durchwegs besonders tapfere, mutige Menschen, und solche, die sich für andere einsetzen und durch ihr Verhalten uns zum Vorbild dienen könnten. Und trotz Fußballfieber meine ich kein Nationalteam, das „heroisch“ um Tore kämpft. Ich spreche von den Menschen, die ich in den letzten vier Monaten durch meine Arbeit im Krankenhaus kennenlernen durfte. Therapeut*Innen, Pflegekräfte und Patient*Innen.

Da sind zunächst meine Kolleginnen, die Therapeutinnen, die mich sofort und ohne Vorbehalte in ihre Truppe aufgenommen haben. Nach einem Jahr Lock-down zu, Lock-down auf war schon die Möglichkeit für 4 Monate als Vertretung wieder täglich arbeiten zu dürfen ein großes Geschenk. Umso größer, da ich noch selten ein so großartiges, kompetentes Team erlebt habe wie dieses. Wertschätzung auf Augenhöhe, gegenseitige Unterstützung, sehr viel Idealismus – und stets das im Auge behaltend, worum es im Endeffekt ja geht – das Wohl der Patient*Innen. Keine Hierarchien zwischen den Kompetenzen der Teammitgliedern, sondern ein konstruktives Zusammenarbeiten und aneinander wachsen. Könnten wir diesen Ansatz ausweiten auf die restlichen Berufsgruppen, wie viel effizienter – und auch erfolgreicher und menschlicher – wäre nicht nur die Medizin.

Ich spreche auch von Pflegekräften, die nach einem anstrengenden Nachtdienst, während dem sie ein frisch operierter Patient wüst beschimpft und sich wiederholt alle Schläuche herausreißt einfach tun, was zu tun ist und den Patienten waschen und sein Bett frisch überziehen. Und am nächsten Tag mit Gleichmut die Schultern zucken und freundlich erklären, dass es ihm jetzt wieder besser gehe. Und von Krankenschwestern, die geduldig warten, bis ein alter Mann die Worte gefunden hat, mit denen er ihnen etwas zu verstehen geben will. Und davon, wie alle sich über jeden kleinen Fortschritt von Kranken freuen, deren Prognose eher dazu verleiten könnte, die Hoffnung fahren zu lassen.

Ich spreche nicht zuletzt von dem held*Innenhaften Kampf, den die Patientinnen und Patienten tagtäglich führen. Von dem älteren Herren, der nach zahlreichen Operationen seit Wochen im Spital liegt und trotz wiederholter Rückschläge nicht aufgibt sondern weiterhin von sich einfordert, wieder auf die Beine zu kommen. Von der Patientin mit Metastasen, die erzählt, dass sie ein Buch für ihre Kinder schreibt, damit die über die bisher nur mündlich überlieferte Familiengeschichte Bescheid wissen. Von einem, der sich mit den Worten – er habe eine kleine Tochter und sei zu jung, um schon abzutreten – sich auch während der Chemo aufs Ergometer setzt, um seine Ausdauer zu trainieren und damit seine Chancen zu verbessern. Von Patient*Innen, die erzählen, dass sie sich beeilen müssen, wieder gesund geschrieben zu werden, weil sie sonst um ihren Job fürchten müssen. Von Leuten, die sich entschuldigen, dass sie heute nicht so gesprächig seien, weil sie schlechte Nachrichten erhalten haben. Von anderen, die extra noch einmal vorbeikommen, um mich an guten Nachrichten teilhaben zu lassen.

Niemand von all diesen Menschen hat auch nur einmal ein unfreundliches Wort von sich gegeben oder war ungeduldig, wenn ich etwas nachgefragt habe. Alle bedanken sich, dass ich meine Arbeit mache, freuen sich über eine Massage, wünschen mir einen schönen Urlaub und alles Gute für meine Zukunft.

Sie alle sind meine Heldinnen und Helden. Wenn ich mich nächstes Mal über ein Alltagsproblem ärgern möchte, werde ich mich an sie erinnern. Wenn ich nächstes Mal über eine Mühsal zu jammern beginnen möchte, werde ich an sie denken. Wenn ich nächstes Mal ungeduldig reagieren möchte, werde ich mich an sie entsinnen. Und ich hoffe, an mein Super-Team werde ich mich nicht nur erinnern. Es war ein Privileg, mit Euch zu arbeiten.

 

 

Raum geben. Raum nehmen. Raum haben.

Raum geben. Raum nehmen. Raum haben.

Foto: Cora K. Hiebinger

Das Konzept Raum

Neulich sprach ich mit jemandem über den Südwesten der USA. Wo ich, bevor ich nach Österreich zurückkam, 6 Wochen lang in den verschiedenen Nationalparks unterwegs war. Und wo mir klar wurde, was Pearl Lang, diese großartige Martha-Graham-Tänzerin und Lehrerin gemeint hat. Sie rief während des Choreographie-Unterrichts an der MG-School of Contemporary Dance einmal leicht entnervt aus: „You Europeans! You don’t know what space is! Go to the South-West, then you’ll understand.“ – Und „understand I did“.

Ich sehe dieses Bild noch immer vor mir – eine Straße. Landschaft. Wir fahren kilometerweit. Und es ist „nichts“ zu sehen. Außer die Straße vor uns, die sich wie ein endloses Band durch die Landschaft zieht. Kein anderes Auto, kein Gebäude, kein Werbeschild. Nichts. Großartig, ehrfurchtgebietend, Demut lehrend. Das ist Raum.

Ich bin schon lange raus aus der Tanzszene, und es geht nicht mehr darum, über die Bühne hinaus den gesamten Theaterraum mit Präsenz und Bewegung zu füllen. Aber Raum hat immer noch einen großen Stellenwert in meiner Arbeit – egal ob es um einen Grinberg-Lernprozess oder eine Behandlung/manuelle Therapie geht.

Sich Raum nehmen

Zustände, die wir uns im Laufe des Erwachsenwerdens anlernen und zu eigen machen beinhalten neben einer bestimmten Art zu Atmen (üblicherweise postmoderner Minimalismus :-)) immer auch ein „sich in irgendeiner Form“ einschränken. Das kann heißen, dass du Deine Angst, Wut, oder Unsicherheit versteckst, Dir nicht erlaubst, kraftvoll zu sein, oder Dich überhaupt mehr oder weniger unsichtbar machst. Egal, was Du von dem, was Du eigentlich bist, nicht lebst – es bedeutet immer, dass Deine Essenz – das was Dich ausmacht – nicht den Raum hat, den sie eigentlich braucht, sie keinen Platz hat, klar und präsent zu sein. Was dann über kurz oder lang unweigerlich zu Unzufriedenheit und Unwohlsein führt. Weil eben etwas, das essentiell für Dein Du-Sein ist, fehlt, nicht da sein darf.

Einschränkende Zustände

In einem Lernprozess nach der Grinberg-Methode lernst Du dann Schritt für Schritt, was Du mit Dir machst, welchen Zustand (der z.B. deine Art zu atmen, zu schauen, zu denken, Dich anzuspannen oder Körperbereiche völlig auszublenden) du kreierst und wie Du damit Teilen von Dir den Raum nimmst. Es geht also in jeder Sitzung, in jedem Lernprozess immer auch darum, dem, was oft über Jahrzehnte nicht da sein durfte – wieder Raum zu geben. Zu erlauben, dass etwas wieder Platz hat, über das Du irgendwann die Schlussfolgerung gezogen hast, dass es sicherer ist, es zu verstecken. Wie Jane Goodall so schön sagt: „It actually doesn’t take much to be considered a difficult woman.“ Und dann lernen eben ganz viele Mädchen und junge Frauen, besser lieb und nett und verständnisvoll zu sein. Was ja grundsätzlich super ist, solange diese Frauen dann nicht mit 40 immer noch ewig durch die Finger schauen.

Wie dieses Lernen genau funktioniert, kannst Du in anderen Blog-Beiträgen nachlesen, oder Du gönnst Dir einmal eine Sitzung im Achten.

Raum geben, oder….

Nicht nur unsere Stimmung und unser Seelenwohl wird durch Einschränkungen und Enge negativ beeinflusst. Auch unser Körper mag Einengung überhaupt nicht. Zahlreiche Pathologien haben ihre Ursache in einer Einengung und damit einem Übermaß an Druck oder Zug in einem Bereich.

Das SA(P)S-Syndrom z.B. steht für Subakromiales (Schmerz-)Syndrom. Weichteile unter dem Akromion (=Schulterdach, Teil des Schulterblatts) werden gereizt und überlastet, weil der Oberarmkopf nicht gut im Schultergelenk zentriert ist. Es kommt zu Bewegungsein-schränkungen, Schmerzen, allenfalls baut der Körper Kalk in die Sehnen, um die Strukturen zu schützen.

Oder das berühmte CTS = Karpaltunnelsyndrom. Der Medianusnerv kommt im Bereich des Handgelenks – z.B. durch repetitive Tätigkeiten in weniger als optimaler Hand- und Körperhaltung – unter Druck. Ein klassisches Nervenkompressions-syndrom. Der Bereich wird ständig gereizt, der Körper bemüht sich zu heilen und startet einen Entzündungsprozess, d.h. unter anderem, dass er eine Mehrdurchblutung anstrebt und es zu einer Schwellung kommt. Diese schränkt dann den Raum im Karpaltunnel weiter ein und das Übel geht seinen Lauf.

Auch beim Piriformis-Syndrom kommt ein Nerv unter Druck, diesmal der berühmte Ischias. Er zieht im Gesäß unter dem Piriformis-Muskel durch, wenn der zu sehr angespannt ist, reagiert der Nerv unwillig.

Bei Kompartment-Syndromen kommt es in faszialen Logen (derbe, trennende Faszien, die eine Muskelgruppe von einer, die für andere Bewegungsrichtungen verantwortlich ist, trennt) zu einem Druckansteig (z.B. durch eine Verletzung oder durch Übertraining bei Leistungssportlern) und dadurch wird die Blutversorgung beeinträchtigt. Was im schlimmsten Fall zu einem Absterben des Muskels führen kann.

Und im Grunde ist jede schmerzhafte Verspannung nichts anderes als ein zu wenig an Raum. Blutgefäße, die durch den Muskel ziehen werden eingeengt, Stoffwechselendprodukte können schlechter abtransportiert, Nährstoffe und Sauerstoff kann schlechter hintransportiert werden, der Muskel wird schlechter versorgt, es entsteht ein Teufelskreis – bis zum Entstehen von Triggerpunkten, in denen durch die Minderdurchblutung die Calcium-Pumpe versagt und die Muskelfilamente überhaupt keine Energie mehr haben sich zu bewegen.

Großartiges Faszien-Netzwerk

Wenn man den Körper als Faszien-Netzwerk betrachtet, in dem es für jeden Muskel eine elastische Faszienhülle gibt, Sehnen dieser Muskeln u.a. von diesen Hüllen geformt werden, die wiederum in das Periost, die Knochenhaut einstrahlen und Teile der Gelenkskapseln bilden; ein Netzwerk in dem der von viszeralen Faszien gebildeten Raum der Nieren mit der Muskelfaszie des großen Hüftbeugers Iliopsoas zusammenhängt und diese wiederum mit dem Knie – dann wird verständlicher, warum Knieschmerzen durchaus auch aufgrund eines  Nierenproblems auftreten können und umgekehrt. Und das auch hier Raum ganz, ganz wichtig ist und das Fehlen desselben zu Problemen, Beschwerden, Schmerzen führt.

Raum schaffen

Der Bewegungsapparat badet also manchmal organische Probleme aus, weil er versucht, Raum für ein Organ offen zu halten (damit das seine Arbeit weiterführen kann). Oder ein unglücklicher Magen-Darm-Trakt, oder eine nie ganz verheilte Verletzung hat Ausgleichsbewegungen zur Folge, die dann wiederum andere Räume einengen oder verzerren. Man kann auch immer mit im Auge behalten, dass die Faszien nicht nur für Bewegung, Stoßdämpfung und Kraftleitung zuständig sind, sondern u.a. ein wichtiger Wasserspeicher unseres Körpers, für Wahrnehmung unumgänglich, und essentieller Teil unseres Abwehrsystems sind. All diese Aufgaben benötigen Raum und ein ausgewogenes Gleichgewicht, um funktionieren zu können. Die somatische Faszientherapie, die ich gerade lerne, bewirkt – sehr effektiv und sanft – genau das. Und auch bei jeder Massage oder einer Grinberg-Recovery-Sitzung geht es immer auch darum, den Strukturen wieder Raum zu geben. Als Unterstützung für den Körper, der seine Selbstheilungskräfte dadurch besser aktivieren und einsetzen kann, um wieder in sein Gleichgewicht zu finden. Und wieder in vollem Ausmaß lebendig sein zu können.

 

 

 

Über Berührung – Teil 1

Über Berührung – Teil 1

Foto: Julia Maria Rohn

Berührung die berührt

Neulich wünschte sich eine betagte Patientin eine Massage statt der Strombehandlung die ihr verschrieben wurde.

Ich klärte das also mit der behandelnden Ärztin ab und sie fragte mich, was denn Massage bewirken würde. Die Frage hat mich kurz verwundert, aber es stimmt schon – abgesehen davon, dass uns allen irgendwie bewusst ist, dass Berührung gut tut (sofern sie im gegenseitigen Einverständnis und in der richtigen Dosierung und Art und Weise stattfindet) – was passiert eigentlich während und nach einer Massage, durch Berührung an sich? Was ist der Unterschied zwischen Triggerpunkt- und Tiefenmassage, zwischen reflektorischen und klassischen Techniken, was heißt Faszientherapie und was hat es – speziell in der Grinberg-Methode – mit Wasserberührung, Erde,- Luft- und Feuerberührung auf sich?

Es folgt also hier ein Versuch, einen Überblick darüber zu geben, was Berührung ist, was sie braucht – und was sie bewirken kann. Einen Überblick, der sich aus Erfahrung speist und keine wissenschaftliche Abhandlung über die einzelnen Techniken sein möchte.

Berührungs-Erfahrung habe ich nun seit fast 15 Jahren in meiner Praxis als Grinberg-Praktikerin gesammelt, Erfahrung in Sachen Massage in den letzten 3 Jahren, Faszien im engeren Sinn sind in den letzten Monaten dazugestoßen. Aber im Grunde hat mich auch meine Arbeit an der Evander Childs High School in der Bronx und meine Unterrichtstätigkeit als Pilatestrainerin in Sachen Berührung geschult. Denn Berührung beginnt – neben Respekt und Integrität – mit Wahrnehmung.

Wahrnehmung

Menschen besitzen die Fähigkeit andere wahrzunehmen und zu spüren, wie es jemandem gerade geht. Und so wie du vermutlich auch schon erlebt hast, dass deine Pilates-TrainerIn oder MasseurIn, sobald du die Praxis betrittst bereits zu wissen scheint, wo dich der Schuh drückt, trainieren Grinberg-PraktikerInnen diese Wahrnehmung speziell auch im Hinblick auf Stimmungen und Atmosphären, die dich vielleicht umgeben bzw. die du kreierst.

Bevor meine Hände überhaupt mit meinem Gegenüber Kontakt aufnehmen, erhalte ich also schon ganz viel Information. Wer steht/liegt/sitzt da eigentlich vor mir? Wie geht es der Person? Wie äußert sich das Thema, um das es geht im Körper der KlientIn? Wo ist extra Anstrengung, welche Bereiche sind zum Nirvana geworden und ihr nicht zugänglich?

Neben der Verwendung des ganzen Körpers als Wahrnehmungsorgan kommen dann noch die Spezial-Werkzeuge – die Hände – ins Spiel. Wie spürt sich die Haut an, wie ist die Konsistenz des Gewebes darunter, wie fühlen sich die Muskeln an, wie viel Substanz liegt über den Knochen? Sind die einzelnen Schichten gegeneinander beweglich, gibt es Adhäsionen, harte Stränge, schmerzhafte Knubbel? Gibt es Bereiche, die mehr oder weniger schon beim Hinschauen oder sie Ansprechen reagieren, weil das das Muster, die Persona der KlientIn triggert, oder der Körper hier Erlebnisse abgespeichert hat?

Aufmerksamkeit – Energy flows where attention goes

Wahrnehmung funktioniert natürlich nur in Kombination mit Aufmerksamkeit. Während eine Massage durchaus auch erlaubt, dass nur die TherapeutIn aufmerksam ist auf sich und ihr Gegenüber, wird auch sie effektiver sein, wenn du dich nicht nur be-handeln lässt, sondern weiteratmest und wach und aufmerksam bleibst, um zu spüren, wie sich dein Körper unter der Berührung anspürt. Dann kannst du auch relevantes Feed-back geben: deine TherapeutIn wird zwar meist selbst bemerken, ob eine Stelle für dich schmerzhaft ist oder nicht – aber wie stark ist der Schmerz? Strahlt er aus oder bleibt er lokal? Diese Information ist relevant, weil sie die Wahl der Berührungstechnik beeinflusst.

In Grinberg-Sitzungen ist deine Aufmerksamkeit +/- ständig gefragt, weil es darum geht, dass nicht nur deine Praktikerin lernt, wie du auf verschiedene Arten der Berührung reagierst, sondern dir das auch selbst bewusst wird.

Intention

Als Grinberg-Praktikerin ist es unumgänglich meine Intention für die Sitzung zu halten. Ist das Ziel der Sitzung Entspannung, dann geht es darum, meinem Gegenüber Entspannung beizubringen, bzw. ihr/ihm zu ermöglichen, Entspannung zu erleben. Wahrnehmung und Aufmerksamkeit ermöglichen es dann, die passende Berührungsart zu wählen, um dieses Ziel zu erreichen. Manche Menschen entspannen bei sanfter Berührung nicht, sondern driften ins LaLa-Land ab. Sie brauchen eher kräftige, feurige Berührungen, damit ihr Verstand zur Ruhe kommt und der Körper sich die Entspannung holen kann, die er braucht. Geht es darum, dass jemand sich kaum spürt, ist das Ziel ein ganz anderes – und als Konsequenz geht die Person vielleicht aus der Sitzung und spürt nun erst so richtig, wie sehr ihre rechte Seite eigentlich verspannt und schmerzhaft ist.

Speziell in der Faszientherapie benötige ich ebenfalls eine klare Intention. Diesmal auf einer sehr anatomischen und physischen Ebene.  Möchte ich das Epimysium berühren (die eher dünne, glänzende Faszienschicht, die jeden Muskel umhüllt), oder die Schicht zwischen den epimysialen Schichten zweier Muskeln, die gegeneinander gleiten können sollen?

Bin ich in einem Kompartment eines Bewegungssegmentes (d.h. Muskeln, die in einer Bewegungsrichtung zusammenarbeiten – z.B: die Vorderseite des Oberschenkels, gemeinsam strecken sie das Knie) oder möchte ich die Septen zwischen zwei Kompartments ansprechen, die eine aponeurotische und damit eine völlig andere Qualität haben?

Möchte ich den Muskel selbst bearbeiten, und wenn ja, den oberflächlichsten oder den, der darunter liegt, weil dort das Problem sitzt?

Und was macht nun eigentlich die Berührung?

Im Fall der betagten Patientin ging es eindeutig darum, die verspannte Muskulatur zu entspannen, Schmerzen zu lindern und ihr Vegetativum auszugleichen – sprich sie zu entstressen und ihr Wohlbefinden zu steigern.

Die verschiedenen Arten der Berührung können aber noch viel mehr. Nach den ersten 867 Wörtern fällt mir auf, dass dieses Thema nicht in einem einzigen Blog-Artikel abgehandelt werden kann. Dies ist also Teil 1. Mehr folgt.

Wenn Du Lust auf Berührung bekommen hast – seit Montag, den 3. Mai darf ich auch als Grinberg-Praktikerin wieder arbeiten. Mit ärztlicher Verordnung einer Heilmassage kannst Du auch während eines (zukünftigen) Lock-downs zu mir in die Praxis kommen. Termine findest du hier – oder du meldest dich per Email oder telefonisch bei mir. Ich freue mich auf Dich!

 

Herumeiern

Herumeiern

Foto: Cora Hiebinger

Kennst du die Geschichte des Paars, bei der sie ihm in den ersten Wochen ihrer Ehe ein spezielles Müsli kauft, von dem sie fälschlicherweise annimmt, dass er es besonders mag  und er – noch frisch verliebt und ihr Bemühen sehend – will sie nicht verletzten und würgt es mit einem Lächeln und sich überschwänglich bedankend hinunter, obwohl er den Geschmack dieser Müslimischung gar nicht schätzt. Und so nimmt sie (nicht unberechtigterweise) an, dass sie die richtige Wahl getroffen hat und kauft diese Sorte von nun an immer für ihn. Er versucht immer wieder, sie indirekt davon abzubringen. Er eiert also herum. Aber er ringt sich nie dazu durch, ihr klar zu sagen, „Du, Liebling, ich mag diese Sorte eigentlich nicht. Bitte kauf sie mir nicht mehr.“ Und 30 Jahre später hält er ihr bei einem Streit vor, dass sie ja „noch nie auf seine Bedürfnisse geachtet hätte, und noch nicht einmal weiß, welches Müsli ihm schmecke“.

Nicht sagen, was einen stört

Ich erlebe es ganz oft, dass Leute nicht aussprechen, was sie nicht wollen. Weil was wir nicht wollen, bzw. was uns stört, ist uns ja meistens schneller klar, als das, was wir wollen. Es zieht ein bisschen ins Genick, der Polster liegt nicht so, dass man den Kopf bequem ablegen kann, das Licht blendet, die Füße sind zu warm, der Rücken aber zu kühl, ein Geräusch im Raum stört. Oder einfach so ein Gefühl, dass irgendetwas nicht passt, das Wohlbefinden auf eine subtile Art beeinträchtigt ist. Und da haben wir offene Zahnpastatuben oder herumliegende Hausschuhe oder in den Kasten reingewurschtelte Hand- oder Leintücher noch gar nicht erwähnt.

Nicht kränken wollen

Ich denke, einer der Gründe, warum wir oft nicht klar sagen, was uns stört ist, dass wir – so wie beim eingangs erwähnten Ehepaar – unser Gegenüber nicht kränken wollen.

Mein New Yorker Ex, dem ich zu seinem Geburtstag einmal eine Topfentorte mit 6 Mürbteig-Tortenböden gebacken hatte, hatte noch nie ein Problem damit, deutlich zu sagen was er dachte. Und als er meinte, er möge kein Cheese-Cake (was die Topfentorte auch nicht war, aber das kam noch am ehesten hin als Übersetzung) ohne die Torte zumindest gekostet zu haben, war ich auch wirklich gekränkt. Ich verspeiste die Torte dann an der Schule mit Freundinnen und das eine Stück, dass er dann doch noch kosten wollte, hat ihm dann doch sehr gut geschmeckt. Tatsache ist jedoch, dass er grundsätzlich nicht so wirklich auf Süßes steht, und die große Geste, die ich mit dieser aufwendigen Torte setzte, eher meinem Ego diente und einem Kultur-Austausch – in meiner Familie ist es üblich, für jemanden, der Geburtstag hat eine Torte zu backen. Und Zuneigung, Liebe oder Wertschätzung zeigen wurde bei uns ganz viel über das Bekochen transportiert. Also ging es bei dieser Geschichte um ganz viele verschiedene Dinge, nicht zuletzt um die Herausforderungen einer interkulturellen Beziehung.

Zwischen der prophylaktischen Ablehnung meiner Topfentorte durch Danny und dem Stillschweigen über eine echte Abneigung über 3 Dekaden hinweg gibt es natürlich ein weites Feld der Kommunikationsmöglichkeiten.

Nicht lästig sein wollen

Ein weiterer Grund, nichts zu sagen liegt wohl darin, dass man nicht lästig sein, keine Umstände machen will. Das erlebe ich nun vermehrt bei Patient:Innen, denen ich das Liegen so bequem wie möglich gestalten möchte, und die meistens sofort abwinken und meinen, es passe schon so. Wenn ich dann den Polster doch noch etwas zurechtrichte, oder die Knierolle um 1 cm nach unten bewege, dann ist es plötzlich doch noch besser und sie liegen auf einmal viel entspannter da.

Es ist aber auch schon vorgekommen, dass einE Klient:In, die ich in einer Sitzung (bei der es um Entspannung ging) mehrmals fragte, ob alles passe, am Ende meinte, ihr Nacken sei jetzt mehr verspannt als vorher, weil sie blöd gelegen sei. Man könnte mir nun vorwerfen, dass mir das hätte auffallen müssen, dass die Person nicht ganz bequem und entspannt gelegen ist. Und das ist ja auch ein häufiges Argument der schweigenden Person, dass es doch auffallen hätte müssen, dass man keine Cremschnitten mag, sondern lieber Linzer Torte. Dass man Rotwein nicht verträgt und grundsätzlich nur Schilcher trinke. Dass man ausschließlich im Norden zu urlauben wünsche und den Süden verabscheue. Und manchmal ist es auch wirklich so, dass jemand etwas besser wissen sollte – einer Vegetarierin Chilli-con-Carne zu kredenzen spricht nicht für große Anteilnahme an deren Person.

Aufmerksam sein

Und ja, ein Teil der Gleichung ist immer, dass alle Beteiligten aufmerksam sind. Und voneinander übereinander lernen. Aber gleichzeitig bleibt eine Ebene, in der ich dem, was mein Gegenüber sagt, vertrauen können möchte. Wenn du dich bei der Planung eines Urlaubs, Ausflugs, oder sonstigen Aktivität aus der Gleichung herausnimmst und behauptest, es sei dir egal ob es in den Norden oder in den Süden gehen soll (sprich: Floridsdorf versus Favoriten, Waldviertel versus Südsteiermark :-)) gibst du die Verantwortung ab. Wenn du dann herumeierst und ganz viele Argumente gegen das Hotel, gegen die Route, gegen alles bringst, und – dort angekommen – deine Stimmung so frostig ist wie sie im Süden normalerweise eben nicht ist, weil du ja eigentlich viel lieber in den kühlen Norden willst, dann ist es erstens deiner Beziehung vermutlich nicht zuträglich, und außerdem auch nicht fair Deinem Partner, Deiner Partnerin gegenüber. Wenn du merkst, dass das, was dich stört, was du nicht willst, deine Haltung zu der auslösenden Person beeinflusst, Dein Wohlbefinden und damit Deine Stimmung beeinträchtigt, dann ist es Zeit, etwas zu sagen oder zu tun.

Den Mund aufmachen

Den Mund aufzumachen – gerade, um „Kleinigkeiten“ einzufordern oder zurechtzurücken fällt uns allen nicht immer leicht. Und ich sehe ein, dass gebrechliche, ältere Kranke, die schon unzählige Therapien über sich ergehen haben lassen, möglicherweise keinen Kopf mehr dafür haben, irgendjemanden zu bitten, doch bitte auch noch die Decke etwas nach links zu ziehen, weil der rechte Fuß immer so unangenehm warm wird.

Da liegt es dann an mir, immer wieder nachzufragen und für uns beide aufmerksam zu sein, wie ich die Situation für mein Gegenüber noch verbessern könnte. Genauso, wie es in Beziehungen meist hilft, nachzufragen oder genau zu beobachten, was der/die PartnerIn denn lieber hat – Vanille- oder Schokoeis z.B.. oder Fleisch oder lieber doch vegetarisch.

Bequemlichkeit

Aber in einer Beziehung auf Augenhöhe, bei der alle Beteiligten die Ressourcen, Energie und die Möglichkeit zur Aufmerksamkeit besitzen, wünsche ich mir, dass alle ihren Mund aufmachen. Und sagen, was Sache ist, falls es relevant ist. Respektvoll und konstruktiv, wertschätzend und je nach Beziehung auch liebevoll. Weil manchmal ist das Herumeiern und nicht klar aussprechen, was einen stört, auch einfach nur ein Zeichen von Bequemlichkeit.  So wie das Blinken beim Abbiegen, dass immer weniger oft für notwendig erachtet wird.

Gib Bescheid, wenn du in den Norden willst statt in den Süden, sag, dass es Dir zieht, weise darauf hin, dass du links abbiegen willst. Es macht das Leben für uns alle einfacher und weniger kompliziert, wenn wir das tun.

 

 

De-Colonize Your Mind

De-Colonize Your Mind

Foto: Cora K. Hiebinger

Früher glaubte ich im Ernst, ich sei schüchtern. Als ich das im Rahmen einer Sitzung einmal voller Überzeugung meiner damaligen Praktikerin (the best there is!) kundtat, bekam sie gelinde gesagt einen Lachkrampf. Danke, Claudia für die wohltuenden reality checks, die du mir zukommen hast lassen!

Während der Lockdowns spielte ich wiederholt über Zoom Stadt-Land-Fluss mit meiner Nichte (9). Bei „Berufen“ nannte sie Anwalt, Friseur, Handwerker, Schneider. Bei „L“ kam dann neben Linz, Lunzer See und Lofer „Lehrerin“ als Beruf.

Als eingefleischte Feministin (siehe: BLOG) frage ich mich schon, wie das passieren konnte (offenbar habe ich mich zu wenig mit ihr beschäftigt! 🙂 ).

Letztes Wochenende war ich das erste Mal wieder im Museum. Auf 5.400 m2 und 5 Stockwerken finden sich unter den großartigen Meisterwerken exakt 11 (e-l-f) Bilder von genau 4 Frauen. Die Sammlung ist die Sammlung, ok. Allerdings sollte dann vielleicht die Beschreibung des Leopold Museums überarbeitet werden, in der steht:

„Das Leopold Museum beherbergt mit rund 6.000 Werken eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen österreichischer Kunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Moderne.“ 

 Tut es das?

Auch die Beschreibung der aktuelle Ausstellung „Menschheitsdämmerung“ sollte, finde ich, umgeschrieben werden, spricht sie doch von der Präsentation von elf Künstlern,

„die in der Zeit der Ersten Republik (1918–1938) einen bedeutenden Beitrag zur malerischen Moderne Österreichs geleistet haben“. 

Um dann 11 Männer aufzuzählen.

In zahlreichen Druckwerken findet sich seit Jahren der Hinweis, dass in der männlichen Form selbstverständlich auch die Frauen und alle anderen Geschlechter mitgemeint sind. Das ist ja recht nett. Aber von elf Künstlern zu sprechen, und dann ausschließlich Männer aufzuzählen, vermittelt ja schon den Eindruck, dass es eben keine Frauen gibt, die „einen bedeutenden Beitrag zur malerischen Moderne Österreichs geleistet haben“. Von Kunstgeschichte habe ich keine Ahnung, aber Google macht’s möglich: 2019 wurde die Ausstellung „Stadt der Frauen“ präsentiert, mit dem Ziel:

„den Blick auf die Wiener Moderne und die Zwischenkriegszeit zu erweitern. Im Mittelpunkt stehen jene Künstlerinnen, die viel zur Kunst dieser Zeit beigetragen haben.“ Weil:

„ihre Arbeiten werden bis heute in ihrer Bedeutung unterschätzt und kaum wahrgenommen.“

Ja, offensichtlich. Auch in 2021 noch.

Und so wie meine Nichte bei Lehrerin automatisch die weibliche Form verwendet, weisen zwar auch renommierte Printmedien mit ihrem Pseudo-Gsatzl auf die Inklusion aller in der männlichen Form hin, aber einen Sekretär oder Kosmetiker in Texten zu finden, ist mir bisher noch nicht gelungen.

Alles, was wir selbst wiederholen, ob in Gedanken, Sätzen, Handlungen, gräbt Furchen in unser Hirn – die berühmten „Autobahnen“ des Lernens, von denen Gerald Hüther immer so plastisch spricht.

Wenn ich mich selbst als schüchtern, langsam, angriffslustig sehe – und mich immer wieder so verhalte, bestätige ich mich damit und füttere meine Überzeugung, dass ich eben so bin und gar nicht anders kann.

Wenn du – jedes Mal wenn du wütend bist – von deinem Umfeld hörst, du solltest dich nicht so aufregen, oder du seist hysterisch, oder du solltest doch etwas mehr Verständnis haben und lieb und nett sein – und vielleicht sogar Sanktionen erfährst (Anschweigen, scharfe Zurechtweisung, Liebesentzug, etc.) – dann lernst du vielleicht mit der Zeit, deine Wut zu verstecken und stattdessen ein „angepassteres“ Verhalten an den Tag zu legen. Bis du irgendwann selbst glaubst, dass du total gelassen bist und dich eigentlich nichts wirklich aufregt. Oder, dass du schüchtern bist und deinen Mund lieber nicht aufmachst in einer großen Runde.

Wie Museen, öffentliche Räume, Print-Medien mit Gender-Gerechtigkeit umgehen, können wir sicher zu einem gewissen Grad beeinflussen – durch unser Konsumverhalten, darüber, wen wir wählen, durch Ansprechen und Aufzeigen von Miss-Ständen.

Wie wir selbst über uns und mit anderen sprechen, welche Adjektive wir dazu verwenden, uns selbst zu beschreiben, welche Wörter wir in unserem Denken verwenden – das können wir auf jeden Fall beeinflussen.

Du musst dich nicht „faul“ nennen, wenn du dir einen Tag frei nimmst, du brauchst nicht von „asozial“ sprechen, wenn du mal keine Lust hast, jemanden zu sehen, du kannst statt „unfähig“ ein anderes Adjektiv verwenden, wenn du etwas nicht gleich auf Anhieb zusammenbringst. Als gute Chef:In würdest du deine Mitarbeiter:Innen sicher nie so anreden. Weil du weißt, dass es kontraproduktiv ist und demotivierend. Nun, für dich und deinen Körper ist es nicht anders.

Sei freundlich zu dir selbst.

Das ist das Motto, an das ich meinen Klient:Innen immer wieder erinnere. Weil, das Leben ist anstrengend genug. Und sobald wir selbst kapiert haben, welchen Beitrag wir zu unserer eigenen Unzufriedenheit leisten – haben wir nicht nur ein Werkzeug, um ihr zu entgehen, wir können auch die Verantwortung an ihr niemand anderem mehr geben. Und der Weg, uns von überholten automatischen Verhaltensweisen – unseren Autobahnen –   zu verabschieden und Platz für Neues zu schaffen, ist anspruchsvoll genug.

Dazu kommt, dass wenn wir einmal beginnen, auf die „kleinen“ Dinge zu achten (vor kurzem wurde ich Zeugin einer Diskussion über die Verwendung von „Fräulein“ für unverheiratete Frauen), und uns die Diskrepanzen in den Legitimierungsversuchen für die Nicht-Verwendung gegenderter Formen (wie eben das Fehlen von Sekretären) – aufzufallen beginnen, dann gibt es auch hier zu tun. Denn es gilt, immer wieder unseren eigenen Realitäts-Check durchzuführen, damit die Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten dort bleiben, wo sie hingehören – bei den Verursachern (und allenfalls -innen). Und nicht an uns haften bleiben und klebrig sind und uns glauben machen, die Dinge seien eben so, weil es nicht anders geht. Oder, dass es in der Zwischenkriegszeit in Österreich keine Künstlerinnen gegeben hat.

 

 

Dranbleiben. Wahrnehmen. Nachfragen.

Dranbleiben. Wahrnehmen. Nachfragen.

Foto: Cora K. Hiebinger

Wenn ich nach der Geschwindigkeit gehe, mit der ich Schokolade verspeise die mir jemand geschenkt hat (weil eigentlich möchte ich ja 2021 meinen Zuckerkonsum noch radikaler einschränken als bisher) hätte ich wohl beim berühmten Marshmallow-Test kläglich versagt. Die Ergebnisse der Langzeitstudie wurde ja jahrzehntelang so interpretiert, dass Menschen, die lieber den Spatz in der Hand haben als die Taube auf dem Dach, eine Tendenz haben weniger erfolgreich zu sein und die, die geduldig warten können:

„…..performed better academically, handled frustration better, and managed their stress more effectively as adolescents.“ Jill Suttie

Neuere Studien stellen die damaligen Schlussfolgerungen übrigens in Frage. Neben dem sozioökonomischen Status der Eltern scheinen verschiedene andere Faktoren Einfluss auf die Willensstärke beim Test und die spätere Entwicklung der Getesteten zu haben.

„While children’s ability to be patient predicts future success (Mischel et al., 2010), a recent paper by Watts et al. (2018) suggests that the relationship between patience and success is not straightforward. Using a larger sample and a more sophisticated statistical approach than previous studies, they show that correlations between patience and future outcomes are not as strong as previously assumed, and that this association disappears after controlling for confounding factors (i.e., early social environment and demographic characteristics).“ (Barragan-Jason et al. 2018)

Obwohl ich grundsätzlich kein Problem mit meiner Willensstärke und dem Dranbleiben habe, finde ich die derzeitige Lage durchaus herausfordernd. Und wie oft nach dem Erreichen eines anspruchsvollen Ziels muss ich mich jetzt nach der kommissionellen Prüfung zur Heilmasseurin schon sehr zusammenreißen, um nicht völlig im Lock-down-Blues zu versacken.

Inspiration aus der Natur

Vor Wochen habe ich bei einem Spaziergang Zweige mit nach Hause genommen, die von Gärtner:Innen schon abgeschnitten aber noch nicht abtransportiert worden waren. Ich stellte sie in eine Vase und erfreute mich an den glänzenden Knospen. Die Vase fiel um, der Großteil des Wassers landete auf dem Boden. Ich wischte auf. Sonst tat ich nichts.

Der Zweig aber schon. Nach Wochen im warmen, hellen Wohnzimmer öffneten sich die Knospen zu Blättern und Blüten. Das nenne ich Willensstärke. Das Pflanzen so sind, und einfach ihr Programm des Wachsens durchziehen – Äste, die in der Vase zu blühen beginnen, ein Löwenzahn, der durch Beton bricht, ein kleiner Baum, der sich in einer Felsnische anklammert und über den Abgrund wächst – ist einer der Gründe, warum ich Biologie studiert habe. Und die Biologie der Dinge, die Natur an sich inspiriert und motiviert mich nach wie vor.

Verbindung zur Basis unterbrochen? Flüssigkeitshaushalt am Limit? Egal. Die Tage werden länger, die Temperatur ist frühlingshaft, Zeit, die Knospen zu öffnen! Hut ab vor dieser unbeirrten Entschlossenheit.

Keine Neujahrs-Vorsätze

Es wird Zeit, uns zu besinnen. Nicht auf die typischen Neujahrs-Vorsätze, die zunächst lustlos verfolgt werden und schließlich in der Schublade landen, um auf den nächsten Jänner zu warten. Nicht auf Vorsätze, die den Vorgaben einer Gesellschaft entsprechen, die Individualität predigt und sie dann als MeMeMe-Egomanie auslebt, in der jegliche Abweichung von der Meinung der eigenen Blase als suspekt angesehen wird.

Dieser Zweig in meinem Wohnzimmer hat nicht mal kurz Däumchen gedreht und sich überlegt – ah, ich könnte ja mal probieren die Knospen zu öffnen. Da steckt vielmehr eine Kraft dahinter, die einfach alles gibt um ihr Potential zu erfüllen. Ein echtes Bedürfnis, ein Nicht-Auskönnen.

Zur Besinnung kommen

Wenn wir es immer wieder schaffen, uns auf dieses auch uns innewohnende Bedürfnis zu besinnen, das, was uns ausmacht, uns einzigartig macht, das was wir wirklich wollen auch umzusetzen – dann können wir dranbleiben. Dann sind die Unbilden des Lebens einfach nur Stationen unseres Lebens. Die uns vielleicht etwas verlangsamen, aber nicht von unserem ganz persönlichen Weg abbringen. Vielleicht geht es ja in diesem individuellen Leben darum, den Spatz in der Hand zu halten (weil der gerade Aufmerksamkeit braucht) und die Tauben vom Dach zu verscheuchen.

Wenn wir dann noch nicht nur in uns selbst hineinhören und uns als menschliches Wesen wahrnehmen, sondern auch unserem Gegenüber diese Aufmerksamkeit schenken; und die von Obama viel zitierte „ability to put ourselves in someone else’s shoes“ tagtäglich anwenden.

Und wenn wir dann auch noch unsere Fähigkeit benutzen, Fakten auf ihren Gehalt zu überprüfen und offen sind, über Jahrzehnte hinweg in Stein gemeißelte „Wahrheiten“ zu hinterfragen. Dann wird es uns leichter fallen, uns zu entfalten und zu tun, was es zu tun gibt für uns.

P.S: In der ursprünglichen Marshmallow-Studie von Mischel et al. aus 1972 waren übrigens nur 50 Kinder inkludiert, die alle den Kindergarten (Bing Nursery School) der Stanford University besuchten.

Der Mythos, der sich immer noch hält, dass man den Motor im Stand warmlaufen lassen soll ist genau das. Ein Mythos. Man soll nicht mit Karacho aus dem Stand lospreschen. Aber das im Stand Laufenlassen des Motors erhöht den Verschleiß, verbraucht Treibstoff, verursacht mehr Abgase und ist gemäß §102, Abs. 4 des KFG verboten.

 

 

 

Hinter uns die Sintflut?

Hinter uns die Sintflut?

Über die Freiheit 

Foto: Cora K. Hiebinger

Einer der positiven Veränderungen, den die Pandemie für mich mit sich brachte ist, dass ich mir – egal bei welchem Wetter – jeden Tag Zeit nehme, zumindest eine kurze Runde spazieren zu gehen. Wenn es schnell gehen muss, genügt die unmittelbare Nachbarschaft, oder auch ein, zwei Runden im alten AKH. Mittlerweile habe ich auch schon viele mir neue schöne Plätze rund um Wien entdeckt, die alle ihren Charme haben und z.Tl. grandiose Ausblicke über die Stadt gewähren (Pötzleinsdorfer Park z.B. oder das Paradies). Alle Ziele meiner kleinen Rundgänge sind mit dem Fahrrad (oder auch den Öffis) innerhalb von 30 min gut zu erreichen.

Einer meiner Lieblingsplätze ist nach wie vor die Baumgartner Höhe. Auf dem Weg hinauf gibt es einen kleinen Pavillion mit Bänken und einem Tisch. Dieser ist in letzter Zeit vermehrt vermüllt. Schnell bietet sich Corona und die Lock-downs als Schuldige an. Wo sollen sich die Leute denn treffen, wenn alles zu hat, da setzen sie sich eben im Freien zusammen, ist ja auch sinnvoller, wegen reduzierter Aerosol-Dichte. Ja, eh.

Im Sommer berichtete der ORF (Fotos dazu) darüber, wie am Donaukanal Müllberge um die heillos überfüllten Mistkübel wuchsen. Auch hier wurde ein Zusammenhang mit Corona hergestellt (Clubs und Lokale zu, etc.), zusätzliche Mistkübel aufgestellt und das Reinigungspersonal aufgestockt, weil offensichtlich die zu kleinen Mistkübel und die zu geringe Reinigungsfrequenz („nur“ 3x täglich) schuld an der Misere waren.

Aber kann man das, was man mitgebracht hat, nicht einfach auch wieder mit nach Hause nehmen und dort fachgerecht entsorgen? Der Mülleimer neben dem Pavillion war jedenfalls keineswegs überfüllt, er war völlig leer.

Die „Hinter mir die Sintflut“-Einstellung

Diese „Hinter mir die Sintflut“-Einstellung, das Abgeben von Verantwortung für Dinge, die ganz eindeutig im eigenen Verantwortungsbereich liegen, ist weit verbreitet. Gleichzeitig ist Zuweisung von Schuld an andere populär wie noch nie. Irgendwie stehen diese Haltungen wohl miteinander in Zusammenhang.

Es gibt ja Politiker, die Meister darin sind, allem so einen Spin zu versetzen, dass sie stets mit scheinbar reiner Weste aussteigen und die anderen das Bummerl in der Hand halten. Schuldzuweisungen funktionieren offensichtlich wirklich gut – unser Hirn kann die Informationen – wie wahr sie auch immer sein mögen – zu den vorhandenen Vorurteilen und Überzeugungen dazufügen und unsere Sichtweise auf das Leben verfestigen. Und alles hat wieder seine Ordnung. Das gibt ein Gefühl der Sicherheit. Alles ist so, wie wir schon immer „wussten“, das es ist. Der Vorteil für die, die zugewiesen haben: die Diskussion ist für viele zu Ende, weil das Hirn bereits befriedigt ist mit einem weiteren Baustein für das eigene Weltbild. Und vielleicht glauben die, die Schuld anderen zuweisen ja irgendwann selbst daran, dass sie mit allem gar nichts zu tun hatten.

Schuldzuweisung und Unabhängigkeit

Was dabei oft übersehen wird: jedes Mal, wenn wir jemand anderem die Schuld geben an unserem Verhalten, geben wir Unabhängigkeit ab. Unsere Freiheit, die als Erwachsene darin besteht, dass wir zu jeder Zeit und in jeder Situation entscheiden können, wie wir sein wollen, wie wir handeln wollen. Wenn ich meinem Bruder die Schuld dafür gebe, dass er einen meiner Trigger betätigt hat und ich deshalb ausgeflippt und die Familienfeier in einen Streit münden habe lassen, dann gebe ich nicht nur die Verantwortung für meinen Beitrag am Desaster ab, sondern auch meine Freiheit, unabhängig vom Verhalten anderer agieren zu können. Wenn ich das Wetter für meine schlechte Laune verantwortlich mache, dann bin ich dem Wetter ausgeliefert. Wenn ich einem Werbespot die Schuld daran gebe, dass ich Geld für ein weiteres Teil mit enden wollendem Nutzen ausgegeben habe, (obwohl ich doch Dinge reduzieren wollte!), wo stehe ich dann eigentlich?

Jede Handlung hat Konsequenzen

Tatsache ist, alles, was wir tun hat Konsequenzen. Wenn wir uns so betrinken wollen, dass wir es nicht mehr schaffen, die leeren Flaschen in den Mist zu schmeißen oder wieder einzupacken – ok. Dann lasst uns dazu stehen, dass wir zu besoffen, zu bequem, zu trotzig oder angepisst auf das Establishment waren, unseren Müll wieder mit nach Hause zu nehmen. Aber als gesunde Erwachsene liegt die Verantwortung für mein Trinkverhalten, meine Bequemlichkeit und wie ich mit meiner Wut umgehe einzig und alleine bei mir.

Und selbst wenn wir niemandem die Schuld geben – auch wenn wir unsere Verantwortung abgeben und etwas einfach glauben oder hinnehmen, ohne weiter darüber nachzudenken, ob das so stimmen kann, wie es gerade erzählt wird; etwas für bare Münze nehmen, und es auch gleich weitertragen, ohne uns genauer zu informieren, sind wir leichte Beute für Manipulation – wer auch immer die gerade betreibt. Und wir nehmen uns die Freiheit, der Realität ins Auge zu schauen, im Hier und Jetzt präsent zu sein mit allem, was wir sind.

Der unbezahlbare Gewinn

Der unbezahlbare Gewinn, den ich als jahrelange Klientin meiner Lieblings-Praktikerin (Danke, Claudia!) in meinem Lernprozesses nach der Grinberg-Methode erfahren habe, und den meinen Klient:Innen immer wieder zu vermitteln mir ein ganz großes Anliegen ist, ist genau diese unbändige Freiheit, die wir erlangen können, wenn wir Eigenverantwortung übernehmen und präsent sind in der Realität; wenn wir lernen,

  • uns die Art und Weise, mit der wir automatisch auf äußere Umstände oder Aussagen und Handlungen von anderen reagieren bewusst zu machen,
  • es als eine Reaktion, einen Zustand, den wir selbst kreieren zu erkennen, und
  • damit aufzuhören.

Und das erfordert Mut und Ausdauer.

Der Realität ins Auge schauen

Und wenn wir dann noch weiter mutig sind, und uns all das, was da ist zu spüren erlauben: Trauer, Angst, Wut….. Und feststellen – oops – da hab ich was falsch gemacht – oder – Naaah, das freut mich jetzt echt nicht – und dann vielleicht spüren, dass wir traurig sind über den Fehler, weil wir damit jemanden verletzt haben; oder uns ein klein bisschen schämen, weil wir zu bequem waren, an diesem besagten Tag die Umwelt zu schützen;

Und wenn wir dazu stehen und keine Schuldigen suchen, sondern uns aufs neue bewusst machen, dass wir unsere eigenen Chef:Innen sind und beim nächsten Mal eine neue Chance haben, es anders und vielleicht auch besser zu machen.

Und wenn das ganz viele von uns so handhaben ab sofort.

Was für ein großartiges Jahr wird 2021 werden!

Wir sind Viele

Wir sind Viele

Foto: Cora K. Hiebinger

Spürst Du es? Wir enden nicht an unserer Hautoberfläche.

Florian Klenk hat einen Spendenaufruf für den „aufmüpfigen“ Bergbauern Christian Bachler gestartet. Der stand vor der Zwangsversteigerung seines Hofs, weil die Bank seinen Kredit fällig stellte. Innerhalb eines Tages war die benötigte Summe beisammen. Viele der Kommentierenden sahen das Ganze offensichtlich nicht nur als Akt der Nächstenliebe zur Rettung einer Existenz, sondern eben auch als Versuch einer Zurecht-Rückung eines ungerechten, unmenschlichen und ungesunden Systems.

Ist diese überwältigende Solidarität nicht schon erhebend genug, so ist es zusätzlich noch speziell erbaulich, dass dieses Crowd-Funding nicht alleine in der Falter-LeserInnen-Blase stattgefunden hat, sondern dass die UnterstüzterInnen dieses Projektes auch aus ganz anderen Ecken kamen. Auf einen Anruf Klenk’s hinauf hat z.B. Andreas Gabalier ein Video gepostet und seine Fan-Gemeinde um Spenden für den „Wutbauern“ gebeten. Und so konnten in einem Kraftakt innerhalb eines Tages fast 300 000.- auf die Beine gestellt werden. Und Herr Bachler kann seinen Kredit zurückzahlen, seine Almen bewirtschaften und weiter daran arbeiten das System zu verändern.

Ich habe mich, während ich die Kampagne gestern verfolgte, sehr verbunden gefühlt mit anderen: mit FreundInnen, die über verschiedene Kanäle von dem Projekt erfahren hatten und ebenfalls spontan spendeten, aber auch mit mir Unbekannten, die aber offensichtlich ebenfalls die Notwendigkeit sahen, einem System, dass so nochalant eine Existenz auszulöschen bereit ist entgegenzutreten. Plötzlich fühle ich mich nun also auch mit Gabalier-Fans verbunden. Und ziehe meinen Hut vor seiner Aussage im Video bezüglich „weg vom Schubladendenken“.

Das Gefühl tiefer Zufriedenheit, dass hinsichtlich dieses Zeichens von Zusammenhalt genieße hat mich an Gerald Hüther’s großartige Rede aus 2014 erinnert: „Wer glücklich ist, kauft nichts“ (ab Min:11:50).

Bedürfnis nach Verbundenheit und Wachstum

Brückenbauende Solidarität gibt es ja nicht alle Tage – wir leben in Zeiten von social-distancing und zunehmender Kälte auf verschiedensten Ebenen. Aber das Bedürfnis nach verbunden sein ist ein zutiefst menschliches. Hüther erklärt dieses Grundbedürfnis – die Möglichkeit zu haben, zu wachsen und uns verbunden zu fühlen, damit, dass wir diese Basiserfahrungen im Mutterleib erlebt haben, und sie in unserem System verankert ist. Und so wollen wir uns immer wieder autonom und frei fühlen – also wachsen; und uns gleichzeitig verbunden fühlen – also dazugehören, mit anderen sein. Es gilt also ein prekäres Gleichgewicht zu finden zwischen diesen beiden Kräften, die scheinbar in entgegengesetzte Richtungen wirken. Ich sage scheinbar, weil ich in meiner Arbeit immer wieder erlebe, dass unsere Körper kein Problem damit haben, gleichzeitig autonom und verbunden zu sein.

Verlust

Je nachdem, wie begeistert unser Umfeld auf unser Eintreffen in dieser Welt reagiert hat, verlieren wir dieses ganz selbstverständliche Wachsen-Wollen – unsere Neugierde, unsere Begeisterung für Neues und dafür uns weiterzuentwickeln, als auch unser natürliches Verbundensein – das Gefühl willkommen, dazupassend und „richtig“ zu sein – früher oder später. Ganz viele unserer (Überlebens)Strategien (die wir uns vermutlich genau aufgrund des Verlustes eines oder mehrere unserer Grundbedürfnisse zulegen) beinhalten ein „uns abkapseln“ von unserer Umwelt. Dann fühlen wir uns alleingelassen, abgeschnitten vom Leben. Dieser Zustand des abgekapselt seins lädt ein, sich mit anderen zu vergleichen, sich und andere zu bewerten, die Welt in schwarz und weiß einzuteilen, in richtig und falsch, Dinge in Stein zu meißeln. Es führt wohl auch dazu, uns über andere zu stellen, Andersdenkende zu verurteilen, einen Religionskrieg anzuzetteln. Was zu weiterer Trennung führt.

Wir büßen einen Teil unserer Lebendigkeit ein, wenn wir so tun, als wären wir eine von der Welt unabhängige Entität, deren Einflussgebiet und Sein an der Hautoberfläche aufhört; wenn wir uns einen „schützenden“ Panzer zulegen, der uns zumindest gefühlmäßig abschirmt. Gleichzeitig büßen wir unsere Autonomie ein, denn wenn wir uns abkapseln und einpanzern, beschränkt das unsere Wahrnehmung der Umgebung und wir sind weniger präsent. Andere können dann leichter über unsere Köpfe hinweg bestimmen, was als Nächstes geschieht – auch mit uns.

Wir sind Lebewesen

Tatsache ist – wir sind Lebewesen. Wir sind mit Wahrnehmungsorganen ausgestattet, – z.B. unsere Haut – mit denen wir unsere Umgebung wahrnehmen können. Nicht nur 1 mm über der Haut, sondern auch in einiger Entfernung. Wir können nicht nur spüren, wie es uns selbst geht und was wir gerade brauchen, damit es uns besser geht (etwas trinken, ausruhen, das Gespräch suchen, in die Natur gehen, …), wir können auch spüren wie es anderen Lebewesen geht. Vielleicht spürst du nicht gleich den Grant deiner Zimmerpflanze, die im hintersten Eck deines Wohnzimmers langsam vertrocknet, aber ich bin mir sicher, du kannst relativ rasch spüren, wenn sich dein Haustier vernachlässigt fühlt – und wenn deinE PartnerIn schlecht drauf ist, oder im Büro dicke Luft ist, merkst du das sowieso sehr schnell.

Wenn wir spüren, dass wir ein Lebewesen sind, fällt es uns schwerer, andere so zu behandeln, wie wir selbst nicht behandelt werden möchten. Wenn wir spüren, dass wir ein lebendiger Körper sind, unsere Umgebung wahrnehmen, uns und andere spüren, dann sind wir verbunden. Dann ist uns klar, dass wir nicht alleine sind. Dann wünschen wir uns eher, dass es nicht nur uns, sondern auch unserem Gegenüber gut geht. Und dann ist es auch wieder ganz selbstverständlich, dass wir wachsen können. Raus aus Schubladen. Rein in die Revolution :-). Wie groß deine ganz persönliche Revolution auch sein mag.

Übung für mehr Verbundenheit

Hier findest du eine meiner Lieblingsübungen, um diesen Zustand des Verbundenseins und der entspannten Stille besser spüren zu können.

Am besten machst du diese Übung im Stehen und ohne Schuhe.

Du stehst aufrecht, zumindest hüftbreit, allenfalls etwas breiter, die Füße sind satt auf dem Boden platziert, du gibst dein Gewicht an den Untergrund ab.

Nimm ein paar tiefe Atemzüge.

Dann atme ein (tief aber ohne Anstrengung) halte den Atem und spanne den Körper an (nicht 100%, aber so ca. 70%)

Stell dir vor, du legst alles an Ablenkungen, Sätzen die im Kopf herumschwirren, in das nächste Ausatmen.

Atme aus mit „TSSSSSSS“.

Wiederhole das noch einmal.

Atme entspannt weiter.

Spüre den Boden unter dir und stell dir vor deine Fußsohlen und Zehen schlagen Wurzeln. Mach auch das ohne Anstrengung, erlaube es einfach. Spüre den Boden, deine Sohlen auf dem Boden, dehne deine Wahrnehmung nach unten in den Boden aus.

Lass dir Zeit, atme ruhig weiter, gib dein Gewicht immer wieder an die Schwerkraft ab.

Lass diese Verbindung zwischen Boden und Füßen sich nach oben ausdehnen, d.h. was immer du in den Füßen spürst (Wärme des Bodens, Energie, Kribbeln,…) hol dir das nach oben und lass es bis in den Kopf strömen. Wenn du zunächst nichts spürst, ist das auch ok, du kannst dir auch vorstellen, dass von den Fuß-Wurzeln deine Beine und der restliche Körper wie ein Baumstamm nach oben wachsen. Wähle ein Bild, dass dir zusagt.

Auch das mach ohne Anstrengung, erlaube es einfach, gib immer wieder dein Gewicht ab und atme weiter.

Dann spür deinen Scheitel und spür die Luft über deinem Kopf. Spüre den Raum über dir und dehne deine Wahrnehmung nach oben aus.

Mach das einige Atemzüge lang, ohne jegliche Anstrengung.

Dann spür noch einmal nach unten und nach oben, dehne deine Wahrnehmung aus.

Dann nimm die restlichen 4 Richtungen – nach vorne, nach hinten, nach links und nach rechts auch mit und dehne deine Wahrnehmung, den Raum den du einnimmst auch in diese Richtungen aus.

Lass dich von Wänden, Zimmerdecken, anderen Gegenständen oder Personen nicht aufhalten. Erinnere dich immer wieder daran, dass das Ganze kein Kampf ist, sondern ein natürlicher Seins-Zustand unseres Körpers – wir – als Wesen – hören nicht an unserer Hautoberfläche auf. 🙂

Ich wünsche dir viel Genuss bei dieser Übung und beim autonom verbunden sein mit der Welt. Wenn du Unterstützung dabei möchtest, einen dich einschränkenden Zustand zu ent-lernen, um wieder verbundener und freier sein zu können melde dich. Bis 22. Dezember 2020 gibt es noch Weihnachts-Angebote zu vergünstigten Preisen.

Energy flows where attention goes

Energy flows where attention goes

Foto: Cora K. Hiebinger

Wenn Du bereits KlientIn bist, hast du die Frage „Wo ist Deine Aufmerksamkeit?“ sicher schon des Öfteren gehört. Ich stelle sie dann, wenn ich bemerke, dass mein Gegenüber abdriftet und nicht mehr (ganz) bei der Sache ist. Statt also z.B. den Empfindungen in einem bestimmten Körperareal (zwischen den Schulterblättern, unterhalb der Rippen, rund ums Knie) mit Neugierde nachzuspüren und sie in allen Details erforschen zu wollen – wie ist die Temperatur, die Konsistenz, der Spannungsgrad, die Dichte, sprich – wie fühlt sich der Bereich eigentlich an? – weckt ein Gedanke Dein Interesse und Du folgst ihm von einer Assoziation zur nächsten, bis Kopf und Verstand wieder die alleinige Vorherrschaft ausüben und das Spüren, der Körper an sich, in den Hintergrund treten müssen. Oft fällt es uns gar nicht auf, dass wir nicht mehr bei der Sache sind – das passiert ja nicht nur in Sitzungen, sondern z.B. auch wenn du etwas liest und nach 2 Absätzen darauf kommst, dass du keine Ahnung hast, was da eigentlich geschrieben steht. Weil dir beim zweiten Satz ein Gespräch von vorgestern eingefallen ist, und du dich plötzlich damit beschäftigst alternative Szenarien durchzuspielen. Deine Aufmerksamkeit ist also nicht mehr in den Zeilen vor dir, sondern in der Vergangenheit investiert. Oder sie ist in der Zukunft, wenn die Assoziationskette, die dein Verstand dir liefert, dich zu möglichen Folgen dieser Szenarien weiterleitet.

Diese Qualität unseres Geistes, sprunghaft und nicht notwendigerweise logisch nachvollziehbare Zusammenhänge herzustellen, unzusammenhängende Dinge miteinander zu verknüpfen, sich Situationen vorzustellen und zu erfinden, ist die Grundlage jeder Innovation und Kreativität und in diesem Sinne selbstverständlich begrüßenswert. In Sachen Aufmerksamkeit stellt diese Bereitschaft, von einem zum nächsten zu gleiten und sich wie auf einer Welle in entlegene Gefilde mittragen zu lassen, die nicht mehr viel mit der Realität vor Ort zu tun haben, natürlich eine Herausforderung dar. Denn folgen wir diesen Sprüngen, schenken wir ihnen von Assoziation zu Assoziation unsere Aufmerksamkeit, dann ist unsere Energie auch in diesen Gedankengängen gebündelt und unser ganzes Sein landet möglicherweise bei einem Konflikt, der noch gar nicht stattgefunden hat. Und wir sind damit beschäftigt, statt in der gegenwärtigen Realität unser Leben zu leben.

Eines der Hauptwerkzeuge, die die Körperarbeit nach der Grinberg-Methode uns an die Hand gibt, verwenden wir mit dem Ziel zu lernen, unsere Aufmerksamkeit besser steuern zu können. Wir nutzen unsere Freiheit, in jedem Augenblick (erneut) zu entscheiden, wohin wir unsere Aufmerksamkeit, unseren Fokus, richten und tun dann genau das. Statt uns mitreißen zu lassen ins LaLa-Land, statt den Sirenen zu gewähren uns zu umgarnen und zu entführen, wählen wir immer wieder aufs Neue, unsere Aufmerksamkeit in den Körper zu bringen indem wir ihn spüren. Unser Körper kann nur im Hier und Jetzt, in der Realität sein. Er existiert weder in der Vergangenheit, noch in der Zukunft. Er ist jetzt da. Was wir jetzt spüren, kann sich in 2 Minuten schon wieder anders anfühlen. Das betrifft „physische“ Empfindungen – ein Gurgeln im Magen, eine Luftblase im Darm, ein Jucken auf der Nasenspitze, ein kurzer Schmerz weil man sich irgendwo angestoßen hat – genauso wie „emotionale“: ein Gefühl kommt selten alleine könnte man sagen; erlauben wir einmal, wirklich zu spüren, was ist, wandelt sich eine Traurigkeit oft in Wut, schwingt zurück zu Schmerz und mischt Angst mit hinein. Und in dieser wilden Mischung aus den drei Haupt-Ingredienzen schwingt dann vielleicht noch die eine oder andere Emotion mit, die einmal mehr und einmal weniger in den Vordergrund schwappt.

Die Wichtigkeit und der große Nutzen davon, wirklich zu spüren was ist, habe ich schon in anderen Blogbeiträgen hervorgehoben – und werde es sicher auch in Zukunft wieder tun. Diesmal möchte ich uns jedoch an die Relevanz unserer Fähigkeit erinnern, frei entscheiden zu können worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Denn – wohin die geht, dorthin geht auch unsere Energie.

Es ist in der derzeitigen Krisensituation für alle schwierig sich nicht irre machen zu lassen und vor lauter Hiobs-Botschaften nicht den Mut zu verlieren, in Resignation zu verfallen oder einfach nur mehr typisch österreichisch vor sich hin zu granteln. Man könnte meinen, die ganze Welt ist in einen „Zustand“ verfallen. Anspannung, wenig atmen, Tunnelblick, Körper kaum mehr spüren und keine Optionen mehr sehen: ein Zustand, den wir alle in der einen oder anderen Variation gut kennen und der uns automatisch „überfällt“, z.B. in Stress-Situationen.

Wenn wir – indem wir uns entscheiden wieder zu atmen, unser Gewicht abzugeben, Anspannung loszulassen – unseren Zustand beenden, können wir auch die Realität wieder klarer wahrnehmen. Und wenngleich diese derzeit nicht unbedingt rosig ausschaut – Tatsache ist, dass wir auch jetzt die Option haben zu entscheiden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit (hauptsächlich) richten. Das heißt – manchen Dinge keine mehr oder weniger Aufmerksamkeit zu schenken, für andere dafür deine Wahrnehmungswilligkeit zu steigern oder sie überhaupt erst als deiner Wahrnehmung würdig zu erkennen. Eine Freundin hat mich sehr damit beeindruckt, dass sie ihr FB-Konto einfach gelöscht hat, um der Berieselung in ihrer „Bubble“ ein Ende zu machen. Sich keine salbungsvollen Politiker-Sermone mehr anzuhören oder Beteuerungen von jemandem, der sich leider, leider an gar nichts erinnern kann, ist möglicherweise auch eine gute Wahl für die Kategorie: weniger davon/gar nichts mehr. Und mein neues Mantra ist: „I do not engage in unnecessary discussions“ (Danke Bernhard!).

Dir fallen sicher noch andere Aufmerksamkeitsfresser ein, die du beiseitelassen könntest. Damit dir mehr Zeit und Fokus bleibt für anderes oder neues: selbst auf dem Weg in die Arbeit bieten sich da Möglichkeiten: ein kleines Kind, das selbstvergessen mit einem bunten Herbstblatt spielt, eine Krähe, die geschickt eine Nuss knackt, einE PassantIn, die eine schicke Maske trägt, deutlich farbabgestimmt auf die restliche Kleidung. Oder in einem Augenblick der Muße ein ausgezeichnetes Buch lesen, schöne Bilder betrachten, ein gutes Gespräch führen; eine Runde durch den Herbstwald streifen, die Feuchtigkeit in der Luft riechen, das Farbenspiel genießen.

Manchmal braucht es einen kleinen Erinnerungs-Schubs (Danke, Tamara!), um wieder Klarheit darüber zu haben: auch in dieser Zeit der Krise und globalen Unsicherheit bleibt uns die Freiheit zu entscheiden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit vor allem richten, wie wir unsere Energie gebrauchen, wie wir die Welt sehen. Auch wenn es manchmal auswegslos scheint.

Als kleine Unterstützung dabei kannst du folgendes ausprobieren: wähle je eine Sache/Situation/Person oder Handlung der du in den nächsten 4 Wochen keine, weniger, mehr bzw. überhaupt erst Aufmerksamkeit widmen möchtest. Und schau mal, was dann passiert.

Falls du Hands-On-Unterstützung möchtest – egal ob Grinberg oder Massage – wir dürfen trotz der verschärften Maßnahmen weiterhin arbeiten – mit Maske und Co selbstverständlich und allem drum und dran. Grinberg geht auch sehr gut Online, wenn Dir das lieber ist. Ich freue mich auf Dich.

 

 

Kater Carlos, der große Meister des Willens

Kater Carlos, der große Meister des Willens

Was wir von Katzen und anderen Tieren lernen können

Foto: Cora K. Hiebinger

Carlos, der Inbegriff eines Katers und absolutes Alpha-Tier, ist leider ganz unerwartet in seinen besten Jahren gestorben. Ich stelle ihn mir vor, wie er nun im Katzen-Himmel bald in den obersten Katzenrat gewählt wird. Den solcherart war sein Charisma und sein elegantes Geschick, das zu erlangen, was er wollte und was ihm zustand.

Es ist ja bekannt, dass Hunde Besitzer haben, Katzen aber Bedienstete. Und ich hatte die Ehre, eine der Zusatz-Bediensteten von unserem majestätischen „Baron von Ottakring“ zu sein. Diese Karriere begann damit, dass ich bei ihm einzog, während seine Haupt-Bediensteten für eine Woche auf Hochzeitsreise fuhren. Denn Carlos war eine Katze, der man nicht einfach nur das Fressen hinstellen konnte – er schätzte Gesellschaft – oder zumindest die Option, von seinen ausgedehnten Spaziergängen über die Dächer Wiens in eine nicht leere Wohnung zurückzukehren. Ähnlich wie Kinder, die es ja auch mögen, wenn jemand da ist, auch wenn sie sich gerade lieber alleine beschäftigen.

Ich verlegte also meinen Lebensmittelpunkt in die Wohnung von Carlos und sorgte u.a. für pünktliche Essenszeiten. An die er mich auch vehement erinnerte, speziell in der Früh, wo er natürlich nach seinen nächtlichen Ausflügen dringend eine Stärkung benötigte. Am ersten Tag war er noch etwas zurückhaltend und wohl auch andeutungsweise beleidigt ob der mit ihm nicht abgesprochenen Veränderung im Haushalt. Aber am Ende der Woche tat er das, wovor mich seine MitbewohnerInnen gewarnt hatten – er biss mich in die kleine Zehe, um meinen Aufwachprozess zu beschleunigen. Und damit war meine Probezeit beendet und er gestattete mir, jederzeit als Betreuerin einzuspringen, wenn seine Haupt-Menschen verhindert waren.

Carlos verfügte über eine ganze Palette von Aufweck-Methoden. Von eher unsanften, wie das in die Zehen zwicken, bis zärtlich liebevollen einen mit der Pfote sanft anstupsen oder – mein absoluter Lieblingstrick: wachstarren. Er saß dann seinem Menschen auf Augenhöhe gegenüber und schaute einen einfach so lange an, bis man aufwachte. Speziell wenn er einen gnädigerweise (fast) ausschlafen ließ, musste es dann mit dem Frühstück schon eher schnell gehen. Ich gewöhnte mir an, nach dem Aufstehen sofort (und rasch) in eine lange Hose zu springen, nachdem ich einmal zu langsam war und meine Wade das zu spüren bekam.

Umso entspannter waren Samstagnachmittage mit ihm. Kam er auf einen Sprung zu Hause vorbei und entschied sich dann, sich auf einem seiner Lieblingsplätze im Wohnzimmer der Schwerkraft hinzugeben, sackte der ganze Raum um ein paar Anspannungsgrade nach unten. Und war man zu intensiv mit der Arbeit am Computer beschäftigt, sprang er gerne auf den Tisch und setzte sich vor den Bildschirm oder die Tastatur, um einen daran zu erinnern, dass es auch noch andere Dinge im Leben gab als Deadlines und Arbeit und Internet.

Carlos liebte es, gebürstet zu werden – und er hatte auch ein eigenes Aufforderungs-Miauen für die Einforderung dieser Tätigkeit. Man konnte auch ganz großartig mit ihm schmusen wenn er Lust dazu hatte. Sein sonores Schnurren war ganz sicher heilsam für alle Beteiligten und es war immer ganz klar, welche Stellen er gerne wie und wie lange gekrault haben mochte und welche eher nicht. Wie er überhaupt stets sehr klar machte, was er wollte und was nicht. Es galt nur, aufmerksam zu sein, um die Zeichen richtig deuten zu können. Und schon war alles friedlich.

Wenn wir also eines von Carlos, diesem großen Meister des Willens lernen konnten, dann, wie essentiell es ist, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Ich denke, ein erfolgreicher Tag war für ihn, sich genügend Pausen gegönnt zu haben, sich absolut nur dort niederzulassen, wo es ihm gerade gefiel und wo er sich wohlfühlte – und zwar nur so lange, wie die Bedingungen genau so waren, dass dieses Wohlbefinden auch aufrechterhalten werden konnte. Erfolg bedeutete ihm, sich ausgiebig gerekelt und getreckt zu haben, seine Talente als Jäger und seine Sprungkraft trainiert zu haben, die Krallen geschärft, seine Sinne eingesetzt und sich Streicheleinheiten in genau dem Maße geholt zu haben, in dem er sie wollte. Er hat das hehre Ziel erreicht, genau das zu sein, wozu er geboren wurde – ein Kater zu sein und seine Essenz des Alpha-Tiers auszuleben. Er hat seine Strategie, bei genau diesen beiden großartigen Menschen einzuziehen, die er als Jungtier dazu gebracht hatte, ihn bei sich aufzunehmen niemals hinterfragt und ließ auch niemals einen Zweifel daran, dass ihm bewusst war, dass er dabei die absolut richtige und für ihn beste Wahl getroffen hatte. Er war immer authentisch, nie lange nachtragend, brachte uns alle immer wieder zum Lachen und beglückte uns mit seinem Charme und seiner Liebenswürdigkeit.

Es fällt uns ja leider eher nur bei Haustieren leicht, die Tiere Tiere sein und ihre Essenz ausleben zu lassen. Auch eine Kuh liebt ihre Freiheit und macht Bocksprünge vor Freude darüber auf die Weide hinaus zu können; jedes Schwein suhlt sich gerne im Schlamm oder legt sich unter einen Baum, um in Ruhe zu verdauen oder den Schatten zu genießen. Und auch die Bäume wissen um ihre Essenz – keine Buche wird damit hadern, nicht als Fichte oder Ahorn gewachsen zu sein.

Abgesehen von dieser Selbstverständlichkeit, mit dem Tiere – und wohl speziell Katzen – genau das sind, was sie eben sind, und – wenn man sie denn lässt – genau das tun, was sie eben tun wollen – und dass es für unser eigenes Wohlbefinden und Vorankommen als Person hilfreich ist, diese Selbstverständlichkeit immer wieder anzustreben – auch die Art, wie wir mit solch aristokratischen Geschöpfen, wie Carlos eines war, ganz selbstverständlich umgehen kann uns einiges lehren:

Allen KatzenliebhaberInnen ist klar, dass unsere Bereitschaft, die Eigenheiten eines Tieres ganz selbstverständlich zu akzeptieren und uns damit zu arrangieren, oft größer ist als die für unsere Mitmenschen. Finden wir es liebenswert, wenn Kater wie Carlos die Katzenklappe ausschließlich dann verwenden, wenn niemand da ist, der ihm die Türe öffnen kann – so nervt uns so eine kleine Manipulation durch simulierte Hilflosigkeit, wenn sie von einem Menschen kommt. Obgleich es in beiden Fällen ja vielleicht nur der Wunsch nach Aufmerksamkeit ist, und das Bedürfnis, wieder einmal gesehen zu werden, sich der „Anwesenheit“ seines Gegenübers zu versichern.

Und es käme uns nie in den Sinn, ein Tier – und speziell eine Katze – ändern zu wollen. Ganz im Gegenteil, die kleinen Eigenheiten, die seine Persönlichkeit ausmacht, machen es noch liebenswerter. Noch heute erinnere ich mich an den ganz speziellen Blick und das Ohrenspiel unseres Rauhaardackels, wenn sie in der Dämmerung ihr „Revier“ beobachtete. Und der Stimmumfang und die Modulation, zu der Carlos fähig war, um seine Menschen zu erziehen, sucht wohl ihresgleichen.

Brächten wir für die Eigenheiten unserer Partner und PartnerInnen, Geschwister, Kinder und Eltern – und auch für unsere eigenen – genauso viel Toleranz auf wie für die unserer Haustiere, wären unsere Beziehungen vermutlich sehr viel entspannter. Wenn wir uns dann auch noch von Katzen oder anderen Tieren abschauen, wie man sich entspannt, seinen Raum ganz selbstverständlich einnimmt und sich mit niemandem vergleicht – Carlos würde es sicher unter „Erfolg“ verbuchen. Ich werde ihn vermissen, den Baron von Ottakring.

 

Dem Universum eine Chance geben

Dem Universum eine Chance geben

Foto: Cora K. Hiebinger

Die Pandemie und der Lock-Down im Frühling haben uns wohl alle durchgerüttelt und rütteln noch. Die einen standen vor erzwungener Pause und plötzlichem Umsatznull, die anderen konnten sich kaum erwehren vor Arbeit und Multi-Tasking hoch drei. Die Nerven lagen blank und der globale Stresslevel ist verständlicherweise immer noch hoch.

Das Positive, das ich dem Lock-Down abgewinnen konnte, habe ich bereits im Mai-Blog beschrieben. Was es noch war, ist ein kräftiger Tritt, der dafür sorgte mich in Bewegung zu setzten.

Nicht Warten bis alles „perfekt“ passt

Einer der ersten Schritte war mich endlich dazu zu entscheiden meine Praxis aufzugeben. Eine gewisse Unzufriedenheit – aus verschiedensten Gründen – schwebte dort schon lange in der Luft. Der Blick auf den Rattenschwanz an Schritten, die daraus logischerweise resultieren würden, bremste mich jedoch immer wieder ein und so tat ich lange – Nichts. (Würden wir dieses Warten auf den „perfekten“ Zeitpunkt umlegen aufs Kinderkriegen, wären wir als Spezies vermutlich schon ausgestorben).

Es war auch wirklich nicht ganz einfach, alles aufzudröseln, auszudiskutieren, zu organisieren, und zu trennen. Aber es war offensichtlich machbar – und ist mittlerweile fast vollständig vollbracht. Und wenngleich natürlich auch etwas Wehmut mitschwang in diesem Prozess des Abschieds – ich hatte nun insgesamt seit über 10 Jahren den Luxus einer eigenen Praxis und ich liebte meinen Raum in der Mariahilfer Straße – so verspüre ich nun doch Erleichterung. Ein (großes) Projekt weniger auf meinem Tablett.

Das befreiende Gefühl Dinge loszulassen kennt vermutlich jedeR: ausmustern, egal ob nach Marie Kondo’s Vorschlägen (jedes Ding in die Hand nehmen, spüren, ob es einen noch glücklich macht) oder ganz klassisch (alles, was man seit X Jahren nicht verwendet hat, was einem nicht abgegangen ist – kann das Haus verlassen) – nicht nur meine Wohnung atmet spürbar auf, wenn ich die Masse an Dingen, die sich in ihr über die Jahre angesammelt haben, immer weiter reduziere.

Nun hat dieser Tritt, den mir der Beginn der Corona-Krise beschert hat, mich nicht nur zu diesem ersten und schon längst überfälligen Schritt bezüglich meiner Praxis geführt, sondern ein Schritt folgt nun dem nächsten.

Was es braucht ist ein erster Schritt

Das, was nötig war, war der erste Schritt. Und der war lediglich eine Entscheidung zu etwas – ohne noch einen klaren Plan zu haben, wie denn das nun funktionieren soll. Mir war nur klar – ich möchte aus dem Mietvertrag raus. Das war das, was ich wusste. Und wollte. Und seither folgen Schritte – einer nach dem anderen, manchmal auch 2 oder 3 gleichzeitig – sozusagen ein kleiner Hüpfer oder Ausfallschritt. Weil ich habe kein fixes Gerüst mit der vorgegebenen Reihenfolge der Schritte – ich weiß immer noch nur, – ok – das ist es, was ich will. Da möchte ich hin.

Und wie so oft, wenn wir uns endlich zu bewegen beginnen, kommt Bewegung in die Dinge. Obwohl mein Praxisraum ja eigentlich gewollt sehr leer war, fiel bei der Gütertrennung doch ganz schön viel an – und landete vorerst in meiner Wohnung. Und es ist nicht nur erstaunlich, wie viel in 50 m2 hineinpassen (eine Zeit lang konnte ich meine Böden nicht mehr sehen 🙂 ) – und wie rasch dann aber auch alles einen neuen Platz fand – Willhaben und Fragnebenan sei Dank! Und das Schöne ist – wenn man einmal beginnt, Dinge gehen zu lassen und sie durchaus auch zu verschenken (danke Bernhard für die Inspiration!) fällt es ganz schnell sehr leicht loszulassen.

Und je weniger Platz belegt ist, desto mehr dehnt sich dieses „Raum und Flexibilität haben wollen“ auch auf mein restliches Leben aus. Was sich schon abgezeichnet hat mit der Frage, was denn nun eigentlich wesentlich ist, was bleibt oder bleiben soll, – und auch bei der Frage – welche Dinge zu besitzen mich wirklich noch immer erfreut – wird jetzt immer noch konkreter. Weil auch wenn ich mich für Vieles interessiere, der Tag hat nun mal nur 24 Stunden. Also braucht es auch eine Reduktion der Aufgaben, der Projekt-Anzahl, die ich tagtäglich zu jonglieren suche. Weil ich keine Lust mehr habe, meinem Tag hinterher zu hecheln.

Tun um weniger zu tun

Und so ergibt sich ein scheinbares Paradoxon. Indem wir den ersten Schritt setzen, kommen wir ins Tun. Indem wir ins Tun kommen, kommt Bewegung in die Sache. Erlauben wir, nicht genau zu wissen, wie das alles nun gehen soll, ermöglichen wir uns also nun, flexibel zu sein und einfach nur zu wollen, was wir wollen, können sich Lösungen auftun, die wir selbst – würden wir alles bis ins kleinste Detail planen – gar nicht gedacht hätten. Wir geben quasi dem Universum die Chance, uns ein wenig zu helfen.

Und müssen damit weniger tun. Weil ganz vieles einfach passiert oder plötzlich kein Thema mehr ist – sich sozusagen von selbst erledigt. Und je mehr wir uns darauf fokussieren, was wir wirklich wollen und klar in der Realität sind, desto mehr wird auch klar, was realistisch gesehen möglich ist – also in unsere Tage passt – oder eben eher hineingequetscht werden muss – und damit unserem Wollen eigentlich nicht entspricht.

Und so haben wir im Endeffekt weniger „zu tun“. Und mehr Raum dafür, was uns wichtig ist, was wir wollen.

Raum haben für das, was du willst

Ich kann jetzt nicht behaupten, dass ich schon dort wäre, wo ich sein möchte. Auch meine Wohnung ist noch nicht dort, wo sie sein möchte :-). Aber mein Fokus ist mir sehr klar. Arbeitstechnisch ist das, mit Menschen zu arbeiten, die etwas lernen wollen und bereit sind, den Prozess der nachhaltigen Veränderung auf sich zu nehmen. Erstens, Menschen dabei zu unterstützen, ihr Wollen wieder zu finden und mehr und mehr zu der oder dem zu werden, der oder die sie sind. Zweitens, Menschen dabei zu unterstützen, ihre körperlichen Beschwerden oder Schmerzzustände positiv zu verändern und ihr Wohlbefinden wiederzuerlangen. Und mich weiter fortzubilden, um immer wieder noch passendere Werkzeuge zu haben, um diese Unterstützung bestmöglich gewährleisten zu können.

Wenn du Hilfestellung bei einem solchen Projekt möchtest ruf mich an und wir besprechen, wie ich dich dabei unterstützen kann.

 

 

 

Über Konflikte.

Über Konflikte.

Foto: Cora K. Hiebinger

Und die Fähigkeit, sie entspannt aus zu -halten und zu -tragen

Konflikte treten in jeder Art von Beziehung früher oder später auf. Dabei kann es um Kleinigkeiten gehen: X liebt Urlaub in den Bergen, Y fährt lieber an einen See; A braucht viel Zeit für sich, B möchte ganz viel gemeinsam unternehmen; beide Beteiligte, S und T haben das Gefühl, mehr Zeit, Nerven, Geld in das gemeinsame Projekt Partnerschaft, Familie, oder Business zu investieren und sind irritiert oder verärgert ob der wahrgenommenen Schieflage.

Sobald man sich einmal entschieden hat, dass die Beziehung es uns wert ist, trotz unterschiedlicher Bedürfnisse und Wünsche weiterhin gemeinsam gestaltet zu werden geht es dann erst mal ans Kompromisse machen. Vielleicht wechselt man sich mit den Urlaubsorten ab – oder – wenn X es ganz und gar nicht am Wasser aushält, dann fährt Y vielleicht mit FreundInnen an den See, und X geht mit anderen auf den Berg. Oder man findet eine Zwischenlösung und inspiriert sich gegenseitig mit der Begeisterung für die jeweilige Landschaft.

Klare Rechnung – Klare Freundschaft

Ich glaube nicht, dass es nötig ist, jeden Cent ganz genau gegenzurechnen. Aber immer wieder einmal eine klare „Rechnung“, sprich, eine realistische Betrachtung und Gegenüberstellung von Investitionen – egal ob es nun um materielle Dinge, Geld, Zeit, oder sonstiges geht – bringt ganz einfach Klarheit und nimmt vielen Konflikten den Wind aus den Segeln. Und vielleicht ist dann die wahrgenommene „Schieflage“ gar nicht so schief, wie eine der Beteiligten dachte. Oder der anderen Person wird klar, dass da wirklich einiges unausgewogen abläuft – und versteht die Irritation ihres Gegenübers besser.

Ich bin immer wieder erstaunt in wie vielen Partnerschaften die Arbeit noch ganz „klassisch“ altmodisch in Hausarbeit (Kochen, Abwaschen, Putzen, Bügeln, Einkaufen, ….) und Instandhaltungsarbeiten aufgeteilt ist. Wobei sich bei einem mir bekanntem Paar der handwerklich wirklich ausgesprochen geschickt und motivierte Instandhalter zunächst in seiner Zurückhaltung, bei der Hausarbeit Hand anzulegen, gerechtfertigt sah. Er repariere ja wirklich alles was kaputt werde widerspruchslos und ohne lange dazu aufgefordert werden zu müssen, da fände er es dann schon ok, sich das Essen servieren zu lassen. Nur – einkaufen, putzen, bügeln und dann täglich kochen, auftischen, abräumen, abwaschen, abtrocknen, wegräumen läppert sich zeitmäßig ganz schön zusammen – und übersteigt recht schnell den Zeitaufwand selbst für eine umfangreiche Reparatur, die ja nicht täglich, sondern vielleicht eher alle 2 – 3 Monate anfällt.

Was ist die Aussage?

Abgesehen von so einer Gegenüberstellung dessen, was beide in die Beziehung einbringen ist auch die Sprache ein ganz wundersames Ding. Sagt A: „DAS finde ich nicht so toll.“ B hört „toll findet er es nicht, aber es ist eine Option, er ist bereit es mal zu versuchen.“ – und macht genau DAS. A meinte jedoch, „ich finde es nicht so toll“, soll heißen, „ich will es nicht“. Und ist sauer, weil B nicht zuhört, sich über A’s Wünsche hinwegsetzt, etc.

Gerade in Konfliktsituationen schwingt oft ganz viel von der eigenen Sichtweise oder den eigenen Befürchtungen darin mit, wie wir die Aussage unseres Gegenübers verstehen und als Wahrheit abspeichern. Ich glaube, manchmal tragen solche Assoziationen und Interpretationen des Gegenübers maßgeblich zur Ausweitung eines Konflikts bei.

Passiert das, ist es hilfreich, wenn wir nicht noch Öl ins Feuer gießen (indem A vielleicht B beschimpft und für verrückt erklärt, weil B alles so „völlig falsch“ verstanden hat) sondern uns entspannen (z.B. wieder mal tief durchatmen 🙂 ) und uns an unsere Intention erinnern – wollen wir eine Lösung? Oder wollen wir recht haben?

Um zu verstehen, wie sehr wir alle oft aneinander vorbeireden, erinnere ich mich immer wieder mal an irgendeine Familiensituation meiner Kindheit – und die völlig unterschiedlichen Geschichten, die meine Geschwister, meine Mutter, und ich darüber erzählen, was damals abgelaufen ist. Da kann schon der Verdacht aufkommen, dass wir gar nicht gemeinsam aufgewachsen sind!

Konflikte Aus-Halten und Verantwortung

Ich erlebe immer wieder, dass Menschen etwas als „streiten“ bezeichnen, was eigentlich nichts anderes ist, als das zwei eine unterschiedliche Meinung zu etwas haben, oder etwas Unterschiedliches wollen.

Und da sind wir gleich bei der Verantwortung – es ist meine Aufgabe klar zu sagen, was ich will – oder eben nicht will. Weil Tatsache ist – je öfter ich meinen Mund halte und tue, was mein Gegenüber will oder von mir erwartet (sprich, ich bin jedes Jahr am See und verzichte auf meine Berge), desto mehr wird das möglicherweise zur Selbstverständlichkeit in unserer Beziehung und irgendwann ist der Berg gar keine Option mehr. Und gleichzeitig bin ich vielleicht jedes Mal ein bisschen gekränkt, dass mein Wunsch nach Berg keine Beachtung findet – bis mir der Kragen platzt und meinem Partner/meiner Partnerin den Groll vor die Füße spucke, über die maßlose Ungerechtigkeit der Urlaubsortauswahl der letzten Dekade. Zu sagen, was Sache ist, was Du willst, nicht willst, Gerechtigkeit im Zeitmanagement und bei anderen Investitionen einzufordern – erfordert nicht nur Klarheit, sondern auch ein gewisses Ausmaß an Mut. Gerade für harmoniebedürftige Menschen ist das manchmal eine relativ große Herausforderung.

Aber auf die Dauer sorgt das wohl mit dafür, dass Beziehungen „gesund“ und sauber bleiben – und ein Leben lang halten.

Den eigenen Konflikt-Zustand erforschen, um ihn beenden zu können

Wenn du nächstes Mal eine Konfliktsituation erlebst, achte einmal darauf, wie du bist, was du machst:

  • Wie atmest du? Postmoderner Minimalismus oder tief und langsam?
  • Was machst du mit deinen Schultern? Ziehst du sie hoch, vor, zurück oder sind sie entspannt?
  • Wie fühlt sich dein Bauch an? Spürst du ihn überhaupt? Ist er fest wie ein Trampolin oder weich und nachgiebig?
  • Wie ist dein Kiefer? Presst du die Zähne aufeinander?
  • Wie denkst du? Hast du Raum für neue Ideen im Kopf oder wiederholt sich dein Verstand in immer wiederkehrenden Sätzen?
  • Wie ist deine Stimmung? Fühlst du dich klar und selbstbewusst, auf Augenhöhe mit deinem Gegenüber – oder fühlst du dich unterlegen und hast das Bedürfnis, die andere Person zu dir „runter“-zu holen?

Wenn du wenig Entspannung an Dir spürst, kreierst du wohl gerade deinen ganz persönlichen „Konflikt-Zustand“ – was heißt, dass du weniger gut wahrnehmen kannst, was dein Gegenüber gerade meint, weniger klar bist, was du selber willst und wie du das rüberbringen kannst, und vielleicht auch daran zweifelst, etwas anderes als dein Gegenüber wollen zu dürfen. Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch deinE KonfliktpartnerIn auf deinen Zustand mit ihrem/seinem persönlichen Konflikt-Zustand reagiert – und schon ist der Pallawatsch perfekt.

Wenn du Unterstützung dabei möchtest, klarer zu spüren und zu sagen, was du willst und damit auch besser mit Konflikten umgehen möchtest – ruf mich an und wir machen einen Termin für eine Sitzung aus.

 

Bequem und sicher gegen die Wand

Bequem und sicher gegen die Wand

Foto: Cora K. Hiebinger

Dieses Jahr sind sich leider nur 5 Tage ausgegangen. Aber immerhin konnte die Tradition Attersee aufrechterhalten werden. Abgesehen davon, dass dieser See etwas Magisches hat, die Gegend einfach wunderschön ist und alles bietet, was das Herz begehrt – kristallklares Wasser, gut zu bewandernde Berge und Wälder, und – in den Tagen kurz vor dem Beginn der Schulferien – eine gemächliche Stille, in der selbst der Weg zum nächsten ADEG zur tagesfüllende Aktivität wird – hilft mir der jährlichen Aufenthalt dort, mein Seelenheil zu erhalten. Weil der See einfach immer der See ist. Weil die uralte Linde, unter der Mahler wohl einige seiner Symphonien geschrieben hat, jedes Jahr wieder in voller Pracht am Ufer steht und einfach Baum ist – und das Höllengebirge dahinter abends in rosa Licht erstrahlt. Weil wir jedes Jahr den selben Dauercampern zunicken und ein paar Worte über den Zustand des Sees wechseln („Heute ist er wieder prachtvoll.“); weil sich ein Jahr ins nächste fügt. Man rollt aus dem Zelt und der erste Weg ist ins Wasser. Oft benötigt es dann eine heiße Dusche, weil der See noch unter 20 Grad hat. Frühstück mit Blick auf den See, allenfalls fordert die einäugige Katze ihre Streicheleinheiten ein, und das Schwanenpaar kommt für die Morgentoilette vorbei. Planung des Tages – wohin paddeln wir? Paddeln wir? Wollen wir morgen auf den Berg? Oder eher chillen?

Die Dinge, die sich in den letzten Jahren geändert haben sind wenige – ich brauche mittlerweile eine „Prinzessinnen-Matte“, damit ich in der Früh auch wirklich aus dem Zelt komme. Und es gibt einen neuen Campingkocher, der einwandfrei funktioniert – und der uns daran denken lässt, nächstes Jahr vom Löskaffee auf italienischen Espresso up zu graden. Und die Wettervorhersagen waren heuer absolut nicht verlässlich. Angeblich ist die Luft aufgrund des stark reduzierten Flugverkehrs so viel besser, dass die Berechnungen nicht mehr stimmen.

Diese Beständigkeit, dieses „mehr desselben“ hat etwas sehr Beruhigendes, Sicherheit gebendes. Denn selbst wenn der Attersee viele Gesichter hat und sich die Wetter- und Wasserlage rasch radikal ändern kann, so ist doch der Steg, auf den wir vom Ufer blicken, immer derselbe, und auch die beiden Segelboote, die an den Bojen davor verankert sind, sind stets im Blickfeld – und somit auf jedem der zahlreichen Fotos, die wir immer wieder machen weil er halt einfach so schön ist, der See.

Ich verstehe also diesen Sog des Bekannten, das Bestreben, dass alles in einem gewissen Rahmen so wie immer abläuft – und ich gebe mich ihm auch willig hin. Und ich bin Claudia, der Freundin, mit der diese Art von Urlaub möglich ist, ewig dankbar dafür, dass sie mir das Faltboot und Paddeln nähergebracht und gezeigt hat, dass das Reisen mit Camping-Ausrüstung und Boot auch ohne Auto durchaus möglich ist. Vor einigen Jahren hätte ich mir wohl noch gedacht, dass sich der Aufwand für 5 Tage nicht auszahlt: Leiter aus dem Keller holen, jemanden organisieren, der mir beim runterheben der Boot-Packtaschen hilft, Taxi bestellen, in 3 – 4 Gängen das ganze Gepäck nach unten schleppen, am Bahnhof zitzerlweise die Gepäckstücke zum Zug tragen…… Und da das Wetter im Salzkammergut oft recht unbeständig ist, haben wir auch schon Hauben und Fäustlinge gebraucht im Juli – oder unsere Sachen in der Sauna getrocknet, wo wir auch uns selbst wieder aufgewärmt haben. (Gott sei Dank bietet die ebenfalls Blick auf den See. 🙂 ) Heuer mussten wir die Zelte umstellen, weil die Regengüsse auf dem leicht abschüssigen Wiesenstück den Boden durchnässt haben. Aber nachdem die Sonne, wenn sie denn da war, alles schnell wieder trocknete, war auch das bald erledigt.

Diese Tage am See sind eine jährliche Übung darin, das zu tun, was gerade zu tun ist. Es gibt kein Rumzicken und Klagen, das Wetter ist, wie es ist (es hat auch noch nie dauergeregnet), wenn es uns am Abend nicht freut zu kochen, dann ist das auch ok – es gibt schließlich auch ein wirklich gutes Restaurant vor Ort, und als ich letztes Jahr so erschöpft war, dass ich die ersten drei Urlaubstage zu gar nichts fähig war, haben wir zunächst nur gelesen.

Bequem und „sicher“ gegen die Wand

So sehr Beständigkeit und Nicht-Veränderung auch mir das Gefühl von Sicherheit geben, so sehr finde ich es beängstigend, wie sehr alle an ihrer Bequemlichkeit hängen, wie sehr uns vorgegaukelt wird, es gäbe ein Zurück zu einer unveränderten „Normalität“, wie leicht es uns fällt, so zu tun, als ob es keiner (gravierenden) Veränderung bedürfe. Das Bild des Frosches kommt mir in den Sinn, der sich langsam sieden lässt, wenn nur die Temperatur ganz allmählich höhergeschraubt wird, so dass er sich zu lange in Sicherheit wiegt und keine Notwendigkeit sieht, sein wärmer werdendes Aquarium mit einem Sprung schleunigst zu verlassen.

Weil der Mund-Nasen-Schutz als lästig und unangenehm empfunden wird, entbrannte kürzlich in der Praxis eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Maskentragens. Als würden die Infos dazu bewusst falsch interpretiert, um sich selbst darin zu bestätigen, dass es sowieso nichts bringe. Der Mund-Nasen-Schutz schützt nicht die TrägerIn, sondern deren Gegenüber. D.h. wenn in einer Situation, in dem der Abstand nicht einhaltbar ist, beide Beteiligten einen MNS tragen, ist das Risiko reduziert, jemanden anzustecken. Und das ist sehr wohl erwiesen und deshalb sieht man z.B. ChirurgInnen und Pflegepersonal im OP schon immer mit MSN. Selbstverständlich würde auch ich gern so wie früher ohne Maske, ohne Visier arbeiten. Besonders, wenn sich noch eine Hitzewallung dazugesellt :-).  Aber ich gebe mich ehrlichgesagt keinen Illusionen hin. Die Masken werden – zumindest im Dienstleistungsbereich – bleiben.

Wenn Vielen schon diese „Unbequemlichkeit“ des Maskentragens zu viel ist, ist es natürlich nicht verwunderlich, dass es zu jeder Maßnahme, die dazu beitragen könnte, die Klimakrise noch irgendwie in den Griff zu bekommen einen Aufschrei der Entrüstung gibt. Neulich argumentierte eine Frau, die gegen das Autoverbot im ersten Bezirk aufbegehrte damit, dass es bei unserem Klima derzeit viel zu heiß sei, mit dem Fahrrad vom 19. in den ersten zu fahren.

Beständigkeit und alles so lassen wie immer gibt ein Gefühl der Sicherheit. Das stimmt. JedeR, der schon Sitzungen gehabt hat oder in einem anderen Kontext daran gearbeitet hat sich zu verändern und weiterzuentwickeln kennt die Warnungen des Systems/des Verstandes, nur ja nichts zu verändern – „wer weiß was dann passiert“, „all hell will break lose“, „es ist zwar vielleicht nicht super, wie es ist, aber wenigstens kennen wir es – nichts Besseres kommt nach“.

Veränderung ist unbequem. Auch das stimmt. Veränderung verlangt von uns, unsere Komfortzone zu verlassen. Was natürlich Angst macht. Wenn wir jedoch die Augen nicht verschließen vor den Konsequenzen, die Untätigkeit bzw. Weitertun wie bisher nach sich ziehen, dann ist möglicherweise die Unbequemlichkeit, die durch die Veränderung entsteht, gar nicht so schlimm. In Bezug auf die Klimakrise ist es ganz sicher weniger „unbequem“, jetzt auf etwas „Gemütlichkeit“ zu verzichten, als bald wie der Frosch im „plötzlich“ kochenden Wasser zu sitzen. Dann werden wir uns sehnsüchtig daran erinnern, als nur eine „Anschobaschiatsn“ zu tragen von uns gefordert wurde.

Wenn es dir langsam zu warm wird und du die Zeit für Veränderung gekommen siehst, melde dich bei mir. Im Juli 2020 erhältst du deine erste Sitzung gegen Bequemlichkeit zum reduzierten Preis.

Ein weiterer Blog-Artikel zum Thema Bequemlichkeit findest du hier: Plädoyer gegen die Bequemlichkeit

 

 

Ein Nein als Motivator

Ein Nein als Motivator

Foto: V.H.

Ich höre immer wieder von FreundInnen und Bekannten, dass ich „ja so diszipliniert sei“ und es daher leichter hätte, z.B. damit, auf meine Gesundheit zu achten; d.h. mir genügend Zeit zu schlafen zu nehmen, regelmäßig Sport zu betreiben, kaum Zucker zu mir zu nehmen, Lebensmittel, die ich nicht vertrage aus meinem Speiseplan zu streichen. Ich muss zugeben, dass ich das weniger als Kompliment sehe, denn als Geringschätzung meiner Bemühungen. Denn es ist durchaus nicht so, dass mir die Disziplin in die Wiege gelegt wurde und ich sozusagen mit dem goldenen Disziplin-Gen geboren worden bin. Disziplin trainiert sich genauso wie Muskeln, je öfter du sie anwendest, je öfter du dich an deine Intention erinnerst und weitermachst, auch wenn es gerade nicht so toll ist, desto kräftiger wird sie und desto besser wird sie beim nächsten Mal anspringen wenn es darum geht, ein klares Nein z.B. zur Topfengolatsche oder zum Nussbeugerl zu sagen – oder ein klares Ja zum (wenngleich kurzen) Sportprogramm.

Ich finde es auch nicht super toll, dass ich speziell eine Kombination von Fett-Zucker-Gluten wirklich ganz schlecht vertrage – sprich Kuchen, Torten, Eisbecher mit Schlag, Kekse, Knödel, frisches Weiß- (oder Schwarz-) Brot mit Butter und Honig, Palatschinken, und was es sonst noch an Köstlichkeiten gibt. Aber – als ich speziell seit dem Wechsel, in dem ich schleichend mehr oder weniger kontinuierlich zugenommen habe und mein System immer empfindlicher auf diverse Ausrutscher reagierte, habe ich beschlossen, dass ich keine Lust habe, immer dicker zu werden, ständig unausgeschlafen zu sein und dauernd irgendwelches Bauchgrimmen zu spüren. Das ich also dem langläufigen Urteil entgegentrete, dass das eben so sei – man wird halt alt, und man wird halt dick und die senile Bettflucht trifft dich halt und der Bauch ist eben aufgebläht.

Wenn Dinge so als gegeben hingestellt werden – das ist eben so, da kann man nichts machen, damit muss man leben – hat mich schon als Kind herausgefordert und meinen Widerstand geweckt. Wieso darf ich etwas nicht tun, nur weil ich ein Mädchen bin? Wieso soll ich irgendetwas nicht mehr beginnen, nur weil ich jetzt schon „zu alt“ bin?

Als ich mir in Vorbereitung auf einen geplanten New York-Aufenthalt bei einem Selbstverteidigungskurs das Kreuzband riss, stürzte für mich eine Welt zusammen. Ich wollte nach Abschluss meines Biologie-Studiums mit einer Freundin nach New York gehen, um zu tanzen. Jetzt saß ich mit einem von oben bis unten eingegipsten Bein zu Hause, konnte nicht trainieren und sah meine Felle davonschwimmen. Rundherum atmeten alle, denen mein Plan Sorge bereitet hatte auf. Jetzt würde ich diese wahnsinnige Idee ja wohl aufgeben, in diese „gefährliche“ Stadt aufzubrechen um dort einen Traum zu verwirklichen der nichts anderes war als das – ein Traum.

Nach einem halben Jahr Physiotherapie auf Biegen und Brechen, bei der mir oft schlecht wurde vor Schmerzen wurde ich ein zweites Mal am Knie operiert. Zu viel Narbengewebe hatte sich gebildet und verhinderte eine Beugung von mehr als 90 Grad – damit konnte ich kaum die Stiegen raufgehen, geschweige denn ans Tanzen denken. Ich lag eine Woche lang im Krankenhaus auf dem Rücken, mein linkes Bein auf einer Schiene, die mein Knie unablässig beugte und streckte, beugte und streckte. Dann kam eines Tages ein Arzt zur Visite, der mich nach meinem Beruf und meinen Plänen fragte. Und der lachte, als ich ihm sagte, ich wollte als Tänzerin nach New York gehen. Seine Reaktion hat mich gekränkt und erniedrigt, klar. Aber sie hat mich auch wirklich wütend gemacht. Dieser Mann kannte mich überhaupt nicht, sah mich zum ersten Mal, und lachte meinen sehnlichsten Wunsch einfach weg.

Als mein Bein nach einer anfänglichen Verbesserung weiterhin Probleme machte, war ich sehr verzagt und stand kurz davor, meinen Traum aufzugeben. Doch dann überlegte ich mir wie schon so oft bei anderen Dingen, was ich mit 80 über meine Entscheidung sagen würde. (Das hat mir sehr geholfen, mein Studium abzuschließen, obwohl ich zum Schluss schon wirklich keine Lust mehr hatte und mir alles zu viel war – aber ich dachte, ich halte die Reaktion meiner Mutter nicht aus, wenn ich so kurz vor ihrem erklärten Ziel, dass ihre Kinder einmal als AkademikerInnen ein „besseres“ Leben haben sollten die Flinte ins Korn warf). Also entschied ich mich, meine Magistra doch noch zu holen, und ich entschied mich, dem Big Apple zumindest ein Jahr zu geben. Wenn das Knie dann die Strapazen des Tanzens nicht mitmachte, hatte ich es zumindest versucht – und bräuchte mich später im Alter nicht grämen.

Es gibt noch einige Begebenheiten in meinem Leben, in denen mich mein Nein zu einer Ungerechtigkeit, mein „Sicher-Nicht“ gegenüber einer Anmaßung motiviert und weitergebracht hat.

Ein klares Nein

Ein klares Nein gegen etwas ist genauso hilfreich wie ein klares Ja für etwas. Der Vorteil des klaren Nein ist der, dass du noch gar nicht genau und präzise wissen musst, was es denn ist, was du nun wirklich willst – solange du spürst – das, was dir da gerade vorgesetzt wird, ist es sicher nicht. So ein Nein beinhaltet die absolute Weigerung, dass jemand anderer über dich und dein Leben bestimmen darf oder kann. Es ist auch stärker als jedes Jammern, Matschgern und Schimpfen im Kopf oder dich bei anderen darüber aufregen. Denn solange wir Jammern nehmen wir ja immer noch das, was wir nicht wollen, als gegeben hin – es haftet uns noch an. Wenn Du aber dein klares Nein spürst, einfach jede Zelle deines Körpers weiß, dass das, was dir da vorgeschlagen wird, für dich nicht passt, dann kommt es plötzlich zu einer Klarheit darüber, dass das auch wirklich nicht geht für dich, dass du da einfach nicht mitmachst. Unter dem Motto: „Not my circus, not my monkeys“ – oder – „All drama must remain on stage“- oder „Danke, aber ohne mich“.

Wie kommst du zu deinem Nein?

Zunächst geht es wie immer darum, dass du bemerkst, wie du reagierst, wenn etwas passiert, was du nicht willst oder du befürchtest, dass jemand (wieder) etwas macht, was dir nicht passt. Hörst du zu atmen auf? Spannst du den Bauch, den Nacken, das Kiefer an? Wie schaust du? Wird dein Denken eng und eindimensional?

Dann entscheidest du dich dafür, diesen automatischen Zustand wieder loszulassen. D.h. du beginnst bewusst, wieder tief durch zu atmen. Du entspannst dich so gut es geht. Du erlaubst dir nicht, dich von den Gedanken oder dem Jammern mitreißen zu lassen. Du hörst dir quasi selbst nicht zu und bringst stattdessen deine Aufmerksamkeit immer wieder in den Körper, spürst den Boden unter den Füßen, den Untergrund, auf dem du sitzt oder liegst, gibst dein Gewicht ab.

Möglicherweise spürst du dann Angst (davor, dem, was du nicht willst wirklich entgegenzutreten) oder Wut (dass da überhaupt jemand etwas gegen deinen Willen durchsetzen will) oder Schmerz (dass da jemand deine Grenzen nicht respektiert).

Und wenn das alles Platz bekommen hat, was in der Realität auch wirklich da ist, dann kann dein Nein Raum greifen. Dann kann sich die Klarheit darüber, was für dich nicht passt, nicht geht, deiner Integrität widerspricht, in deinem ganzen Körper ausbreiten und für alle rund um dich ebenfalls spürbar werden. Und oft musst du dann gar nichts mehr sagen oder tun, viele Leute bemerken dann von selbst, dass es für dich bis hierher – und nicht weiter – heißt. Die 5. Überstunde machst du noch, doch dann ist Schluss. Diese Distanzlosigkeit sprichst du nur an, das nächste Mal gibt es Konsequenzen. Diesmal gleichst du die laissez-faire Art deines Kollegen noch aus, nächstes Mal lässt du ihn anrennen.

Und je klarer du dein Nein in deinem Körper hast, desto leichter wird es auch mit dem Ja. Falls du dir Unterstützung dabei wünscht, dein Nein zu finden, ruf mich an, und wir machen uns einen Ersttermin aus. Bis Ende Juni gilt der Nach-Corona-Bonus: die Erstsitzung (Online oder Live) um nur € 60.-.

Frühere Blogbeiträge zu ähnlichen Themen findest du hier:

Ja, Und

Was willst du eigentlich?

Mensch ärgere dich (nicht).

 

 

Was bleibt.

Was bleibt.

Foto: Cora K. Hiebinger

Ich muss zugeben, dass ich etwas überrascht war, als die Ankündigung kam, dass mit 1. Mai alle DienstleisterInnen wieder arbeiten dürfen. Mit Sicherheitsvorkehrungen, klar, aber doch. Und ich denke, wir freuen uns alle, dass wieder etwas „Normalität“ in unseren Alltag einkehrt. Gleichzeitig erschreckt mich die Vorstellung, dass wir alle dort weitermachen, wo wir vor 7 Wochen eingebremst wurden, zutiefst.

Eine positive Seite des Lock-downs

Eine der positiven Seiten des Lock-downs war für mich, dass ich mir täglich Zeit für einen Spaziergang genommen habe. Das ist etwas, was ich mir seit Jahren gewünscht, wovon ich immer wieder gesprochen habe. Etwas, das ich nicht geschafft habe, regelmäßig in meinen Alltag einzubauen. Seit 6 Wochen gehe ich täglich. Eines der ersten Dinge, die mir auffielen war, dass die Sicht über den Wienerwald viel klarer war. Von der Scheune auf den Steinhof-Gründen sieht man derzeit gefühlt bis ins Salzkammergut. Vom Paulinensteig sieht man jede Dachschindel und über die Dächer von Wien bis weit auf den gegenüberliegenden Stadtrand. Jedes Mal, wenn ich mit dem Fahrrad hinauffahren, bin ich wieder völlig fasziniert von dieser klaren Sicht und der Weite die sich aufgetan hat. Keine Kondensstreifen, kein Flugzeuglärm. Nur blauer Himmel und ein paar Wolken.

Da ich wirklich täglich eine Runde ging, bekam ich auch mal wieder den Frühling mit. Nicht wie sonst – ah, die ersten zarten Spitzen – und beim nächsten Mal liegen die Blütenblätter schon wieder auf dem Boden; sondern wie in dem alten Dokumentarfilm „Die Wüste lebt“ der mit Zeitraffer die Geschehnisse nach einem Regen filmte; der Frühling brachte täglich mehr Knospen zum Bersten, die Blätter begannen zu sprießen, jedes Stadium war detailliert zu beobachten. Und unter so einem erblühten Baum summte es, dass man das Bienensterben glatt vergessen konnte. Selbst mitten im Achten sehe ich dieser Tage Bienen und Hummeln vorbeifliegen, in der Früh weckt mich Vogelgezwitscher und süßer Blütenduft weht durch die Gassen. Also zumindest bis gestern war das so.

Jetzt sind bereits wieder mehr Autos unterwegs, und die Freundlichkeit im Straßenverkehr ist im Abnehmen begriffen.

Es gibt ja diese Theorie, dass ein Unfall, eine Krankheit, eine Krise immer auch ein Weckruf ist – oder sein kann. Du stolperst und verknackst dir den Knöchel. Du machst weiter wie bisher. Du stürzt und holst dir eine sehr schmerzhafte Steißbeinprellung. Du bist eine Zeit lang ruhig-gestellt, machst dann aber weiter wie bisher. Dann rutscht du aus und holst dir einen komplizierten Beinbruch, der dich für Wochen lahmlegt. Wieso sollte es global gesehen anders sein? Und ich denke, die Corona-Pandemie war jetzt trotz allem erst der verletzte Knöchel.

Was möchten wir, das bleibt?

Die Frage stellt sich – was möchten wir, das bleibt? Die Hilfsbereitschaft gegenüber älteren NachbarInnen, die man vorher höchstens einmal gegrüßt hat? Die Wertschätzung gegenüber VerkäuferInnen, die unermüdlich WC-Papier über den Scanner zogen? Die Rücksichtnahme von AutofahrerInnen, die Verständnis dafür zeigten, dass FußgängerInnen zeitweise auf die Fahrbahn ausweichen mussten? Und wie wichtig ist es uns, dass Blütenduft auch in der Stadt zu riechen ist und nicht ganz selbstverständlich von Autoabgasen überdeckt wird? Dass man Vögel tirilieren hört, die sich nicht mehr gegen Straßenlärm durchsetzen müssen, sondern ihrer Kreativität freien Lauf lassen? Dass die Luft klar und sauber ist?

Was wirklich wichtig ist

In den letzten Wochen ist mir wieder einmal sehr klar geworden, was ich zum Leben brauche. Ohne die Möglichkeit, mich in der freien Natur zu bewegen wäre mein Blickwinkel von den Steinhof-Gründen wohl ein anderer geworden, der Biophilia-Effekt par excellence. Ich habe mir vorgenommen, mir weiterhin regelmäßig den Genuss von Natur zu gönnen und auch die täglichen Spaziergänge weiterhin zu praktizieren. Und auch fünf Mal die Woche trainieren fühlt sich sehr gut an – durch das Online-Pilates unterrichten bin ich so fit wie schon lange nicht. Und das, was mir am meisten abgegangen ist, ist wirklich der soziale Kontakt mit und das Berühren von Menschen. Allen KlientInnen, die in den letzten Wochen online mit mir gearbeitet haben, sei es Pilates oder Sitzungen, und allen FreundInnen, die abstandhaltend mit mir spazieren gegangen sind, sei Dank – ihr ward jedes Mal das Highlight des Tages, ihr habt Euren Beitrag zu meiner geistigen Gesundheit geleistet. Und meine Freude darüber, jetzt endlich auch wieder in echt arbeiten zu dürfen, Muskeln und Haut unter meinen Händen spüren zu können, ist unbändig.

Was möchtest Du, das bleibt?

Was ist Dir in den letzten Wochen aufgefallen, von dem Du Dir wünscht, dass es bleibt? Welche neuen Routinen hast Du entwickelt, die Du beibehalten möchtest? Was ist Dir wirklich abgegangen während des Lock-downs, was war leicht zu verkraften nicht zu haben oder nicht tun zu können?

Ich denke, wenn wir uns diese Fragen stellen, dann können wir der „positiven Reinigungskraft“, die Nationalbankchef Holzmann im März so poetisch für die Wirtschaft erwartet hat einen ganz neuen Spin geben – nun wirklich positiv. Dinge, die wir als überflüssig erkannt haben herschenken, weggeben, loslassen; Dinge, die wir als essentiell für unser Glück erkannt haben, stärken, üben, in unseren Alltag integrieren. Entscheiden, was bleibt.

 

 

Wissen und Nicht-Wissen

Wissen und Nicht-Wissen

Foto: Cora K. Hiebinger

Vor 3 Wochen hat die Regierung der Nation einen Shut-down verordnet, der uns Schritt für Schritt in eine neue Normalität geführt hat: Corona-Hotlines, Mundschutzmasken, Ausgangsbeschränkungen. Wie so oft in Krisenzeiten werden wir tagtäglich mit Daten, Fakten, Meinungen, und auch Verschwörungstheorien bombardiert. Die Tatsache, dass SARS CoV-2 ein neues Virus ist, und daher ganz einfach noch sehr wenig darüber bekannt ist; dass die Fallzahlen möglicherweise um eine Vielfaches höher sind als die Anzahl offiziell positiv Getesteter; dass es offensichtlich mehrere Kriterien gibt, die darüber entscheiden, ob jemand mit schwerem Verlauf letztendlich überlebt oder nicht; es gibt Vieles, was wir noch nicht wissen (können).

Schrödinger’s Katze

Auch darüber, ob die Strategie, die Österreich verfolgt die richtige ist (was derzeit durch die Verlangsamung der Neuinfektionen und die vergleichsweise niedrige Todesrate unterstützt wird), oder doch falsch, weil wir die Mortalitätssteigerung nur in die Zukunft verschieben (weil in einer durch den Shut-down heraufbeschworenen Wirtschaftskrise auch das Gesundheitssystem Schaden nehmen und es dann überhaupt den Menschen schlechter gehen wird) – wir wissen es (noch) nicht. Und vielleicht kann man auch nicht von „richtig“ und „falsch“ sprechen, weil die Problematik so komplex ist, dass es ganz sicher kein klares Schwarz-Weiß-Thema ist. Und weil wir, wie immer bei Entscheidungen, im Befolgen der Entscheidung bereits die Richtung der weiteren Entwicklung vorgeben; Schrödinger’s Katze ist immer mit dabei.

Nicht-Wissen macht uns Angst

Ich denke, dieses Nicht-Wissen ist immer schon eine der größten Herausforderungen für uns Menschen. Das erklärt auch die zahlreichen Bemühungen Vieler, sich und andere davon zu überzeugen, dass „ihre“ ExpertInnen die Wahrheit sprechen und die der „anderen“ Seite völlig falsch liegen. Oder Leute werden gleich selbst zu ExpertInnen und stellen ihre Meinung als unumstößliche Fakten dar.

Die neuen Experten und Expertinnen

Aber auch in kleinerem Umfeld wissen plötzlich ganz viele, wie speziell Du etwas besser machen könntest. Da weiß auf einmal ein EPU, dass alle EPU’s, die „ordentlich“ arbeiten, auf jeden Fall für mindestens 6 Monate Rücklagen haben müssten und daher gar nicht beim Härtefallfonds ansuchen bräuchten. Und Menschen, die schon lange keine oder noch nie Kleinkinder und Teenager betreut haben, während sie gleichzeitig im Home-Office produktiv sein sollen, inklusive Home-Schooling und Home-Making, schlagen vor, dass die alleinerziehende Mutter doch froh sein soll, endlich wieder richtiges „bonding“ mit ihren Liebsten machen zu können. Und im „fragnebenan“-Nachbarschaftsforum wird der Vorschlag eines Nachbarn, eine Petition zur Öffnung der Bundesgärten zu unterzeichnen z.Tl. mit wüsten Beschimpfungen quittiert und der Frage, ob er denn die Älteren der Gesellschaft umbringen möchte.

Ich bin mir sicher, dass Ihr alle ähnliche Beispiele aufzählen könnt. Und ja, eh klar, die Nerven liegen blank, die Ungewissheit wabert um uns alle herum, und das grenzüberschreitend, global, international.

Das Problem mit dem Wissen-Müssen

Das Problem mit Wissen-Müssen ist, dass wir nie alles wissen können. Da muss es gar keine Pandemie mit einem neuen Virus geben. Egal, wie gut wir auf etwas vorbereitet sind – ein wichtiges Meeting, ein großes Fest, eine Weltreise  – immer bleibt ein Teil unkontrollierbar. Dieser Teil kann das Wetter betreffen, oder einen plötzlichen Stromausfall, oder die Stimmung der anwesenden Personen, oder ein simples Missverständnis. Wir können nun versuchen, diesen unkontrollierbaren Teil so winzig wie möglich zu halten, alle Eventualitäten mit einem Plan B, C, D,  … abzudecken und uns mehr und mehr anstrengen, um uns glauben zu machen, dass wir das, was nicht in unserer Hand ist, doch irgendwie kontrollieren. Und uns, abgesehen von der immensen Zusatzanstrengung, die Möglichkeit für Überraschungen, Spontanität, und Improvisation nehmen. Oder wir stimmen zu, dass es diesen unkontrollierbaren Bereich unseres Lebens gibt – und geben darf – und geben ihm und uns Raum dafür.

Raum haben, Raum geben

Immer, wenn wir uns der Realität widersetzen – also uns z.B. mit Anstrengung gegen die unkontrollierbaren Anteile des Lebens wehren und sie mit Gewalt kontrollierbar machen wollen – schränken wir uns und unser Sein (das was wir sind mit allen unseren Qualitäten) ein. Wir machen uns kleiner, enger, atmen weniger, verspannen uns, und hindern uns selbst daran, klar zu denken und den Status-Quo und Möglichkeiten, die uns (noch oder stattdessen) offen stehen zu sehen. Gleichzeitig verschwenden wir durch die Anstrengung und das „uns enger, kleiner, verspannter machen“ unsere Energie und sind nur noch mit dem kontrollieren-wollen beschäftigt, werden also durchwegs eindimensional in unserer Wahrnehmung. Wir kreieren einen Zustand, der uns immer wieder automatisch ereilt, sobald der Trigger des Nicht-Wissens auftaucht.

Was wir stattdessen tun können

Erstens: bemerken, dass wir einen Zustand kreieren. Selbst wenn du wenig Übung darin hast, deinen Körper im Detail zu spüren – du kannst auch von der Maschek-Seite kommen: wenn du bemerkst,

  • dass du kaum mehr atmest,
  • dass dein Denken eher eindimensional ist und sich in ewig gleicher Abfolge wiederholt,
  • dass du dich klein, verzagt, als Opfer fühlst,
  • dass du bereits im Vorfeld genau weißt, wie dein Gegenüber reagieren wird und wie die Situation ablaufen wird (nämlich so wie „immer“),
  • oder du plötzlich ExpertIn bist für die Lebenssituation einer anderen Person, und genau weisst, was alle anderen besser machen sollten;

dann steht die Möglichkeit im Raum, dass du gerade im „Wissen-Müssen“ Zustand bist.

Zweitens: entscheiden, dass du Deinen Zustand bereit bist aufzugeben, auch auf die Gefahr hin, dass du dir dann nicht mehr so sicher bist, was jetzt genau richtig und falsch, was schwarz und was weiß ist. D.h. auch, dass du bereit bist, deine Angst über die Ungewissheit, das Nicht-Wissen zu erlauben, in einen Graubereich einzutauchen.

Drittens: den Zustand verlassen, loslassen. Der erste Schritt dazu ist immer, immer, immer, wieder bewusst und ruhig zu atmen. Und dir wieder Raum zu geben.

Viertens: du atmest ruhig weiter, gibst dein Gewicht ab an die Schwerkraft, du spürst deinen Körper, du lässt immer wieder Anstrengung los – v.a. auch im Bereich der Augen und im Bauch. Möglicherweise wirst du ein Strömen oder Fließen bemerken, oder sogar ein Zittern der Augen oder der Oberlippe, des Kinns. Erinnere dich immer wieder daran, dass du nichts erzwingen oder erreichen möchtest, sondern dass du deinem Körper erlaubst, sich wieder zu entspannen und in der Realität zu sein, so wie die jetzt ist.

Zur Unterstützung kannst du dich vor dem Loslassen kurz bewusst noch ein bisschen enger und kleiner, verspannter machen – und dann diese Anstrengung loslassen. Um mehr Gespür für die Enge zu erhalten kannst du z.B. mit den Fingerkuppen und gebeugten Fingern sanft den oberen Brustkorb abklopfen, und dann (natürlich nur, wenn du frisch gewaschene Hände hast!!! 🙂 ) das Gesicht und den Schädel.

Dann mit gebeugten Fingern intensiv die Kopfhaut bearbeiten – wie wenn du dir selbst eine kräftige Kopfmassage verabreichst. Dann lege die Hände sanft flach auf den Schädel, spür den Schädel und bewege die Hände dann ganz langsam weg von den Knochen. Stell dir vor, die Schädelknochen können sich mit der Bewegung der Hände langsam ausdehnen, und du erlangst wieder mehr Raum (du kannst das natürlich auch auf den Brustkorb anwenden). Der Clou ist immer, alles ein „erlauben“ sein zu lassen, d.h. du erlaubst, dass sich dein Körper wieder ausdehnt, Raum einnimmt. Du bemühst dich nicht darum, oder strengst dich an, etwas zu erreichen.

Achte immer wieder darauf, die Augen zu entspannen, das Kiefer, die Zunge, den Nacken – lass das Kinn immer wieder fallen, statt es hoch zu ziehen. Und: zu Beginn mach das alles entweder im Sitzen oder im Liegen.

Als Übung für mehr Raum im Brustkorb kannst du auch folgendes ausprobieren:

Rippen-Weiten:

Beginne auf der rechten Seite. Platziere die rechte Hand hinten auf den unteren Rippen, die linke Hand vorne auf den oberen rechten Rippen. Nun atme so, dass du eine Ausdehnungsbewegung gegen die Hände spürst, auf einer Diagonalen die von schräg oben vorne nach schräg unten hinten verläuft. Es geht nicht darum, eine möglichst große Bewegung zu erzielen, sondern eine möglichst gleichgroße nach vorne oben und hinten unten. Wiederhole das für einige Male, dann die Hände sinken lassen, weiteratmen, so wie dein Körper es jetzt mag. Vergleiche die beübte mit der unbeübten Seite. Dann mach das gleiche auf der anderen Seite.

Wenn deine Wahrnehmung schon geschärft ist, kannst du es auch ohne die Hand aufzulegen machen.

Die Zeit danach

Wenn du deine automatische Reaktion auf „Nicht-Wissen“ jetzt auf ganz alltägliche Situationen (die auch in Nicht-Krisen-Zeiten stattfinden, aber vielleicht jetzt gerade vermehrt) überträgst, so kann dieser Ansatz des „Raum-Habens“ und „Raum-Gebens“ auch für jedes Gespräch hilfreich sein – egal ob es um eine Lösungssuche, einen Konflikt, eine Diskussion geht. Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass – wenn du ohne vorgefasste Meinung – ohne Zustand – ohne „Wissen“ in ein Gespräch gehst, dann reagiert auch dein Gegenüber möglicherweise nicht auf dein „das Gegenüber überzeugen müssen“, „alles besser wissen“, „die „richtige“ ExpertIn sein“ und macht daher auch weniger oder gar keinen Widerstand. Und plötzlich gibt es Raum für das Wissen, dass alle Beteiligten an den Tisch bringen, und plötzlich kann eine Idee eine andere anstoßen, und plötzlich kann etwas Neues, noch-nie-dagewesenes entstehen – weil das Neue plötzlich Raum hat. Oder ein möglicher Konflikt wird gar keiner, weil es mehr Raum gibt für unterschiedliche Sichtweisen, und es nicht mehr unumgänglich ist, dass sie in der Enge aufeinanderprallen. Das schont unsere Beziehungen und hält sie „sauber“.

Neues wird so oder so entstehen (müssen). Wieso dann nicht gleich das bestmögliche Neue entstehen lassen, weil wir alle „sind“ und unser Nicht-Wissen erlauben. Weil wir nicht gegen das Unkontrollierbare kämpfen, uns dagegen wehren, sondern wie auf einer Welle auf ihm surfen. Und uns Raum nehmen und unserem Gegenüber und dem Neuen Raum geben.

Bleib gesund, bleib kraftvoll. Wenn Du Unterstützung möchtest – Online-Sitzungen funktionieren gut.

Das Drüber- und Drunter-Spiel

Das Drüber- und Drunter-Spiel

Foto: Cora K. Hiebinger

Drüber und drunter ist ein beliebtes Spiel der Menschen. Und eines, das oft dazu führt, dass alles drunter und drüber geht.

Es ist Teil eines Großteils der automatischen Seins-Zustände, denen ich in meiner Arbeit begegne und die wir alle zu verändern, zu entlernen trachten. Die Spielregeln sind denkbar einfach: jedeR wird ein Platz zugewiesen – entweder drüber oder drunter – und dann wird munter verschoben und zurechtgerückt.

Du bist „drunter“, weil jemand dich respektlos behandelt, abwertend, von oben herab – oder du empfindest es zumindest so. Oder Du sorgst selbst dafür, dass du „drunter“ bist, weil du jemand andern auf ein Podest hievst, die Person erhöhst, zur HeilsbringerIn erhebst. Um dann umgehend nach Gelegenheiten zu suchen, das Stockerl wieder abzusägen.

Im Spiel geht es also darum, unsere eigene Position oder die der anderen zu verändern, um uns wieder „besser“ zu fühlen.

Weil, egal, wohin man „geschoben“ wird – weder unten noch oben zu landen ist wirklich fein (auch wenn selbst das „unten“ sein immer auch Vorteile haben kann – aber das ist ein anderes Thema). Weil beides ein in-die-Ecke-drängen ist und den Bewegungsspielraum aller Beteiligten einschränkt – selbst wenn es eine luftige Ecke hoch oben ist (wo der Abgrund dann auch nicht weit weg ist).

Wenn wir also „drunter“ sind, matschgern wir vielleicht über die „drüber“, oder suchen Fehler, beobachten wirklich scharf, was auf den oberen Plätzen passiert. Gott sei Dank, wenn wir einen (berechtigten) Kritikpunkt finden – schon ist das Podest ein bisschen niedriger, der Abstand zwischen drüber und drunter geringer geworden. Und falls Du gerade oben gelandet bist, bemühst du dich vielleicht, eine deiner Leistungen herunterzuspielen, um niemandem Gelegenheit zu geben, dich noch weiter in ein Eck zu drängen. Und so geht das Spiel, drüber und drunter, und wir sind damit beschäftigt, uns gegenseitig rauf- und runter zu schieben oder zu drücken. Mühsam.

Ich denke am wohlsten fühlen wir uns doch, wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen, unsere Realität leben und sehen. D.h. Fehler oder Schwächen zugeben und bei anderen akzeptieren können. Weder uns selbst noch andere in ein Kastel zu sperren.

Manchmal wird das Drüber-Drunter-Spiel sehr offensichtlich gespielt; wenn dich jemand vor allen runtermacht um sich selbst zu erhöhen dann ist das meist auch gut zu erkennen. Manchmal findet es jedoch hinter einem Schleier von „Als-ob“ statt – und dann ist oft selbst den Haupt-AkteurInnen nicht klar, was da eigentlich gerade abgeht.

Einer meiner Dozenten in meiner derzeitigen Ausbildung ist ein gutes Beispiel. Er ist zugegebenermaßen äußerst wohlwollend und scheint auch eine Berufung zu spüren, seine SchülerInnen auf die Abschlussprüfung vorzubereiten. Aber da beginnt das Problem schon.

Statt uns – seine SchülerInnen – als erwachsene Personen wahrzunehmen, die freiwillig entschieden haben, neben ihrem Job und familiären Verpflichtungen eine Zusatzausbildung zu machen, geht er offensichtlich davon aus, dass wir alle einfach nur die Abschlussprüfung über die Runden bringen wollen, um unser Zertifikat zu erlangen.

Fragen wiegelt er entweder ab mit seinem knock-out Argument – „das braucht ihr nicht zu wissen, das kommt nicht zur Prüfung“ – oder er windet sich und weicht aus – was den Eindruck vermittelt, dass er die Antwort nicht weiß, es aber nicht zugeben will. Beide Methoden sind beliebt, wenn es darum geht, den Abstand zwischen denen drunter und denen drüber aufrechtzuerhalten.

Es ist auch ein probates Mittel, Leute an ihren Platz zu verweisen – wenn Wissen Macht ist, dann hat es jetzt mal nur er, wir brauchen das Wissen nicht, und wir bekommen es auch nicht. Damit ist sichergestellt, dass wir auf unserm (niedrigeren) Platz bleiben. Da schwingt auch mit, dass er uns nicht viel zutraut – also nicht einmal, dass wir eigenverantwortlich lernen können und wollen, für unser Leben – nicht nur für die Prüfung. Oder dass wir uns in noch so etwas wie Wissensdurst erhalten haben. Oder dass wir durchaus die intellektuelle Kapazität haben, Neues aufzunehmen, Zusammenhänge herzustellen, selbstständig zu denken.

So hat er auch gleich prophylaktisch bei der Verteilung der Referatsthemen darauf hingewiesen, dass wir auf keinen Fall Zusatzinformation darstellen sollen, sondern ausschließlich das, was im Skriptum steht oder in unsere Mitschrift. Auch pädagogische Hilfsmittel seien unerwünscht, wir sollen einfach sprechen. Weil sonst würden unsere KollegInnen nicht mehr wissen, was prüfungsrelevant sei. Das wohlgemerkt nach der gefühlt 135sten Wiederholung des ewiggleichen Stoffs. Was meine Freude darauf, das Referat so richtig gut und interessant vorzubereiten, damit ich und meine KollegInnen Spaß haben währenddessen, gleich mal etwas eingebremst hat.

Wenn wir dann alle nur mehr stumm im Klassenzimmer sitzen, keine Fragen mehr stellen und ihm auch nicht mit offensichtlicher Begeisterung an den Lippen hängen, bemängelt er unser Desinteresse (- was ihn vermutlich in seiner Annahme bestärkt, dass wir nur am Bestehen der Prüfung interessiert sind).

Dieses Anderen-Nichts-Zutrauen-Syndrom (und uns damit automatisch über sie zu stellen) gibt es natürlich auch außerhalb von Klassen- oder Besprechungszimmern. Wie oft übernehmen Mütter den Hauptteil der Babybetreuung, weil „nur sie“ das Kind beruhigen können? Abgesehen vom Busen und Stillen, das hier sicher eine Rolle spielt – was sollte Frauen dazu auserwählen, diese Aufgabe des Kinder-Beruhigens besser hinzukriegen? Ist diese Fähigkeit an das Bügel-Gen gekoppelt, von dem die Gesellschaft annimmt, dass es nur in weiblichen Individuen vorkommt?

Und wie oft schlägt diese mehr oder weniger bewusste Selbst-Erhöhung um in Grant, wenn der Partner dann wirklich nicht mehr so geübt ist darin, und das Kind vehement Mama-Ausschließlichkeit einfordert?

Und wie oft hört man von Leuten mit Delegationsschwierigkeiten, die meinen – „nein, das kann ich XY nicht zumuten, das schafft XY nicht“? Ist das nicht auch ein bisschen arrogant?

Oder – ganz häufig – die Angst von Menschen – die wie ein Fels in der Brandung stets bereit sind, ihren Nächsten eine starke Schulter anzubieten und ein offenes Ohr – dass das Gegenüber ihre Wut nicht aushalten wird, ihre Angst jemandem lästig ist, ihre Traurigkeit allen anderen zu viel ist?

Trauen wir einander doch wieder etwas mehr zu. Und sorgen wir dafür, dass wir auf Augenhöhe kommunizieren miteinander. Unseren Horizont erweitern, indem wir einander auf derselben Ebene begegnen. Das ist ganz sicher weniger anstrengend, und viel inspirierender, motivierender, aufregender, spannender – als das ewig gleiche, uralte Drüber-Drunter-Spiel.

Wenn Du Lust hast, Dir Dein Drüber-Drunter-Spielen bewusst zu machen und es zu stoppen – du kannst das in Sitzungen lernen. Mach Dir einen Termin aus – mit Code-Wort: DrüberStellen erhältst du die Erstsitzung zum ermäßigten Preis.

 

 

Wie selbstverständlich ist Anerkennung und Wertschätzung?

Wie selbstverständlich ist Anerkennung und Wertschätzung?

Foto: Cora K. Hiebinger

Diesen Blog habe ich in meinem 60-igsten Newsletter angekündigt. 60-igster heißt, dass ich seit 5 Jahren monatlich ein Mail verfasse, mir Aktionen, Workshops, Angebote überlege und einen Blog-Artikel schreibe. Da ich die Wichtigkeit der Regelmäßigkeit einer solchen Aussendung anerkenne, bin ich zu Beginn manchmal bis spät in die Nacht am Computer gesessen, weil mich irgendein technisches Detail gehunzt hat, oder die Muse gerade anderweitig beschäftigt war. Weil Regelmäßigkeit heißt, dass der Newsletter jeden ersten Dienstag des Monats frühmorgens in deinem Postfach zu landen hat. Nicht erst am Nachmittag, und nicht erst am Mittwoch. Was ich bisher auch immer zuwege gebracht habe.

Ich muss zugeben, dass ich nicht mehr tagelang recherchiere, um meinen Blog-Artikel mit Referenzen und Links aufzufetten, und meine Arbeit auch schon lange nicht mehr gegenlesen lasse, bevor ich sie versende. Das mindert jedoch keineswegs das Ausmaß an Arbeit und Konsequenz, die hinter 5 Jahren „Regelmäßigkeit“ steht. Aber die Selbstverständlichkeit, die sich mit jeder Regelmäßigkeit breit macht, lässt auch mich manchmal vergessen, dass wir uns und anderen die gebührende Anerkennung geben. Unseren Einsatz würdigen und feiern, die Leistungen unserer PartnerInnen, Kinder, Eltern wertschätzen und loben. Oder einfach mal danke sagen. Danke zum Beispiel, dass Du meinen Blog noch immer liest!

Wie bei allem geht es auch beim Thema Selbstverständlichkeit, Lob und Wertschätzung darum eine Balance zu finden. Sind beide Eltern gleichermaßen berufstätig, wäre es wohl selbstverständlich, wenn sich auch beide gleichermaßen und im selben Ausmaß um die gemeinsamen Kinder (und den Haushalt) kümmern. Dementsprechend würde ich es übertrieben finden, eine spezielle Lobeshymne auf einen Partner anzustimmen, der (endlich) 2 mal in der Woche das „in-den-Kindergarten-bringen“ seiner Tochter übernimmt. Von einem Sohn, dessen Mutter regelmäßig das Enkelkind betreut, kann, denke ich, erwartet werden, dass er selbstverständlich den Computer seiner Mutter auf Windows 10 umstellt, wenn er weiß, wie das geht und sie nicht. Das einE PolitikerIn nicht lügt und nicht bestechlich ist, sollte selbstverständlich sein und keine Ordensverleihung nach sich ziehen.

Wenn meine Schwester jedes Jahr von Neuem die Oster- und Weihnachtsfeierlichkeiten bei sich zu Hause ausrichtet und uns alle einlädt, ist das nicht selbstverständlich. Wenn Du nach 40 Jahren Rauchen beschließt aufzuhören, ist das nicht selbstverständlich. Wenn Du nach Jahrzehnten bereit bist, eine Strategie aufzugeben, die du bisher gefahren bist, und damit massiv deine Komfortzone verlässt, ist das nicht selbstverständlich. Ich verneige mich vor all dieser Großzügigkeit, diesem Durchhaltevermögen, diesem Mut!

Ich denke also, wir sollten immer mal wieder unser Selbstverständlichkeits-Barometer hervorholen und überprüfen:

ob wir Dinge, die regelmäßig stattfinden, als gegeben hinnehmen möchten oder nicht (z.B.: Politiker wird interviewt, Politiker beantwortet keine einzige Frage, dem Politiker wird erlaubt, herum zu schwafeln und sich selbst zu beweihräuchern. Eh ganz normal?).

ODER ob es etwas zu feiern zu loben, zu danken gibt. Ganz oft sind wir sehr streng mit uns – was wir gut schaffen ist selbstverständlich, nicht der Rede wert, was uns schwer fällt oder uns immer wieder zum Straucheln bringt, wird zur eigentlichen Aussage über uns selbst – „jetzt kannst Du das noch immer nicht“, „jetzt ist das schon wieder schief gelaufen“. „Ich habe es wieder nicht geschafft“ höre ich manchmal von KlientInnen in ihrer zweiten oder dritten Sitzung. Sie klopfen sich nicht auf die Schulter, weil sie bereits bemerken, dass sie selbst einen Zustand kreieren und damit zum Ablauf der Situation, die sie verändern möchten beitragen. Sondern sie schimpfen mit sich, dass sie noch nicht alles verändert haben. Etwas, das sie seit 20 – 40 Jahren genauso und unverändert praktiziert haben.

Und selbst wenn etwas selbstverständlich ist oder sein sollte – wenn ein Elternteil einsieht, dass auch er sein Kind in den Kindergarten bringen kann – oder der Partner erkennt, dass die Zuständigkeit für handwerkliche Tätigkeiten und Reparaturen (die einmal alle ein bis zwei Monate anfallen) gerechterweise nicht die Zuständigkeit für den restlichen Haushalt (täglich waschen, kochen, putzen, wegräumen, etc.) aufwiegt – so kann ich ja trotzdem – im vollen Bewusstsein, dass gewisse Dinge selbstverständlich sind (und mich dementsprechend nicht zur BittstellerIn degradiere) – der Einsicht und dem Bequemlichkeit-Aufgeben meines Gegenübers Anerkennung zollen. So wie man sich dafür bedankt, wenn einem der Vorrang nicht genommen wird im Straßenverkehr.

Vielleicht ist es ja Zeit für etwas Anerkennung. Und Wertschätzung von Nicht-So-Ganz-Selbstverständlichem, die Dir und Menschen in deiner Umgebung gebührt.

Du kannst mit einem Rückblick beginnen: schreib Erfolge auf, die du in verschiedenen Bereichen deines Lebens bereits erlangt hast: Beruf, Karriere, Familie, Freundschaften, Liebe, Kreativität, Reisen, Ausbildung, Hobbies, Talente, Fähigkeiten, Gesundheit, …… Große und kleine (Ich habe das kürzlich gemacht, es war ausgesprochen wohltuend. Und wenn ich wieder mal zu streng bin mit mir selbst, lese ich mir die Liste durch :-)). Und übe dich in nächster Zeit darin, Dich und andere auch für kleine Fortschritte (trotz Stress tief geatmet!) und Siege (Ausgegangen am Abend ohne zu rauchen!) zu loben, oder Danke zu sagen. Falls Dein Kopf die Tendenz hat, zu „matschgern“ statt sich deiner Errungenschaften bewusst zu werden, schau mal beim Stille-Projekt vorbei! Und du kannst auch schon die Festivität planen, mit der du deinen nächsten größeren Erfolg feiern möchtest. Ich setze mich jetzt jedenfalls hin und überlege mir, wie ich das 5-Jahres-Jubiläum gebührlich feiern kann! Und welche Goodies es als Dankeschön für meine treue LeserInnenschaft und meine KlientInnen gibt!

2 Ideen habe ich schon (Gültig im Februar 2020):

Aktion 1:
Du kennst jemanden, 

  • der/die etwas nachhaltig verändern möchte,
  • seinen/ihren Willen stärken möchte,
  • der/die schon länger mit einem Lernprozess nach der Grinberg-Methode geliebäugelt hat:

Die Person erhält  4 Sitzungen zum Jubiläums-Preis von €60.- je Sitzung. Du erhältst 30 min Fuß-Sitzung (Grinberg oder Fußreflexionen-Massage) gratis als Dankeschön!

Aktion 2:
Manchmal zermartere ich mir mein Gehirn, worüber ich meinen monatlichen Blog schreiben soll. Du kannst mir helfen!
Du schreibst mir, welcher meiner Blogs dir besonders gefallen hat, und warum. Das gerne als Kommentar auf meiner Webseite.
Du schreibst mir Themen, über die Du gerne in meinem Blog lesen möchtest.
Du leitest den Link zu meinem Blog an jemanden weiter, den/die das Thema interessieren könnte.

Als Dankeschön erhältst Du gratis 30 min Fuß-Sitzung (Grinberg oder Fußreflexzonenmassage).

Mehr dazu im Newsletter und auf Facebook 

 

 

Auf das Wesentliche fokussieren

Auf das Wesentliche fokussieren

Foto: Cora K. Hiebinger

Ich hoffe, Du bist gut ins neue Jahr hinübergerutscht. Ein so rundes und symmetrisches Jahr wie 2020 wird sicher ganz wunderbar denke ich.

Ich mag diese Zeit des Wechsels – zunächst Nebel und Laubrascheln, dann ein fühlbares langsamer werden, ein abschließen mit wohliger Dunkelheit die dazu verlockt, bei Tee in netter Runde oder mit einem guten Buch die Abende zu Hause zu verbringen. Dann die festliche Zeit rund um die Feiertage, die ich sehr gerne mit meiner Familie verbringe. Danach die Zwischenzeit, deren besondere Energie sich immer wieder ganz ausgezeichnet für einen Intensive nutzen lässt. Auch am 31. Dezember folgte ich meiner Tradition, meine Wohnung einem Großputz und -Aufräumen zu unterziehen. Und so konnte der erste Tag des neuen Jahres übersichtlich beginnen und auch das Wetter spielte mit für einen klaren, kalten und sonnigen Spaziergang mit Blick in den Wienerwald.

Mein Plan war es, spätestens ab 2. Jänner weiter radikal auszumustern, das alte Jahr Revue passieren zu lassen und das neue Jahr detailliert zu planen. Inklusive einer neuen To-Do-Liste für das erste Quartal und diese gleich abzuarbeiten beginnen, damit ich mir sozusagen einen Puffer schaffe, um zukünftige Zeit-Engpässe, sprich Stress zu verhindern.

Irgendwie hatte ich aber noch gar keine Lust; meine Energiereservoirs – die im letzten Jahr massiv beansprucht worden sind – waren durch die Feiertage noch nicht gänzlich wieder aufgefüllt und so erlaubte ich mir, weder vor-, noch nachzuarbeiten, sondern einfach mal zu faulenzen und nur zu tun, wozu ich gerade Lust hatte. Und das war, neben ein bisschen Eck-für-Eck Ausmustern und Neu-Ordnen, dem einen oder anderen Spaziergang und ein paar Überlegungen nicht viel. Fast fühlte es sich wie ein Experiment an, wie lange ich so rumhängen kann bis mir langweilig wird oder mir die Unstrukturiertheit meiner Tage auf die Nerven zu gehen beginnt. Aber – ähnlich wie elektrische Geräte, die manchmal Mucken haben und die, nachdem man sie kurz aussteckt, beim neuerlichen Anschließen an den Stromkreis wieder tadellos funktionieren – hat mir diese genüssliche Auszeit ausgesprochen gut getan – und ich habe wieder Lust zu arbeiten.

Ich habe also noch keinen klaren Plan für das neue Jahr. Was sich für 2020 aber herauskristallisiert ist etwas, was bereits im letzten Jahr eine große Erkenntnis war: Fokus auf das Wesentliche.

Letztes Jahr absolvierte ich ein Praktikum im Rahmen meiner Ausbildung zur medizinischen Masseurin – 9 Monate lang 26 h die Woche, und das neben meiner ganz normalen Arbeit als Praktikerin in meiner Praxis. Und an vielen Wochenenden Ausbildung und am Abend lernen. Fokus auf das Wesentliche war eine Notwendigkeit und hat mir ermöglicht, diese doch recht anstrengende Zeit nicht nur einfach zu überstehen, sondern durchaus auch zu genießen. Bei meinen Überlegungen für das kommende Jahr habe ich diesmal mit Prioritäten und Veränderungswünschen begonnen, und bin nicht wie sonst gleich zu einer Liste von Schritten, die zu setzen sind übergegangen.

Interessanterweise scheint diese Rückbesinnung auf das Wesentliche gerade in der Atmosphäre zu schwingen – mehrere meiner KollegInnen haben ein ähnliches Thema für Ihren Blog gewählt – eine kraftvolle kollektiven Intention also!

Das Schöne an diesem „sanften“, fokussierten Ansatz ist, dass sich alle Bereiche, auf die ich mich in nächster Zeit fokussieren möchte, sei es Gesundheit&Fitness, Finanzen, oder Familie&Freundschaften mit sehr ähnlichen Schlüsselwörtern beschreiben lassen:

mein Wunsch nach Übersichtlichkeit und Ordnung, Entspannung und Stille, Kraft und Leichtigkeit passt auf alle der oben genannten Punkte. Und wenn ich mich immer wieder auf meine Intention besinne, mich heuer auf diese Qualitäten zu fokussieren und sie in meinem Leben zu stärken werden sich die Schritte, die dazu nötig sind auch eröffnen. Und in eine ganz neuartige To-Do-Liste münden. Weil sie aus Gefühlen und Wollen entsteht und nicht aus intellektuellen Überlegungen dazu, was wohl zu tun sei. Und weil, wenn das wesentliche Bedürfnis Übersichtlichkeit ist, sehr viel mehr Motivation da ist für z.B. Aufräumen, Ausmisten, Buchhaltung, Vorausplanung, Dinge erledigen und abschließen.

Falls auch Du Dir „Neujahrsvorsätze“ einmal anders vornehmen willst, hier eine kurze Anleitung als Vorschlag:

  1. Wo in deinem Leben möchtest du Veränderung bewirken?
  • Schreib dir mindestens 5 Bereiche deines Lebens auf, in denen du etwas verändern, bzw. die du weiterentwickeln möchtest:
  • B. Gesundheit, Liebe, Freundschaft, Spiritualität, Abenteuer, Kreativität, Finanzen,….
  1. Wähle ein Thema
  • das Thema ist sozusagen der Überbegriff für die Veränderungen, die du dir wünscht; z.B. Abenteuer, Entdeckung; oder: Kreativ inspiriert…..
  • beschreibe, was dieses Thema für dich bedeutet: z.B. Abenteuer: Reisen, neue Dinge ausprobieren, neue Menschen kennenlernen, Risikobereitschaft, Komfortzone verlassen,…….
  • du kannst auch mehrere Themen auflisten
  1. Geh ins Detail
  • beschreibe, wie es sich anfühlt wenn sich der Bereich deiner Wahl wie gewünscht verändert hat: z.B. leicht, entspannt, verbunden, klar,…..
  • liste Details auf die in deinem Leben sind sobald sich die von dir gewählten Bereiche verändert haben: z.B. Stille im Kopf, freie Zeit, Kraft und Flexibilität

Wie sich dieser Fokus aufs Wesentliche in meinen Angeboten für das kommende Jahr manifestiert kannst Du wie immer im monatlichen Newsletter verfolgen. Ich freue mich, wenn Du mit dabei bist – 2020, dem Jahr des Fokussierens auf das, was Dir wirklich wichtig ist.

 

 

Warum wir schlafen. Das Buch, das Alle lesen sollten.

Warum wir schlafen. Das Buch, das Alle lesen sollten.

Foto: Cora K. Hiebinger

Vor 2,5 Jahren hatte ich meinen ersten „Wake-Up-Call“ in Sachen Schlaf. Der mich zum Blog-Artikel „Ausgeschlafen ist das neue Cool“  veranlasste und meine Einstellung zum Schlafen grundlegend verändert hat. So bin ich dann während meines Praktikums im physikalischen Institut mit Arbeitsbeginn 6:30 auch wirklich brav um 21h ins Bett gegangen, um auf die nötigen 8h Schlaf zu kommen.

Das ist gleich einer der Punkte, die Matthew Walker, Professor für Neurowissenschaften und Psychologie an der Berkley Universität, in seinem Buch als unumstößliche Tatsache in den Raum stellt: als Mensch brauchen wir täglich ein Minimum an 8 Stunden Schlaf. Er meint, dass alle diejenigen, die behaupten mit weniger auszukommen, die Auswirkungen, die ihr konstanter Schlafmangel auf sie hat ganz einfach nicht (mehr) bemerken. Mir fallen einige Leute ein, denen ich dieses Buch ans Herz legen möchte aber im Grunde sollten es wirklich alle, alle, alle lesen.

Die gute Nachricht ist, dass Prof. Walker nicht nur gut vortragen kann, wie er im TED-TALK „Sleep is your superpower“beweist, sondern seine wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 20 Jahre auch ausnehmend spannend und durchwegs kurzweilig zu Papier gebracht hat.

Spinnen spinnen unter Kaffeein-Einfluss

Einige der Highlights. Die Abbildung von Netzen die Spinnen unter dem Einfluss verschiedener Drogen bauen lässt mich meinen Kaffeekonsum überdenken.

Spinnennetze unter Drogeneinfluss

Kaffeein besetzt Rezeptoren, die normalerweise von Adenosin besetzt werden, um – neben der inneren Uhr – dem Hirn zu suggerieren, dass es Zeit ist ins Bett zu gehen. Die Konzentration von Adenosin steigt mit jeder Stunde, die wir wach sind – und damit unser Bedürfnis zu schlafen (=Sleep pressure). Hirnareale, die Wachheit unterstützen werden heruntergeschaltet, Schlaf-induzierende Areale hochgekurbelt. Kaffeein überdeckt die Schlafsignale und vermittelt uns spätestens 30 min nach dem doppelten Espresso wach zu sein. Allerdings ist seine Halbwertszeit 5 bis 7h, d.h. wenn du nach dem Abendessen um 19:30 Kaffee trinkst, sind um 1:30 in der Früh immer noch 50% des Kaffeeins in deinem Hirn aktiv. Und entkoffeinierter Kaffee enthält immer noch 15 bis 30% der Dosis eines normalen Kaffees.

Ein Plädoyer für den Mittagsschlaf

Statt dem Kaffee nach dem Mittagessen (oder gar Abendessen) sollten wir wohl besser ein Nickerchen nehmen. Unser monophasische Ansatz (eine längere Schlafphase in der Nacht) ist wohl nicht, was unsere Biologie im Sinn hatte: Jäger- und SammlerInnen-Gesellschaften wie die San in der Kalahari schlafen immer noch 7-8h in der Nacht und 30 – 60 min am Nachmittag. Eine Studie der Harvard Universität untersuchte den Einfluss auf die Gesundheit, den die Aufgabe der Siesta in Griechenland mit sich brachte: 23 000 Erwachsene zw. 20 und 83 Jahren wurden über 6 Jahre hinweg untersucht. Diejenigen, die die Siesta aufgaben, hatten ein um 37% erhöhtes Risiko, an Herz-Kreislauferkrankungen zu sterben.

Prof. Walker schreibt:

„Apparent from this remarkable study is this fact: when we are cleaved from the innate practice of biphasic sleep, our lives are shortened. It is perhaps unsurprising that in the small enclaves of Greece where siestas still remain intact, such as the island of Ikaria, men are nearly four times as likely to reach the age of ninety as American males. These napping communities have sometimes been described as „the places where people forget to die.“ From a prescription written long ago in our ancestral code, the practice of natural biphasic sleep, and a healthy diet, appear to be the keys to a long-sustained life.“

Schlafverhalten im Laufe des Lebens

Im Kapitel 5 geht es weiter mit Infos darüber, wie sich der Schlaf während des Lebens verändert. Wusstest du z.B., dass Babys nicht wach sind, wenn die werdende Mutter einen Ellbogen oder ein Knie-Kick bekommt, sondern im REM-Schlaf? Bei Erwachsenen ist während der REM-Phase keine Bewegung möglich, um uns während des Träumens zu schützen – aber bei Ungeborenen ist das System noch nicht ganz ausgereift. Im letzten Trimester sind die Babys dann 2 – 3h pro Tag wach – und die REM-Phase steigt auf bis zu 9h pro Tag – und wirkt wie ein elektrischer Dünger, um eine Unmenge an neuronalen Pfaden und Synapsen anzulegen. Bei Teenagern stehen dann die NREM-Phasen im Vordergrund und es wird ab- und umgebaut für mehr Effizienz. Während des Umbaus ist das Hirn wenig rational und umso risikofreudiger. Gleichzeitig ändert sich der zirkadiane Rhythmus. Teenager sind viel später müde als Erwachsene oder Kleinkinder – und schlafen dafür bis in die Puppen. Sie können aber nichts dafür. Mit dem Älterwerden verschiebt sich der zirkadiane Rhythmus wieder immer mehr nach vorne – ältere Menschen werden früher müde – d.h. aber nicht, dass sie plötzlich weniger Schlaf brauchen, der Schlaf funktioniert nur leider oft nicht mehr so gut.

Gedächtnis, Lernen und Alzheimer

Willst Du Dein Gedächtnis jung erhalten brauchst du Schlaf. Mehrere Experimente zeigten, dass Schlaf die Merkfähigkeit um 20 bis 40% verbesserte. Neugelerntes wird zunächst im Kurzzeitgedächtnis (Hippokampus) gespeichert – die langsamen Gehirnwellen des NREM-Schlafs transportieren die Informationen dann in den Neocortex – die Langzeit-Aufbewahrungsstelle für fakten-basierte Erinnerungen. Gleichzeitig wird das Hirn während der NREM-Phase in zerebrospinaler Flüssigkeit gebadet – sozusagen kommt die nächtliche Reinigungs-Mannschaft, um metabolischen Abfall abzutransportieren. U.a. Amyloid Proteine – giftiger Müll der mit Alzheimer assoziiert wird.

Weitere Risiken von konstantem Schlafmangel

Falls Du noch nicht überzeugt bist, dass ausreichend Schlaf – sprich 8h Schlaf – unumgänglich ist:

  • Die Anzahl von Unfällen, die durch übermüdete LenkerInnen verursacht werden übertreffen die aufgrund von Alkohol- und Drogenkonsum. Das Problem: Übermüdung die zu Sekundenschlaf führt verlangsamt deine Reaktionsfähigkeit nicht nur, du hast keine mehr.
  • Ungesunder Schlaf – ungesundes Herz: 6h Schlaf oder weniger führt zu einem bis zu 500 % erhöhten Risiko einen Herzstillstand zu erleiden.
  • Schlafmangel bringt das sympathische Nervensystem (für Flucht und Kampf zuständig) in ständigen Overdrive – mit allen negativen Konsequenzen.
  • Je weniger Schlaf, desto höher die Wahrscheinlichkeit, sich z.B. eine Erkältung zu holen. Oder an Krebs zu erkranken
  • Schlafmangel erhöht die Wahrscheinlichkeit zuzunehmen, übergewichtig zu sein oder Typ2 Diabetes zu entwickeln – weil der Blutzucker nicht mehr gut gemanagt wird und weil Appetit-Hormone (Leptin und Ghrelin) die Hungerkontrolle stören. Außerdem wird bei einer Diät statt Fett Muskelmasse abgebaut.

Weitere Goodies, die ausreichender, gesunder Schlaf mit sich bringen sind emotionale Gesundheit (Kapitel 10: „Träumen als nächtliche Therapie“) und Kreativität. In einem Artikel in „Sleep“ findest du unter Associated Data – Supplementary Materials einen kurzen Fragebogen, um festzustellen, wie es um deine Schlafgesundheit bestellt ist. Falls du bisher kürzer als regelmäßig 8h geschlafen hast – vielleicht inspiriert dich mein Blog-Artikel zu mehr Schlaf, oder dazu, das Buch zu lesen (Why We Sleep oder Das große Buch vom Schlaf), dass du dir jederzeit bei deiner Buchhändlerin holen kannst. Ich habe es bei Anna Jeller gekauft – nicht nur die Buchhandlung meines Vertrauens, sondern auch die Buchhandlung mit dem schönsten Schaufenster.

Wenn Du noch mehr Motivation brauchst, Dir Gutes zu tun, oder dein Schlafverhalten zu verbessern – das Weihnachts-Special bietet NeukundInnen 4 Sitzungen zum Preis von 2. Oder – neu im Programm – ein Gutschein für eine EiEi-Entspannungs-Massage, nach der du vermutlich wie ein Baby schläfst.

 

 

 

Das Kreuz mit dem Kreuz

Das Kreuz mit dem Kreuz

Foto: Cora K. Hiebinger

Hast du öfters einmal Rückenschmerzen?

Dann bist du nicht alleine. Fast 90 Prozent der Erwachsenen leidet gelegentlich an Rückenbeschwerden, mittlerweile klagen aber bereits Teenager über Schmerzen im Kreuz. In rund einem Viertel der ÖsterreicherInnen sind die Beschwerden chronisch und Rückenschmerzen sind – gleich nach dem „grippalen Infekt“ – die zweithäufigste Ursache für Krankenstandstage.

Die Schmerzen können von verschiedenen Strukturen ausgehen: von verspannten, verkürzten Muskeln oder verfilzten, verklebten Faszien. Von Gelenken, die verschoben, blockiert, abgenutzt oder entzündet sind. Vom Knochen selbst, z.B. durch Wirbeleinbrüche, von Nerven, die eingeengt und dadurch dauergereizt sind oder von inneren Organen, die den Schmerz über viszerocutane Reflexe in den Rücken projizieren. Und natürlich von den Bandscheiben oder der Psyche.

Bei einem Großteil der RückenpatienInnen ist keine klare Ursache feststellbar, d.h. die Schmerzen können nicht mit einem eindeutigen Gelenk- oder Wirbelschaden in Zusammenhang gebracht werden. Man spricht dann von „unspezifischen“ Rückenschmerzen: muskuläre Dysbalancen durch Fehlhaltungen oder schwache Rumpfmuskulatur, Verspannungen durch Dauerstress und mangelnde Bewegung zeigen sich nicht im Röntgenbild. Gleichzeitig sind Bandscheibenvorfälle oder arthrotische Veränderungen oft nur Zufallsbefunde, weil sie überhaupt keine Beschwerden machen.

Die gute Nachricht: gerade bei Schmerzen aufgrund oben genannter Ursachen ist es relativ einfach Abhilfe zu schaffen.

Fehlhaltungen erkennen und verändern

  • das ist natürlich einfacher, wenn jemand mit geschultem Auge deine Haltung betrachtet und dir Unterstützung bietet. Aber mit viel Aufmerksamkeit und einem Spiegel kannst du dich auch alleine dem Lot annähern: Nimm dir ein paar Minuten Zeit und stelle dir folgende Fragen:
  • Ist dein Gewicht im Stehen auf beiden Füßen gleichmäßig verteilt?
  • Stehst du mehr auf den Fersen oder wie eineE Ski-SpringerIn mehr auf dem Vorfuß?
  • Drückst du deine Knie nach hinten durch/überstreckst du sie?
  • Ist dein Becken aufgerichtet oder hängst du im Hohlkreuz oder schiebst das Becken nach vorne?
  • Ist dein Oberkörper auf dem Becken oder lehnst du nach hinten?
  • Sitzt dein Kopf entspannt auf der gesamten Wirbelsäule oder streckst du den Hals nach vorne?
  • Im Sitzen kannst du mit der Gewichtsverteilung deines Beckens auf der Unterlage beginnen und dich dann nach oben durcharbeiten.

Schwache Rumpfmuskulatur kräftigen:

  • hier gilt es, sowohl die Bauch-, als auch die Rückenmuskulatur zu stärken
  • egal, welche Übungen du dir in welcher Methodik aussuchst: achte immer darauf,
  • dass du die Übungen nicht mit Schwung machst
  • dass du deine Wirbelsäule und andere Gelenke nicht unnötig belastest, d.h. die Übung aufmerksam und präzise ausführst, und deine Leistungsfähigkeit langsam steigerst.
  • dass du auch während der Übung weiteratmest
  • dass du regelmäßig übst

Verspannungen lösen

  • kannst du, indem du deine Stressfaktoren erkennst, aufmerksam darauf wirst, wie und wo du dich in einer Stress-Situation anspannst, und dann bewusst entscheidest, das nicht zu tun. Wenn du bereits Sitzungen nach der Grinberg-Methode erhalten hast, kennst du ja den Ablauf dieses Trainings: status quo erkennen – hinspüren und beschreiben – verstärken – atmen und loslassen.
  • oder du gönnst dir eine Massage – von jemandem oder im Do-It-Yourself-Modus mit einem Noppen-Faszien-Ball
  • du atmest wieder einmal tief durch
  • oder du machst

Mehr Bewegung

  • Bewegung – Gehen, Turnen, Tanzen – ist Labsal für deinen Körper. Speziell die Wirbelsäule kann nur mit Bewegung gesund bleiben – die Bandscheiben sind nicht gefäßversorgt und werden lediglich durch Diffusion und Osmose ernährt – beide Prozesse werden durch Bewegung begünstigt.
  • auch die Muskeln freuen sich darüber, ihrer Bestimmung nachkommen zu dürfen
  • neben der durchblutungs- und stoffwechselfördernden Wirkung von Bewegung ist sie – speziell an der frischen Luft im Grünen – erwiesenermaßen entspannungsfördernd

Insgesamt hilft natürlich auch, wenn du ein gewisses Grundverständnis für deinen Körper und wie er funktioniert entwickelst. Wenn du z.B. weißt, wie die Wirbelsäule aufgebaut ist und zu welchen Bewegungen die verschiedenen Abschnitte fähig sind, wird es dir leichter fallen, Übungen „richtig“ zu machen, oder dich im Alltag gelenksschonend zu bewegen. Wenn du verstehst, warum du am Abend bis zu 2 cm kürzer bist als in der Früh, wird das möglicherweise deine Motivation ankurbeln, sowohl ausreichend zu schlafen/auszuruhen als auch für tägliche Bewegung zu sorgen.

Unsere Körper sind resilient und anpassungsfähig – und sie erfinden sich immer wieder aufs Neue. Mit etwas Unterstützung von deiner Seite wird auch deine Wirbelsäule Rückgrat beweisen.

Wenn Du neugierig geworden bist und dich gerade sehr motiviert fühlst: schau dir mein Angebot an: neben Grinberg-Sitzungen, in denen du Entspannung lernen kannst, wende ich auch die Werkzeuge der Spiraldynamik an (da geht es mehr um die physische Haltung), kann dir Übungen zeigen, und habe mein Ausbildung zur medizinischen Masseurin abgeschlossen. Außerdem biete ich regelmäßige Anatomie-Workshops für Interessierte an – weil ich glaube, dass ein besseres Verständnis des eigenen Körpers auch auf dieser Ebene äußerst hilfreich sein kann, mehr und nachhaltigeres Wohlbefinden zu erlangen. Im nächsten Workshop geht es genau um die Wirbelsäule!

 

Mach den Mund auf!

Mach den Mund auf!

Foto: Cora K. Hiebinger

Kürzlich habe ich mit meinem Ex-Freund in New York telefoniert. Die Feierlichkeiten rund um den Jahrestag von 9/11 weckten Erinnerungen an die Angst, die ich damals um ihn hatte; viele seiner Klienten hatten ihre Büros in den Twin Towers – das Telefonnetz war nach den Anschlägen stundenlang völlig zusammengebrochen und meine Sorge um Danny’s Wohlergehen konnte erst spät abends beruhigt werden. Ihm war Gott sei Dank nichts passiert. Einige seiner Klienten waren allerdings unter den Todesopfern.

Danach änderte sich die Stadt. In 2001 unterrichtete ich bereits seit 2 Jahren Biologie an einer High-School in der Bronx, hatte also eine offizielle Arbeitserlaubnis und Anstellung. Ein Leben, wie ich es davor „in the City that nevers sleeps“ geführt hatte – von der Hand in den Mund, mit 12 verschiedenen regelmäßigen Gelegenheitsjobs und alles „off the books“ – um mir das Tanzen zu finanzieren, wurde nach 9/11 nicht nur wegen meiner sich ändernden Bedürfnisse immer unmöglicher und unbequemer. Neben den politischen Veränderungen und Erschwernissen für Menschen ohne Green Card tickte zu diesem Zeitpunkt auch meine biologische Uhr schon wirklich laut.

Zurück zu meinem Telefonat mit Danny letzte Woche. Nach einem gegenseitigen Update sprachen wir über dies und das und plötzlich fragte er mich, ob ich eigentlich Kinder gewollt hätte. Ich war kurz baff. Mein Ex, eine meiner großen Lieben (ich habe drei) fragt mich diese Frage, 16 Jahre nachdem ich nach Österreich zurückgekehrt bin; zurückkehrte u.a. deshalb, weil ich unbedingt ein Kind wollte und mich außerstande sah, das mit meinem damaligen Visum-Status in New York zu bewerkstelligen.

Ob er sich nicht erinnern könne, dass ich ihn einmal darauf angesprochen habe und ihm sagte, ich wolle ein Kind von ihm? Und er antwortete: „Why me?“, fragte ich ihn also letzte Woche. Nein, er könne sich nicht an jedes unserer Gespräche und Diskussionen erinnern – war seine Replik.

Meine Erkenntnis aus dieser Begegnung ist jetzt nicht, ein Vorurteil gegenüber Männern zu bestärken – „die hören ja nie zu“. Sondern meine damalige Reaktion auf sein „Why me?“ in Frage zu stellen. Ich war damals gekränkt, stimmt. Aber Tatsache ist, dass ich dachte – „Well, because I love you“ müsste reichen als Antwort. Und dass mein Wunsch ja wohl selbstverständlich sei. Und dass ich Danny’s Reaktion automatisch als Ablehnung deklarierte und mich sofort mit einem beleidigten innerlichen „Na dann halt nicht“ zurückzog. Ich kann mich sehr genau daran erinnern, wo dieses Gespräch vor fast 20 Jahren stattfand. Und die Konsequenzen die ich daraus zog haben mich immer wieder beschäftigt und sind noch heute spürbar – ich habe keine Kinder. Aber es ist auch eine Tatsache, dass ich das Thema mit ihm genau einmal angesprochen habe. Und den Rest der Zeit die Problematik mit mir selbst – und mit FreundInnen besprochen habe. Weil ich unsicher war und Angst vor einer Abfuhr hatte.

Auch die Schwierigkeit, unter den Post-9/11-Bedingungen als „legal alien“ ohne Green-Card und mit einer Arbeitserlaubnis nur für einen Mangelberuf (Biologie-Lehrerin) dazustehen, und den Umwälzungen im Schulwesen ohne Lobby gegenüberzustehen habe ich kaum direkt und ausgiebig mit ihm erörtert. Und so war es wohl kein Wunder, dass Danny etwas perplex war, als ich ihm im Sommer 2003 mein Abflugsdatum nach Wien mitteilte. Ich schüttelte damals den Kopf über ihn, und meinte, ich hätte ihm das doch gesagt, dass ich nach den 6 Wochen Campen in den Nationalparks des Süd-Westens weggehen werde. Aber er hatte das ganz anders verstanden und dachte, ich hätte mein Hab und Gut in Storage gegeben, um Miete zu sparen über den Sommer. Erst Jahre später ist mir klar geworden, wie sehr ich ihn vermutlich vor den Kopf gestoßen habe, wie kränkend das für ihn gewesen sein musste. Dass ich all diese Entscheidungen mit mir selbst ausgemacht und ihn im Endeffekt mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt habe.

Es stimmt, unsere Beziehung war über weite Strecken schwierig und mit vielen Unklarheiten behaftet. Aber wäre ich damals schon mutiger gewesen und möglichen Konflikten nicht schnell ausgewichen; hätte ich die Dinge klar angesprochen – und Klarheit eingefordert – wäre wohl einiges anders gelaufen. Und vermutlich wäre ich jetzt Mutter zweier Teenager, die mir den letzten Nerv rauben und mich gleichzeitig unbändig stolz machen.

Ich bin an sich sehr gut darin, etwas zu wollen und auch dafür zu gehen. Ohne diese Sturheit wäre ich z.B. nicht in New York gelandet, um zu tanzen – und hätte Danny erst gar nicht kennengelernt. Und ich hätte nicht Biologie studiert, wäre nicht Grinberg-Praktikerin geworden, oder Medizinische Masseurin. Aber wenn auch andere involviert sind, ist es schon hilfreich, Klartext zu reden, und den oder die anderen wissen zu lassen, was einem wichtig ist – und was man gerne möchte. Mein Leben ist auch so gut. Aber ich habe eine Option verspielt. Weil ich damals davon ausging, etwas, das mir sehr wichtig war, müsste automatisch die selbe große Relevanz für mein Gegenüber haben. Und ich beleidigt und gekränkt war, weil mein Partner nicht sofort beim ersten Mal, als ich ein Thema aufs Tapet brachte mit heller Begeisterung reagierte. Und es sodann nicht mehr ansprach.

Also – lasst uns unseren Mund aufmachen und sagen, was wir wollen. Unser Gegenüber kann es nicht riechen. Und vielleicht versteht der Andere nicht gleich, was das Ganze mit ihm zu tun hat. Oder sie lehnt rundheraus ab. Aber es gibt zumindest allen Beteiligten die Chance selbst zu wählen, mit allen Karten auf dem Tisch.

Ja. Und.

Ja. Und.

Foto: Cora K. Hiebinger

Egal was Du willst oder was Du Dir wünschst – die Entscheidung dafür und der Weg dorthin ist kaum jemals geradlinig, schwarz-weiß oder simpel. Wenn Du etwas willst, heißt das immer auch, Nein zu etwas zu sagen.

Nein Sagen

Du möchtest einen Coup Dänemark – dann sagst du nein zu zuckerfreier Ernährung, nein zu einem möglicherweise vorhandenen Abnehm-Wunsch.

Ich möchte in eine Kleinstadt übersiedeln – dann sage ich nein zu Wien, die wiederholt als die Großstadt mit der höchsten Lebensqualität ausgezeichnet wurde, nein zur räumlichen Nähe zu FreundInnen und meinem sozialen Netzwerk, nein zu einer gewachsenen Vertrautheit mit der Stadt, die nur über jahrzehntelanges hier leben entstehen konnte.

Auch wenn Du verändern möchtest, wie du in einer bestimmten Situation seit Jahrzehnten automatisch reagierst, bedeutet das, Nein zu etwas dir (und allen in deinem näheren Umfeld) Vertrautem zu sagen. Das heißt, ein Gefühl der Ungewissheit, eine Traurigkeit über den Verlust dessen, was du kennst, ist immer dabei beim Nein.

Ja Sagen

Gleichzeitig heißt etwas zu wollen natürlich auch Ja sagen. Ja zu dieser süßen Üppigkeit der Schlagobershaube, ja zur Überschaubarkeit und geringeren Dichte einer kleinen Stadt. Ja zu mehr Freiheit darin, wie wir in einer Situation reagieren, d.h. auch ja zur Ungewissheit darüber, wie so eine Reaktion ausschauen wird, wenn es nicht mehr der Seins-Zustand ist, den wir bisher automatisch in einer bestimmten Situation abgespult haben.

Kein Wunder also, dass in unserem Ja zu etwas ganz oft auch das implizite Nein zu dem, was es aufzugeben gilt mitschwingt. Klar sagen wir Ja, wir wollen diesen lukullischen Genuss, die Ruhe und Entspannung, die das viel einfacher zugängliche Grün rund um die Kleinstadt verspricht. Aber – unser System will sich nicht ganz eindeutig festlegen, bemüht sich, ein Hintertürl offenzulassen. Damit das Nicht-Wissen und die Angst (wie das Neue, Gewünschte sich entwickeln wird), und der Schmerz (das Bekannte, Vertraute aufzugeben) nicht ganz so spürbar, nicht ganz so intensiv ist. Und weil Genuss und Sicherheit im Hier und Jetzt (eine Köstlichkeit für sofortiges „Sich Wohlfühlen“) oft verlockender ist als der zähere Weg zu einem nachhaltigeren, umfassenderen Wohlbefinden (gesund, fit und frei sein).

Ja, Aber

In Sitzungen mit KlientInnen zeigt sich dieses – sich nicht 100% festlegen wollen – oft als ein „Ja, aber“. Ich frage sie, ob sie ihren „Zustand“, das Gesamtpaket (Stimmung, Anspannung, Denkmuster,…), mit dem sie automatisch auf eine Situation reagieren, aufgeben, loslassen möchten – und sie stimmen zu, aber dann schwebt sofort ein „Aber“ im Raum. Ja, den Zustand schon aufgeben, aber doch so kontrolliert, dass die Entscheidung jederzeit rückgängig gemacht werden kann. Ja, wieder tiefer atmen, aber doch an der Überzeugung festhalten, dass alle Bemühungen sowieso „wieder“ im Sande verlaufen werden. Ja, den Schritt eines Jobwechsels, einer Trennung, eines Umzugs anvisieren, aber in dem Bestreben, jede kleinstmögliche Konsequenz vorab abzuklären, im Status quo verharren.

Das Aber impliziert, dass wir vor der letzten Konsequenz zurückschrecken. Dass wir wollen, aber doch nicht so ganz. Das wir den Folgen unseres Handelns nicht mit voller Überzeugung zustimmen. Das wir eine (andere) Meinung zwar hören, aber Widerstand dagegen haben.

Klar ist es klug, die Für und Wider und möglichen Folgen einer gewichtigen Entscheidung abzuwägen. Mir fällt immer wieder die Doku über eine Familie ein, die der Idee folgte auszusteigen und irgendwo auf einer Insel ein kleines Beisl aufzumachen, um ein neues, entspannteres Leben zu beginnen. Und die ihr Hab und Gut verkauften, alle Brücken abbrachen und dann vor Ort feststellen mussten, dass das leider alles nicht so einfach war und die InselbewohnerInnen nicht auf dieses neue Beisl gewartet hatten.

Aber nachdem wir diesen wichtigen Prozess der Entscheidungsfindung hinter uns gebracht haben, uns mit Menschen ausgetauscht haben, auch mit Menschen, die eine Gabe dafür haben, sich alles was schief gehen könnte im Detail vorzustellen (und dich an diesen Horrorszenarien teilhaben zu lassen :-), damit du nichts, was es zu bedenken gibt, vergisst – dann ist es Zeit, das „Aber“ nach dem Ja wegzulassen. Und allenfalls mit einem „Und“ zu ersetzen.

Ja. Und.

Ja, du hast etwas zu sagen. Und du machst den Mund auf. Ohne Entschuldigung dafür, dass du existierst, dir diesen Platz ausgewählt hast, unbequem bist, eine andere Meinung vertrittst. Was impliziert, ja, ich höre was du sagst, und ich sehe die Lage so und so.

Ja, ich möchte in einer ruhigeren Umgebung leben und täglich Zugang zu Wald und Wiesen haben. Und ich sehe und stimme den Konsequenzen solch eines Umzugs zu. Ohne Widerstand gegen den schmerzhaften Verlust, der Teil so einer Entscheidung ist. Ohne Aber.

Ja, du möchtest dich beruflich verändern und du spürst und lässt die Ungewissheit zu, die ein solcher Schritt mit sich bringt. Ohne prophylaktische Verteidigung dieses Wunsches oder Ausflüchte, warum es doch nicht sein kann. Ohne Aber.

Ja, du willst den automatischen Seins-Zustand, den du immer wieder kreierst, wenn du wütend bist beenden und aufhören, für alles und jedeN automatisch Verständnis aufzubringen. Und du bringst den Mut auf, klar und kraftvoll zu sein und damit möglicherweise anzuecken.

Damit du dem näher kommst, was du eigentlich willst. Deinem Ja. Und.

Ohne dich zu rechtfertigen, ohne dich zu erklären, ohne Wenn und Aber.

Im September-Special geht es darum, dein Ja. Und. zu finden. Bei Interesse melde dich.

 

Von der Kunst ein Feuer zu machen

Von der Kunst ein Feuer zu machen

Foto: Cora K. Hiebinger

Damit mir nicht langweilig wird habe ich kürzlich einen Wildniskurs bei der Natur- und Wildnisschule meines Vertrauens besucht. In diesem Kurs geht es darum, in entspanntem Rahmen einige Grundfertigkeiten zu erwerben, die es erleichtern, in und mit der Natur zurechtzukommen, sollte man sich plötzlich ohne nennenswerte Hilfsmittel fernab des nächsten Supermarktes oder Onlinehandels wiederfinden. Spielen für Erwachsene mit coolem Lern- und Entschleunigungseffekt.

Neben Unterstand bauen, Holzschalen brennen und Schnüre aus Pflanzenfasern herstellen stand auch das Feuermachen mit Bogendrill auf dem Programm.

Wer sich noch an Winnetou und Old Shatterhand oder andere Western und „Mensch alleine in der Wildnis“-Filme erinnert hat diese Technik sicher schon einmal gesehen.

Meist wird in diesem Genre überhaupt die noch fortgeschrittenere Methode des Handdrills gezeigt und der Held/die Heldin quirlt kurz einen Holzstab, um umgehend vor einem wärmenden Lagerfeuer das nebenbei auch gleich noch erledigte Wild plus ein paar nahrhafte Wurzeln auf appetitlichen Spießchen zu genießen.

Die Realität ist – wie ich erfahren durfte – ein grundlegend andere. Die Holzteile – zwei flache und ein länglicher Quader unterschiedlicher Größe bekommen wir erleichternd zur Verfügung gestellt – ebenso eine Bogenschnur. Der längliche Quader muss nun in eine möglichst gleichmäßig runde Spindel geschnitzt werden, um danach diese Spindel zu verwenden, um die passenden Mulden in die beiden anderen Stücke zu drillen.

Bereits beim ersten Arbeitsschritt kam ich mit meinem 08/15, winzigen Schweizermesser rasch an meine Grenzen. Während andere sich bereits am Mulden drillen übten, mühte ich mich noch immer mit der Abrundung und Zuspitzung der Spindel ab. Ohne den ersten Schritt – die Spindel – kann man freilich die nächsten Schritte noch nicht einmal andenken.

Erste Lehre

Erste Lehre aus dem Ganzen: ich brauche endlich ein gescheites Messer. Weil die passenden, richtigen Werkzeuge wichtig und relevant sind. (Und ohne g’scheiten ersten Schritt hapert’s beim Zweiten, oder es folgt gleich gar keiner.)

Beim Sammeln des Feuermaterials – trockenes Gras und Löwenzahnsamen als Zunder, abgestorbene, trockene Fichtenästchen, Borke und sonstiges Totholz – war ich dann wieder voll mit dabei und meine Feuerstelle konnte sich durchaus sehen lassen.

Zweite Lehre

Zweite Lehre: Mit Pflanzen, Sammeln und „Nesterl“ bauen habe ich schon oft zu tun gehabt. Meine Erfahrung mit Holz und Messern beschränkt sich mehr oder weniger auf Gemüse schnipseln auf dem Küchenbrett. Mir das Tempo von g’standenen Outdoor Menschen vorgeben zu lassen, die ein Messer führen wie ich einen Kugelschreiber, ist wenig sinnvoll.

Der nächste Reality-Check als ich endlich meine Spindel fertiggeformt hatte: um die nötige Reibung zu erzeugen braucht es gehörigen Druck von oben (mit meiner linken Hand) und Geschwindigkeit und Ausdauer in der rechten, die den Bogen hin und her schiebt. Gleichzeitig benötigt es großes Feingefühl, weil der Bogen in der Bewegung parallel zum Boden geführt bleiben muss – sonst wandert die Bogensehne an der Spindel nach oben oder unten, stört das Quirlen und damit den Reibungsprozess oder lässt die Spindel überhaupt aus der Sehne springen.

Nachdem ich endlich die Technik so weit heraußen hatte, dass ich die nötigen Mulden in die Holzquader gedrillt hatte, konnte ich den nächsten Schritt setzen. Ein V-förmiges Stück war von einer der Mulden auszusägen, damit von dort die zu erdrillende Glut auf den Zunder fallen kann. Ein Riss in meinem Holzstück, den ich schon zu Beginn bemerkt, jedoch nicht weiter ernst genommen hatte wurde mir nun zum Verhängnis. Ein Stück brach aus, die Form (Mulde und V-förmige Öffnung) war nicht mehr zu halten. Also zurück an den Start.

Dritte Lehre

Dritte Lehre: Zu Beginn eines Projekts die Basis, das Arbeitsmaterial einer genauen Prüfung unterziehen. Auch kleinste Unstimmigkeiten oder Haarrisse können ausschlaggebend für den Erfolg sein. Und die korrekte Form ist manchmal wirklich ausschlaggebend für die Funktion.

Ich begann also von Neuem – mit nun sorgfältig ausgewählten, rissfreien Holzstücken. Ich ärgerte mich wieder über mein Fuzzel-Messer, das ich als Mädchen geschenkt bekommen habe und darüber, dass meine Brüder damals je ein viel besseres, größeres bekommen haben. Und ich schnitzte mir eine neue Spindel. Einige Details auf die es zu achten gilt waren mir nun bereits klar und das eigentliche Lernen – wie baue ich mir ein Bogendrill-Set – begann jetzt erst so richtig beim zweiten Anlauf.

Vierte und Fünfte Lehre

Vierte und Fünfte Lehre: als erwachsene Frau kaufe ich mir das Messer meiner Wahl und lasse mir nicht vorgaukeln, was für mich reicht und genügt. Das nächste Plus auf meinem Konto bringt mich zum Fachgeschäft. Und: wenn Dinge nicht sofort funktionieren bietet das unzählige Möglichkeiten dazuzulernen. Irgendwie öd für Ungeduldige, aber gleichzeitig äußerst erhellend. Beim zweiten Mal habe ich selbst entschieden, wann die Mulde tief genug war, die Spindel rund genug und die Bogenschnur straff genug.

Beim Schnüremachen war ich eine der Schnellsten, also hatte ich genügend Zeit, am Drill-Set weiterzuarbeiten. Die Mulde entwickelte sich diesmal recht gut und auch die Reibungswärme schaffte ich hochzuschrauben – eine Brandblase von der etwas zu achtlos platzierten Spindelspitze war der Beweis. Im Endeffekt hatte ich jedoch am Ende des Kurses zwar die Technik ganz gut heraußen, aber die Holzteile so abgearbeitet, dass die Mulden nun nicht zu flach, sondern im Gegenteil zu tief waren. Für einen 3. Anlauf reichte die Zeit vor Ort leider nicht mehr, und damit auch nicht dazu ein Feuer zu entfachen. Trotzdem – der Kurs war ein voller Erfolg und hat sehr viel Spaß gemacht.

Sechste und letzte Lehre

Sechste und letzte Lehre: es mag zeitweise frustrierend sein, Dinge zu probieren, von denen man absolut keine Ahnung hat. Aber in einem Rahmen, der dich unterstützt und dir den Raum gibt auszuprobieren und nicht beurteilt (keiner hat mich als Großstadt-Tussi abgestempelt) ist es sehr lustvoll immer wieder mal solche Herausforderungen anzunehmen; und Erfolg ist nicht unbedingt immer an einem einzelnen, spezifischen Ergebnis zu messen.  Passende Werkzeuge, um mit Frust und Ärger umzugehen – und Feuer der anderen Art zu entfachen, haben wir ja durch die Körperarbeit zur Hand. Jetzt gilt es nur noch, ein g’scheites Messer zu erstehen. Für noch mehr Flammen.

 

 

Gebrauchsanweisung für unseren Körper

Gebrauchsanweisung für unseren Körper

Ein Plädoyer für einen verantwortungsvolleren Umgang mit unseren Körpern.

Foto: Cora K. Hiebinger

Heuer habe ich das alljährliche Fahrradservice bei reanimated bikes – dem Fahrradgeschäft meines Vertrauens- noch nicht durchführen lassen – und ich und mein Rad merken es.

JedeR, der/die ein Fahrzeug besitzt, lässt es regelmäßig servicieren – und sei es nur, um das neue Pickerl zu bekommen. Die jährliche Thermenwartung ist sogar im Mietvertrag verpflichtend festgeschrieben – und vermutlich halten sich die meisten daran, wollen sie doch nicht einem vorzeitigen Tod durch CO-Vergiftung ins Auge blicken. Die meisten von uns fordern auch einen sorgsamen Umgang mit unseren Dingen ein, spätestens wenn wir sie verborgen.

Geht es jedoch um unsere Körper, denken wir nicht daran, dass auch der Aufmerksamkeit und Sorgfalt verlangt, um seiner einprogrammierten Langlebigkeit Rechnung tragen zu können.

„Altersgemäße Abnützung“ gilt als Diagnose und wird als normal und unumgänglich hingenommen. Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit toleriert und erlitten – bis es nicht mehr geht. Viele gehen erst dann zum Arzt/zur Ärztin. Und lassen sich eine Spritze geben. Danach landen sie dann oft in einem physikalischen Institut – oder auf dem OP-Tisch.

Elektro-, Thermo-, und manuelle Therapien sind durchaus in der Lage, Schmerzen zu lindern und den Heilungsprozess in Gang zu bringen. Und nichts gegen die chirurgischen Künste der westlichen Medizin – ohne sie wären manche meiner Liebsten nicht mehr am Leben – oder zumindest ihres Lebens nicht mehr froh.

Aber jemandem die Idee zu vermitteln, dass ein „neues Knie“ oder eine Bandscheiben-OP die Lösung aller Probleme darstellt ist meines Erachtens grotesk. Viele der PatientInnen, die ich in meinem Praktikum in der Reha kennenlerne sind wandelnde Ersatzteillager. Schmerzen haben sie jedoch noch immer.

Meiner Tante (81) wurden letztes Jahr gleich 2 (!!!) neue Hüften eingesetzt. Während die erste wirklich nötig war, und zu einer sofortigen, umfassenden Erhöhung ihrer Lebensqualität beitrug, war die zweite ein Disaster. Trotz familiärer Zweifel, ob wirklich die Hüfte das eigentliche Problem sei, wog die Meinung des Orthopäden stärker – jetzt ist meine Lieblingstante von heute auf morgen alt und gebrechlich geworden – und die Schmerzen sind geblieben.

Eine andere ältere Dame (fast 90), der ich in der Reha die Schulter behandeln durfte, geht nach drei (!!!) Knie-TEP*-OPs am selben Knie seit nunmehr 7 Jahren auf Krücken. Die Schulter ist in denkbar schlechtem Zustand, bekommt aber, solange die Patientin nicht von den Gehhilfen wegkommt, kaum eine Chance auf Besserung. (*Totalendoprothese)

In einem Artikel in der Zeit: „Tatort Wirbelsäule“ stellen 3 ÄrztInnen in einem Interview anonym einstimmig fest, dass ein Großteil der Rücken- OPs nicht notwendig sei und die Probleme nicht nur nicht beseitigen, sondern sogar neue solche schaffen könnten. Und nicht umsonst haben physikalische Institute StammkundInnen, die seit Jahrzehnten regelmä0ig zur Therapie kommen – für die immer gleichen Beschwerden. Denn ohne grundlegende Veränderung – der Haltung, der Ernährung, des Bewegungsverhaltens – eben des Umgang mit dem eigenen Körper – ändert sich eben eher selten nachhaltig etwas.

Kein Mensch würde eine Brücke, bei der die Statik nicht stimmt für den Verkehr freigeben.

Jedes Handelsunternehmen wird die ständige Überschreitung der maximalen Tragfähigkeit seiner Transportfahrzeuge vermeiden, um Achsenbrüche und sonstige strukturelle Ermüdungserscheinungen hintan zu halten.

JedeR  FahrzeughalterIn verwendet das passende Motoröl, um die Langlebigkeit ihres Gefährts zu gewährleisten.

Nur bei unseren Körpern tun alle Beteiligten meist so, als ob der Umgang den wir mit ihm pflegen keine Konsequenzen hätte.

Eine Supraspinatus-Sehne z.B. verkalkt meist aufgrund einer jahrelangen Fehlhaltung der Schulter – nicht automatisch weil man älter wird. Wird diese Fehlhaltung nicht entlernt, wird Therapie vielleicht kurzfristig helfen aber selbst eine OP keine nachhaltige Besserung bringen. Zu lernen, die Schulter anatomisch körpergerecht zu platzieren und funktionsgerechte zu bewegen, variantenreiche Be- und Entlastung, Kraft und Flexibilität – kann uns einer Lösung näher bringen.

Und dafür ist es selten zu spät. Denn der Körper verzeiht vieles und hat eine unglaubliche Resilienz und Lernfähigkeit.

Für jedes Gerät, dass sich uns nicht intuitiv erschließt gibt es eine Bedienungsanleitung. Vielleicht wird es Zeit, uns eine für unseren Körper zuzulegen.

 

 

Viel Lärm um Nichts

Viel Lärm um Nichts

Foto: Cora K. Hiebinger

Wie wir unser Hirn dazu bringen können, stiller zu sein.

Viele meiner KlientInnen geben als eines ihrer Ziele für ihren Lernprozess an, mehr Stille haben zu wollen, frei zu sein von dem „Gequatsche da oben“. Und in jedem Lernprozess geht es immer auch irgendwann um Glaubenssätze, die KlientInnen ablegen möchten, weil sie sie daran hindern, ihr volles Potenzial zu leben. Weil die ewige Leier, die sich gebetsmühlenartig wiederholt ihnen Dinge madig macht („Das hat er sicher nur gesagt weil,……“, „Alle anderen haben es aber noch besser gemacht“) oder sie gar gleich davon abhält etwas zu tun („Das wird sowieso wieder nichts“, „Ich kann das sicher nicht“).

Oder dein Verstand fühlt sich bemüßigt, jede Kleinigkeit in deiner Umgebung umgehend zu kommentieren („Wie kann man nur diese Farbkombination tragen?“, „Er bräuchte auch dringend einen Haarschnitt.“) – oder Du hast gar eine Diskussion mit einer nicht anwesenden Person im Kopf – eine zukünftige, oder ein Relaunch eines Gesprächs in der Vergangenheit, bei der du bereits Gesagtes durch verschiedene andere Antwortmöglichkeiten ersetzt und dir überlegst, was dein Gegenüber dann vielleicht gesagt hätte und wie die Unterhaltung dann möglicherweise ausgegangen wäre.

Es ist zermürbend, ständig von einer Kakophonie von Sätzen und Satzfetzen bedrängt zu werden, die sich vehement Gehör zu verschaffen suchen und unsere Aufmerksamkeit immer wieder locken – wie die Sirenen Odysseus. Irgendwann hat man ihnen nichts mehr entgegenzusetzen, weil sie uns glauben machen, dass das, was der Kopf da von sich gibt auch wirklich der Wahrheit entspricht. Und so glaubst du vielleicht im Endeffekt wirklich, dass du es niemals schaffen wirst, dass du nicht gut genug bist, dass die Welt ungerecht und gemein zu Dir ist.

Körperaufmerksamkeits-Training ist eine Möglichkeit, mehr Stille zu erreichen. Die folgenden Schritte sind Teil eines solchen Trainings:

Verantwortung übernehmen

Vor kurzem beklagte sich eine KlientIn in einer Sitzung, dass das Gerede ihres Kopfes so unendlich lästig sei. Auch ich kann mich erinnern, dass ich einmal zu meiner Praktikerin meinte, „mein Kopf sagt das aber“. Unser Hirn ist nun mal so gewickelt, dass es „denkt“ (bzw. „quatscht“). Das kann von kreativen Ideen und genialen Lösungsansätzen bis zu irrelevantem, stupidem Gefasel reichen. D.h., unserem Hirn, unser Kopf ist nicht wirklich „schuld“ wenn es Gefasel ist. Es tut, was es eben tut, was in seiner Natur liegt. Es liegt an uns, ihm die Richtung vorzugeben, in die es gehen soll. Und das hat ganz viel mit Aufmerksamkeit zu tun.

Dich Entscheiden

Will man einen Welpen erziehen, und ihm z.B. beibringen die Kommandos „Sitz“ oder „Platz“ zu befolgen, muss man ihn positiv verstärken – d.h. ihm ein Leckerli geben, wenn er tut, was man von ihm will – d.h. wenn er bei „Platz“ auf dem Boden liegt. Ist man nicht aufmerksam genug und gibt ihm das Leckerli erst wenn er schon wieder aufgestanden ist oder manchmal gar nicht, wird er es wohl nicht so schnell lernen.

Will ein Kind mehr Aufmerksamkeit und fängt an, vor anderen herumzufuchteln oder zu bitzeln, um etwas zu erreichen – und bekommt dann auch wirklich was es will, wird er oder sie diese Strategie beibehalten und verfestigen. Das Ziel von Aufmerksamkeit bekommen ist ja erreicht worden. Funktioniert das jedoch gar nicht, wird sich die Person eine andere Strategie überlegen.

Wollen wir also mehr Stille im Kopf, müssen wir ihn konsequent „erziehen“. Wir müssen aufhören, Gequatsche, Gefasel, Negativspiralen Aufmerksamkeit zu schenken. Wollen wir Glaubenssätze nicht mehr glauben, weil sie destruktiv sind und uns behindern, dann müssen wir uns entscheiden, dass wir ihnen keinen Glauben mehr schenken. Es gibt sicher genug Menschen (z.B. PolitikerInnen) die dir spontan einfallen, denen du kein Wort glaubst, wenn sie den Mund aufmachen. Genauso kannst du entscheiden, ausgedienten Glaubenssätzen oder Schlussfolgerungen nicht mehr für bare Münze zu nehmen. Diese Entscheidung gilt es dann immer wieder von Neuem zu treffen. Weil nur weil du etwas einmal gemacht hast hast du es noch nicht gelernt und verändert.

Atmen und deinen Körper spüren

Der Kopf wird wie gesagt nicht einfach aufhören, Sätze auszuspucken, zu kommentieren, zu bewerten oder mit sich selbst zu diskutieren. Aber je öfter du dem, was du schon nicht mehr hören kannst keine Aufmerksamkeit mehr schenkst, desto früher wird Stille einkehren – und Raum geschaffen für Neues, Kreatives, für wirkliche Ideen. So wie es beim Meditieren das Werkzeug gibt, Gedanken zu bemerken, sie zu benennen – ”aha, denken“ – und deine Aufmerksamkeit wieder auf deine Atmung zu richten, so kannst du auch im Alltag bemerken, dass deine Gedanken in eine Richtung gehen, in die du nicht mehr gehen willst (z.B. weil du dich oder andere bewertest), entscheiden, so nicht denken zu wollen oder das nicht glauben zu wollen und dann deine Aufmerksamkeit auf deine Atmung und deinen Körper zu richten, statt sie mit den Gedanken mitgaloppieren zu lassen. Zu Beginn so eines Trainings ist es durchaus hilfreich, sich Unterstützung zu holen, um den Körper besser spüren zu können und die Aufmerksamkeit lenken zu lernen. Das kann in Form von Sitzungen sein, in der einE PraktikerIn als zweite Person die Aufmerksamkeit verdoppelt, oder du hilfst dir mit Übungen oder Bewegung dabei, deinen Körper präsenter zu machen und besser zu spüren: und im Grunde ist es dann einerlei, was genau du tust, solange du es mit deiner vollen Aufmerksamkeit, mit bewusster Atmung und mit der Intention tust, dich als Körper besser spüren zu können und mehr Stille zu erlangen.

Wie immer du diesen Weg zu weniger Lärm gehen möchtest, es ist auf jeden Fall ein sehr lohnendes Ziel. Und wie bei jeder neuen Fertigkeit wirst du durch regelmäßiges Üben schon bald Fortschritte erzielen. Der Genuss, den selbst relative Stille beschert ist jedenfalls unbezahlbar. Du wirst es selber sehen, wenn du dein Hirn „erziehst“.

 

 

Was willst Du eigentlich?

Was willst Du eigentlich?

Foto: Julia M. Rohn

Kürzlich war ich bei meinem jährlichen Schilddrüsen-Check-Up. Die Schilddrüsen-Expertin letztes Jahr meinte, man könne gegen Hashimoto – die Autoimmunerkrankung, bei der der Körper Antikörper gegen die eigene Schilddrüse produziert und sie dadurch über kurz oder lang zerstört wird – nichts machen. Das veranlasste mich, mir bei der TCM-Ärztin meines Vertrauens, Dr. Elisabeth Yao und bei einer Kinesiologin/Physioenergetikerin Unterstützung zu holen. Es folgten Akupunkturbehandlungen und TCM-Tee-Mischungen, sowie diverse Kügelchen und eine Ernährungsumstellung, die mir u.a. warmen Frühstücksbrei bescherten, aber z.B. weißen Zucker und Gluten von meinem Einkaufszettel verbannten.
Mein diesjähriger Blutbefund zeigte einen wieder normalen TSH-, und Tg-Antikörper-Wert, der TPO-Antikörperwert ist noch erhöht, aber auf fast die Hälfte vom Vorjahr gesunken.

Dieses Ergebnis hat mich äußerst erfreut und motiviert mich sehr, weiterzumachen. Ich habe es sogleich einer Freundin mitgeteilt, die ebenfalls mit einer Hashimotodiagnose lebt. Sie freute sich mit mir, meinte dann aber, dass ihr dieser Weg nicht offen stünde, weil ich „sei ja so diszipliniert“ und sie wolle ja gar nicht „keine Süßigkeiten“ essen.

Tatsache ist, dass auch ich nicht gerne keine Süßigkeiten esse. Ich mag Kuchen und Kekse, Konfekt und Schokolade. Ich liebe gutes Brot. Es nervt mich häufig, dass ich mir nicht einfach irgendwo schnell ein Weckerl kaufen kann, sondern immer vorkochen und mir Mahlzeiten mitnehmen muss, damit ich etwas „Ordentliches “ zu essen habe. Und wie der Körper eben so ist, zeigt er mir mittlerweile – nachdem er sich offensichtlich an das gute Leben gewöhnt hat und +/- nur bekommt, was er mag – äußerst vehement, wenn ich seine neu erkämpfte Harmonie störe und – wie am Faschingsdienstag – einen Krapfen einwerfe. Das hilft dann wieder mit der „Disziplin“, weil die Konsequenzen so eines Ausrutschers so unangenehm sind, dass ich mir es beim nächsten Mal, wenn irgendetwas verlockend vor meiner Nase steht, doch wieder genauer überlege und es wieder besser schaffe, Nein zu sagen.

Es ist also so, dass auch ich mit „Disziplin“ meine Probleme habe und es genauso schwierig finde, konsequent täglich zu meditieren, mein Pilates- oder Yogaprogramm, Krafttraining und Ausdauersport zu machen, meine Gelenke spiraldynamisch zu beüben, meine Buchhaltung nicht anstehen zu lassen, regelmäßig hochkarätige Literatur zu lesen, Fachliteratur sowieso, etc.

Dinge wollen statt streng und diszipliniert sein

Was ich jedoch offensichtlich gut kann ist etwas zu wollen. Und das ist viel einfacher, als „diszipliniert“ zu sein.

So sehe ich im obigen Beispiel den springenden Punkt nicht darin, keine Süßigkeiten essen zu wollen, sondern darin, gesund bleiben zu wollen. Mit dem Fokus darauf schaffe ich es auch seit meiner Herzratenvariabilitätsmessung bei Heartrates vor ein paar Jahren, täglich mindestens 8 Stunden zu schlafen. Nicht weil ich gerne um 9h ins Bett gehe, wenn ich um 5 Uhr aufstehen muss. Sondern weil ich gerne ausgeschlafen meinen Tag bestreite (und es hasse, mich müde durch die Gegend zu schleppen), und weil ich gerne gesund bleiben möchte. Und ausreichend Schlaf ist für unsere Gesundheit einfach unumgänglich. Speziell auch für das Immunsystem und für das Hirn.

Ich finde es auch nicht sonderlich prickelnd, seit einem Jahr fast jedes Wochenende in einem Ausbildungszentrum zu verbringen, in meiner kargen Freizeit zu lernen und seit Monaten wöchentlich 26 Stunden für einen Hungerlohn PatientInnen im Viertelstunden-Takt zu behandeln unter räumlichen Bedingungen, die unergonomischer gar nicht sein könnten. Das zu erwartende Endergebnis dieses ganzen Aufwandes ist es mir dann aber doch wert – ganz abgesehen von der täglichen Horizonterweiterung, wie im Februar-Blog beschrieben. Wenn ich meinen Fokus darauf richte was mir wirklich wichtig ist, muss ich nicht jeden Tag von Neuem entscheiden, ob ich nun um 5h aufstehen möchte oder nicht, mir Essen vorkochen möchte oder nicht, meine Beziehungen pflegen möchte oder nicht, mich weiterbilden möchte oder nicht, aufmerksam in der Realität sein möchte oder nicht, monatlich einen Blog und Newsletter schreiben möchte oder nicht.

Ein paar große, statt unzählige kleine Entscheidungen treffen

All diese kleinen Entscheidungen fallen weg, wenn wir uns für einige wenige wichtigen Dinge entscheiden und uns dann immer wieder daran erinnern was wir eigentlich wollen.
Obama hat das in einem Interview mit Vanity Fair gut auf den Punkt gebracht:

“You’ll see I wear only gray or blue suits,” he said. “I’m trying to pare down decisions. I don’t want to make decisions about what I’m eating or wearing. Because I have too many other decisions to make.” He mentioned research that shows the simple act of making decisions degrades one’s ability to make further decisions. It’s why shopping is so exhausting. “You need to focus your decision-making energy. You need to routinize yourself. You can’t be going through the day distracted by trivia.”

Nicht nur für den Alltag ist dieses Prozedere hilfreich, auch für Krisen, z.B. in Beziehungen. Kriselt es, können wir uns daran erinnern, dass wir die Beziehung einmal wollten, die Nähe zu diesem Menschen einmal suchten – sonst gäbe es die Beziehung ja nicht. Dann können wir uns überlegen, ob wir diese Beziehung weiterhin haben möchten. Wenn beide Beteiligten das bejahen, geht es nur noch darum, dafür zu sorgen, dass die Beziehung weiterbestehen kann: vielleicht braucht es ein klärendes Gespräch (oder viele), vielleicht braucht es Mediation, eine Paartherapie, sicher braucht es Veränderungen. Aber sobald die grundsätzliche Entscheidung gefallen ist, dass du die Beziehung willst und bereit bist, dafür etwas zu tun, musst du ganz viele andere Dinge nicht mehr jedes Mal neu entscheiden. Deine Freundin macht es wahnsinnig, wenn du die Zahnpastatube offenlässt? Mach sie zu. Deinen Partner nervt es, wenn du die Klopapierrolle nicht nachfüllst? Füll sie nach.

Was willst Du eigentlich?

Eine der wirklich wichtigen Fragen ist die danach, was wir eigentlich wollen. Wie wir sein wollen, wie wir leben, was wir bewirken, erreichen wollen. Wenn dir das einmal klar ist, kannst du dich immer wieder daran erinnern, dich immer wieder von neuem dafür entscheiden und dich daran orientieren. Und dann mache immer wieder einen Schritt in die von dir vorgegebene Richtung. Der Weg zu dem was du willst ist voraussichtlich nicht eben und schnurgerade. Aber jedes Mal, wenn du dich wieder darauf fokussierst, was es ist, das du willst, erfolgt wieder eine kleine Kurskorrektur und es wird mit der Zeit immer leichter, die Richtung zu wahren. Dann gehen dir Süßigkeiten plötzlich kaum mehr ab und 8h Schlaf sind ganz normal.

Eine der relevantesten Erkenntnisse die ich durch die Körperarbeit erlangt habe und bestrebt bin, meinen KlientInnen zu vermitteln ist genau diese Freiheit – in jedem Augenblick aufs Neue entscheiden zu können, was wir wollen. Wie wir sein und leben, was wir zur Welt beisteuern wollen. Die ersten drei InteressentInnen, die sich bei mir melden, weil sie ihren Willen gezielt stärken wollen, um ihn produktiv für ihre Ziele einzusetzen erhalten 4 Sitzungen zum Preis von 3.
Alle 4 Sitzungen sind wöchentlich zu absolvieren. First come first served. Gültig bis 17. April 2019.

Fürchtet Euch (Nicht). Gedanken über die Angst 2

Fürchtet Euch (Nicht). Gedanken über die Angst 2

Foto: Cora K. Hiebinger

Kürzlich hat in einer FB-Gruppe eine Frau um Erfahrungsberichte zu Knie-OPs gebeten. Obwohl der bevorstehende Eingriff eine Routine-Operation sei, habe sie doch großen Bammel davor. Wie in dieser Gruppe üblich, wurde ihre Anfrage mit zahlreichen Kommentaren bedacht.

In fast allen Posts wurde entweder von bereits gut überstandenen Operationen, erfreulichen Resultaten und großartigen ChirurgInnen und PflegerInnen-Teams berichtet, oder Tipps gegeben, wie man sich am besten beruhigen und die Angst dämpfen könne.

Das eigentliche Problem mit der Angst beginnt hier – wir wollen die Angst nicht, sie soll aufhören, weggehen. Und wir lassen uns so einiges einfallen, um dieses Ziel – angstfrei zu sein, uns nicht mehr zu fürchten – zu erreichen.

In einem Artikel über die Angst im Spiegel (41/2010) schreibt Samiha Shafy:

„Menschen, die keine Angst empfänden, sagt Borwin Bandelow, Psychiater in Göttingen und einer der bekanntesten Angstforscher Deutschlands, seien in aller Regel psychisch gestört. Der Biopsychologe Niels Birbaumer aus Tübingen, der die Gehirne angstfreier Psychopathen untersucht, ergänzt: „Menschen mit einem solchen Defekt bekommen meist schon in der Kindheit Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich. Später werden sie oft kriminell.“

Wenn wir also an eine bevorstehende OP denken, ist es doch ziemlich normal Angst zu haben. Sobald ein Skalpell im Spiel ist, dass man noch dazu nicht selbst in der Hand hat, wird unser Körper auf „high alert“ schalten und sich für Flucht oder Kampf bereitmachen – also Angst haben. Die große Kunst besteht nun darin, sich der „Gefahr“ bewusst zu sein, die jedem chirurgischen Eingriff und jeder näheren Begegnung mit einem scharfen Gegenstand innewohnt (jetzt mal ganz abgesehen von multiresistenten Keimen, die man sich einfangen kann und allem, das während eines Krankenhausaufenthaltes oder überhaupt – während man sein Leben lebt – so passieren kann) und trotzdem nur so viel Angst zu haben, wie es der Situation entspricht. D.h. wenn ich mich in einem österreichischen Krankenhaus einer notwendigen, geplanten Operation unterziehe, muss ich mich weniger fürchten, als wenn derselbe Eingriff ein Notfall in einem Feldspital in einem Krisengebiet ist. In beiden Fällen sollte ich aber tunlichst meine Angst erlauben und spüren, statt meine Energie zu verschwenden mit Versuchen, mich zu beruhigen und sie zu unterdrücken, sie weghaben zu wollen. Denn Angst ist genau die Energie, die für unser Überleben sorgt und für unsere Gesunderhaltung bzw. Heilung unabdingbar ist. Wenn wir uns nämlich einfach nur beruhigen und so tun, als hätten wir keine Angst, uns einreden, auch keine haben zu müssen, bringt das oft mit sich, dass wir die Verantwortung für unser Wohlergehen völlig an jemand anderen abgeben. Eine manchmal verlockende Idee, aber nicht immer dazu angetan, dass es uns dann auch wirklich wohl ergeht. Selbst in einem österreichischen Spital ist es unter Umständen durchaus sinnvoll, eine Person deines Vertrauens mitzunehmen, wenn du stationär aufgenommen wirst. Und vielleicht bringt dich ja deine Angst dazu, eine zweite Meinung einzuholen, bevor du dich unters Messer legst. Also, nicht so ohne, diese Balance zwischen Angst ja, aber nicht zu viel, damit du dich ohnmächtig fühlst und nicht zu wenig, damit du  nicht allem ohne Fragen zustimmst.

Wie also mit besorgniserregenden Situationen umgehen?

Wie immer, wenn es um Zustände (hier: „Angst vermeiden“) geht, kannst Du in mehreren Schritten damit umgehen lernen.

Zunächst ist es notwendig zu bemerken, wie Du der Angst begegnest, was du gegen sie machst, was du tust, um sie weniger zu spüren.

Beliebt ist: die Atmung zu reduzieren, einzuschränken; den Bauch festzumachen, einzuziehen oder rauszudrücken (in verschiedensten Variationen); die Schultern hoch-, vor-, oder zusammenzuziehen; das Becken und die Beine aus der Wahrnehmung zu nehmen, sozusagen „abzuschneiden“, etc.

Ohne „Untergestell“ sind wir natürlich automatisch schon weniger fähig, den uns ängstigenden Situationen zu begegnen und standzuhalten, und die Energie, die wir für diverse Anstrengungen aufwenden, fehlt uns dann als wichtige Ressource für die Situation, mit der es umzugehen gilt.

Oft ist auch eine Gedankenspirale im Spiel: dabei wechseln sich oft Horrorszenarien mit Beruhigungsversuchen ab.

In Sitzungen ist der nächste Schritt, deinen ganz persönlichen, „Gegen die Angst-Seins-Zustand“ sehr genau kennenzulernen und mehr und mehr Kontrolle darüber zu gewinnen. Dabei intensivierst du deinen Zustand oder Aspekte davon, lässt ihn wieder los, spielst sozusagen mit ihm.

Je mehr Kontrolle du über deinen Zustand gewinnst, desto deutlich und offensichtlicher wird auch, dass du selbst diesen Zustand erzeugst; du also auch die Freiheit hast, ihn nicht mehr zu erzeugen.

Wenn du noch keine Erfahrung mit Körperarbeit und Grinberg hast, kannst du zumindest zwei der Werkzeuge sofort umsetzen:

  1. Bemerken, wie du deiner Angst entgegenwirkst, wie du dich beruhigst, etc. (s. oben)
  2. Dich entscheiden, deiner Atmung mehr Raum zu geben:

            d.h. du erlaubst dem Zwerchfell, dass es sich bei der Einatmung nach unten        Richtung Becken bewegt, bei der Ausatmung mehr oder weniger passiv wieder nach   oben rutscht. Dafür ist es hilfreich, dem Bauch und Brustkorb Flexibilität zu erlauben,   damit diese Bewegung des Zwerchfells nicht behindert wird und die Lungen Platz       haben sich anzufüllen und wieder zu entleeren –

Sobald du deinen Körper quasi atmen „lässt“, statt deine Atmung entweder einzuschränken oder mit Anstrengung durchzuführen, wirst du vermutlich bemerken, dass sich ein Teil der Anspannung/ein Teil deines Zustandes bereits durch das Delegieren der Atmung an den Körper gelöst hat. Du atmest weiter und spürst, was vom Zustand noch übrig ist. Du kannst dein Gewicht abgeben und deinem Körper erlauben sich der Schwerkraft hinzugeben. D.h. jeder Knochen liegt dort, wo er hinsinkt, wenn du dein Gewicht an die Unterlage abgibst.

Möglicherweise spürst du jetzt deine Aufregung/Angst als körperliche Empfindung (ein Kribbeln, Zittern, Pochen, Schwitzen,…..). Atme weiter und gib weiterhin dein Gewicht an die Unterlage ab. Gehe immer wieder mit deiner Aufmerksamkeit in den Körper, d.h. spüre, wie der Körper auf der Unterlage aufliegt. Wähle einen Körperbereich, den du gut spürst und bringe deine Aufmerksamkeit immer wieder dorthin zurück. Egal, was dein Verstand dir einreden möchte, welche Beruhigungsformeln oder Schreckensszenarien dir vorschweben, entscheide immer wieder aufs Neue, deinen Körper auf der Unterlage zu spüren und entspannt weiterzuatmen. Möglicherweise wirst du auch ein Gefühl der Klarheit wahrnehmen können. Denn das ist, was uns die Angst u.a. bringt: Klarheit, Lebendigkeit, Präsenz. Mehr zum Thema Angst findest du auch im Blog-Artikel „Schau ihr in die Augen, Liebes„.

Wer sich mit ihrer/seiner Angst anfreunden möchte – Sitzungen im März zum Thema Angst erlauben: 4-er Paket um 30% vergünstigt.

 

 

Raus aus der Filterblase.

Raus aus der Filterblase.

Foto: Cora K. Hiebinger

Dass Algorithmen im Internet uns Suchergebnisse, Posts und Werbungen zuspielen, die unser Weltbild immer wieder aufs Neue bestätigen ist uns allen bekannt. Selbst in den 90’er Jahren, als das Internet noch nicht allgegenwärtig war wurden Profile von uns erstellt – damals in New York hat es mich noch erheitert, dass mich das Marketing-System offensichtlich als „African-American professional business entrepeneur“ kategorisiert hatte, und mir entsprechende Werbung ins Haus flatterte. Diese Falscheinschätzung war vermutlich den damaligen schlichten Methoden geschuldet. Mittlerweile ist das anders und die Filterblasen haben uns fest im Griff.
 
Die Blase umgibt uns jedoch nicht nur im virtuellen, sondern auch im analogen Leben. Nahe FreundInnen haben zum Großteil ähnliche Weltanschauungen und Wertvorstellungen wie wir selbst, bei mir erstreckt sich diese Ähnlichkeit auch auf Familienmitglieder und sogar KlientInnen.
 
Seit Anfang Dezember absolviere ich im Rahmen meiner derzeitigen Ausbildung ein Praktikum. Vor Beginn war ich lediglich gestresst darüber; über den zeitlichen Zusatzaufwand, die Tagwache um 5h (Wien Steht Auf!!), das auf die Spitze getriebene Zeitmanagement im Dienst (3 PatientInnen gleichzeitig betreuen), die Verantwortung, das theoretische Wissen praktisch rasch und richtig umzusetzen. Ich konnte nicht ahnen, wie horizonterweiternd sich die Arbeit jetzt gestaltet, wie sehr meine „Bubble“ täglich gesprengt wird und wie demütig mich diese Konfrontation mit meinen eigenen Vorurteilen macht.
 
So war vor kurzem eine junge Frau da, Fahrerin für die Wiener Linien von Beruf. Ins Gespräch gekommen erzählte sie, dass sie ihren Traumberuf lebt. Viel besser als ihr voriger Job, da sie nun in Ruhe ihre Arbeit tun könne. Und dann kam der Zusatz: wie sie es genösse, die Otto Wagner Architektur vorbeiziehen zu sehen, und wie schön die Sonnenaufgänge seien, und der Sternenhimmel in Richtung Floridsdorf.
 
Oder der Bauarbeiter, mit dem ich während der Unterwassermassage auf die Hainburger Au zu sprechen kam und er meinte, er sei dort gewesen. Mein Bild dazu war sofort, dass er wohl mit einer Motorsäge Teil der „Gegner“ gewesen sei, doch das wurde sofort zurechtgerückt. Wir waren beide Au-BesetzerInnen. Und auch wenn auch er eine der Gratis-Zeitungen durchblättert, um die Zeit zu überbrücken, haben wir, wie sich bei jedem Termin aufs Neue herausstellt, eine sehr ähnliche Sichtweise der derzeitigen Politik in unserem Land.
 
Auch mit einem Streifenpolizisten habe ich mich unterhalten und mit einer Kassiererin in einem Diskont-Supermarkt, mit Reinigungskräften und Hacklern aller Art, ältere Türkinnen, die sich freuen, wenn ich mein Türkisch hervorkrame, und junge, die mich respektvoll „Abla“ nennen. 
 
Zu meiner früheren Überlegung, dass alle Menschen – egal woher – eigentlich nur sicher leben und ihre Kinder großziehen können wollen kommt nun noch dazu – und sie wollen ihre Schmerzen loswerden.
 
Es fühlt sich wirklich gut an, die eigene Bubble so durchgeschüttelt zu sehen und Schlussfolgerungen in Frage zu stellen oder gleich ganz über Bord werfen zu können. Und das bestärkt mich auch aufs Neue in der Sinnhaftigkeit meiner Arbeit, in der es im Grunde immer auch gerade darum geht:
 
• die eigenen Filterblasen zu erkennen, zu bemerken, wie sie unsere Realität färben und immer wieder auszubrechen, um mehr Raum für unsere Wahrnehmung zu haben, für das, was ist – und mehr „selbst“ sein zu können
• und einen neuen Umgang mit Schmerz zu lernen und auch ihn loszulassen, um mehr umfassendes Wohlbefinden in unserem Leben zu erreichen.
 
Und auch außerhalb eines Lernprozesses, der dir hilft, deine ganz persönliche Filterblase, deinen ganz persönlichen Schmerz zu entlernen kann ich nur wärmstens empfehlen, mal mit Leuten zu sprechen, mit denen du normalerweise nicht kommunizierst, eine Routine zu durchbrechen, andere Medien als sonst zu konsumieren. Es ist immer wieder erstaunlich, wie bereichernd das sein kann. Und wie viel Hoffnung es bringt, dass die meisten Menschen ganz einfach Menschen wie du und ich sind. Egal, wo sie herkommen und welchen Beruf sie haben. 
Vom Ende zum Anfang

Vom Ende zum Anfang

Foto: Cora K. Hiebinger

In meiner Ausbildungs-What’sApp-Gruppe wurde gerade folgende Nachricht gepostet: „Das Boarding für Flug 2019 kann beginnen. Euer Gepäck sollte nur die besten Souvenirs von 2018 enthalten! Die schlechten und traurigen Momente sollten unbedingt in den Müll geworfen werden……..“

Auch wenn ich mich für einen sehr positiv denkenden Menschen halte, kann ich diesem Vorschlag nicht ganz Zustimmen. Ich denke es gilt, sowohl die positiven als auch die negativen Erfahrungen Revue passieren zu lassen und bewusst zu entscheiden, was ich mitnehmen, was ich verändern möchte, wovon ich mir mehr wünsche, was entbehrlich ist – und wie ich dafür sorgen kann, dass das kommende Jahr wirklich ein Neues wird.

2018 war für mich teilweise mühsam und wirklich sehr anstrengend. Als es mir im Herbst dann wirklich zu viel zu werden drohte hatte ich eine Erkenntnis – wenn ich ein Minimum von 7,5h – besser 8h – Schlaf benötige und um 5h aufstehen muss, dann muss ich spätestens um 21h ins Bett gehen. Und wenn mir die Lage der Welt und wie mit ihr und Menschen umgegangen wird den Schlaf raubt, dann muss ich mich in Gelassenheit üben und mehr auf das fokussieren, was ich selbst in der Hand habe. Das heißt auch, mich weniger mit Hiobs-Botschaften zudröhnen zu lassen – auch wenn viele davon die Realität widerspiegeln.

Das sind gleich zwei Dinge, die ich mitnehmen und von denen ich mir noch mehr wünsche – womit auch gleich zwei gute Vorsätze auf meiner Liste stehen: weiterhin auf meine Gesundheit und mein Wohlbefinden achten und mich weniger echauffieren über Dinge, die ich nicht ändern kann. D.h. weniger oft mit Fassungslosigkeit reagieren, wenn an jeder Ecke ein Auto parkt mit laufendem Motor, oder 92% der Fahrgäste in der U-Bahn auf ihr Handy starren und nach wie vor die meisten nichts dabei finden, Getränke für zwischendurch in Einweg-Plastikgebinden zu kaufen.

Es werden mir noch mehr Vorsätze und Ziele für 2019 einfallen – spätestens, wenn ich in den nächsten Tagen Pläne zu schmieden beginne, wie das Jahr ablaufen soll, was geschehen soll, wovon weniger, wovon mehr sein soll. Den Beginn dieser Planung sehe ich jedoch im Prozess des Abschließens – die Wohnung aufgeräumt und geputzt, die Buchhaltung erledigt, mich um Dinge gekümmert die nervig waren aber erledigt werden mussten. Jetzt liegt alles klar und übersichtlich vor mir und ich kann mir überlegen, warum 2018 oft einmal mühsam war, was ich anders machen kann in Zukunft und wie. Was gut gelaufen ist, was nicht so gut gelaufen ist. Was von den Zielen für 2018 ich zufrieden abhaken kann, was noch Arbeit benötigt, was sich vielleicht ganz anders entwickelt hat als ich geplant habe. Und mir für diese Überlegungen, für diese Revue des Alten auch genügend Zeit nehmen. Auf dass es ein gutes, neues Jahr werde.

Ich wünsche Dir ein gutes neues Jahr, Gesundheit und Zufriedenheit, Glück und Erfolg. Wenn Du Unterstützung brauchst dabei, deine guten Vorsätze umzusetzen – im Workshop Get_It_Done gebe ich Dir zahlreiche Werkzeuge, die Dir das Erreichen Deiner Ziele erleichtern. Oder Du besorgst Dir einen 5’er Block für Einzel-Sitzungen, in denen wir ganz individuell gemeinsam daran arbeiten, dass die Veränderung, die du anstrebst, sich in deinem Leben manifestiert.

Schenken mit Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit Schenken.

Schenken mit Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit Schenken.

Foto: Cora K. Hiebinger

Das es weihnachtet merkt man in den letzten Jahren vor allem daran, dass sich mehr als sonst mit Säcken und Paketen bepackte Menschenmassen durch die Einkaufsmeilen schieben. Da sich meine Praxis nun mal auf der Mariahilfer Straße befindet, erlebe ich das hautnah mit, auch wenn ich nur ein paar Pedaltritte auf ihr zurücklege, um möglichst schnell wieder in das Refugium meines Arbeitsplatzes abtauchen zu können. Der „Black-Friday“ – eine seltsame Neueinführung – war anscheinend der Auftakt; die Schlangen an den Kassen zogen sich durch halbe Geschäfte und wie ich hörte, gab es zeitweise Probleme mit dem Internet vor lauter Online-Shoppen.

Ich mag die Vorweihnachtszeit. Ich mag es zu spüren, dass das Jahr zu Ende geht mit einem Neubeginn gleich um die Ecke. Ich mag die Kälte (die jetzt endlich angekommen ist) und die frühe Dunkelheit – einfach als Zäsur und klaren Schnitt. Abende zu Hause, in eine Decke gekuschelt, heißer Tee und dicke Wollsocken. FreundInnen, die ich selten sehe – weil wir alle sehr beschäftigt sind mit unseren Leben – auf einen Punsch treffen. Nach Leobersdorf in die Wellnessoase fahren und nach der Sauna ins wirklich eiskalte Wasser steigen. Merken, dass ich müde bin und zurückblicken auf das Jahr und wissen – ja, klar, kein Wunder.

Ich mag auch Weihnachten selbst. Wir essen gut, es gibt selbstgebackene Kekse, wir lachen viel. Über die Jahre ist es immer weniger stressig und immer friedlicher und lustiger geworden. Was wohl auch daran liegt, dass ich genau 5 Menschen beschenke und von ihnen beschenkt werde. FreundInnen bekommen ein Geburtstagsgeschenk, aber zu ein und demselben Anlass 5 gute Geschenke zu finden reicht vollkommen, finde ich.

Schenken mit Aufmerksamkeit

Ich schenke gerne und ich bekomme auch gerne Geschenke. Der Spaß am Schenken hat für mich damit zu tun, eine wirklich zündende Idee zu haben, wie ich jemandem eine Freue machen kann. Das passiert manchmal zufällig, mitten im Juni, und ich sehe etwas auf einem Markt, von dem ich weiß, das gefällt meiner Nichte 100%ig. Oder ich bin in einer anderen Stadt und es gibt dort etwas, dass meiner Mutter große Freude machen wird, und es gibt es nur dort und ich weiß, sie würde sich das selber nie gönnen. Schenken mit Aufmerksamkeit heißt auch, das Lieblingsbuch meines Bruders zu kennen, damit ich den Titel meiner Buchhändlerin Anna Jeller nennen kann und sie schlägt mir 3 Bücher vor, die ihm dann wohl auch gefallen werden – und es tun. Aufmerksam Schenken heißt dann auch, etwas zu verschenken, was ich selbst vielleicht nicht als Geschenk möchte, – aber die beschenkte Person eben doch. Und nicht etwas zu schenken, nur damit man etwas einpacken kann. Oder es gar nicht erst einpacken und nur nebenbei aus einer Kiste mit lauter gleichen Dingen ziehen.

Aufmerksamkeit Schenken

Es ist nicht so, dass ich alles besitze, was ich gerne haben möchte. Aber die materiellen Dinge, die ich mir – außer einem Garten – wünsche sind wirklich sehr spezifische, praktische Sachen – ein Radanhänger z.B., oder ein neues Zelt, weil meines mittlerweile altersschwächelt. Von vielen anderen Besitztümern habe ich mich mittlerweile getrennt und – auch wenn ich davon noch weit entfernt bin – mir schwebt als Ideal ein gewisser Minimalismus vor. Ich kaufe kaum noch Sachen. Vermutlich geht es vielen so ab einem gewissen Alter. Wir haben alles, die Wohnung – oder gar das Haus – ist voll. Das Auto auch. Der Keller und der Zweitwohnsitz ebenso. Aufmerksamkeit und Zeit sind dann schon wieder etwas anderes.

In den letzten Jahren haben mein Freundeskreis und ich mehr und mehr begonnen, Aktivitäten zu verschenken. Das Großartige daran – wenn man der Busenfreundin einen gemeinsamen Thermenbesuch schenkt, kommt man selbst auch in den Genuss der Entspannung. Oder ein Pflanzenfärbekurs mit meiner Schwester, Mutter und Nichten, den ich mit wenig Begeisterung begann und der sich zu einem sehr erbaulichen Tag entwickelte, von dem wir mit Wolle in sanften Farben heimkehrten. Auch Konzert- oder Theateraufführungsabos, die man dann gemeinsam besucht, haben sich sehr bewährt. Und wenn man es überschaubarer haben möchte, kann auch ein Kinofrühstück oder eine Abendvorstellung gemeinsame Zeit und Aufmerksamkeit bedeuten. Und ich bin immer wieder begeistert über einen Ausflug, zu dem man einen Apfel und harte Eier mitnimmt und irgendwo dann auf einen Kaffee – oder ein Bier – einkehrt. Aktivitäten können dann auch noch auf verschiedenen Ebenen nachhaltig  sein. Kein Staubfänger, sondern gemeinsame Erinnerungen, keine ressourcenbindende DVD für zu Hause, sondern Performance-Erlebnis zum Eintauchen, Angreifen und Spüren.

Aufmerksamkeit und Spür-Fähigkeit erhöhen

Ich hoffe, Du findest heuer Zeit und Muße, den letzten Monat des Jahres zu genießen und hast ganz viele schöne Ideen, wie Du Deinen Liebsten und/oder Dir selbst eine Freude bereiten kannst. Falls Du Deine Aufmerksamkeit erhöhen möchtest, damit dir mehr freudespendende Ideen kommen ist es hilfreich, immer wieder mal tief durchzuatmen, das Gewicht abzugeben an die Schwerkraft und den Körper zu spüren. Das hilft Verzweiflungskäufe zu verhindern :-).

Hier eine kleine Übung dazu:

Rippen-Weiten:

Sitze aufrecht auf einem Sessel. Der Torso sitzt quasi auf dem Becken, der Kopf auf dem Hals, alles ist im Lot und übereinandergeschichtet. Beginne auf der rechten Seite. Platziere die rechte Hand hinten auf den unteren rechten Rippen, die linke Hand vorne auf den oberen rechten Rippen (Wenn deine Wahrnehmung schon geschärft ist, kannst du es auch ohne die Hand aufzulegen machen.)

Nun atme so, dass du eine Ausdehnungsbewegung gegen die Hände spürst, auf einer Diagonalen die von schräg oben vorne nach schräg unten hinten verläuft. Es geht nicht darum, eine möglichst große Bewegung zu erzielen, sondern eine möglichst gleichgroße nach vorne oben und hinten unten. Wiederhole das für einige Male (2 – 3 min), dann die Hände sinken lassen, weiteratmen, so wie dein Körper es jetzt mag. Vergleiche die beübte mit der unbeübten Seite. Dann mach das gleiche auf der anderen Seite.

Bleib noch sitzen, spüre den Körper auf dem Sessel. Bring dich noch einmal ins Lot, atme tief weiter, lass weiter Anstrengung los. Gib dein Gewicht an den Sessel ab, das Gewicht der Beine an den Boden. Gleichzeitig lass den Scheitel nach oben schweben – du klinkst dich in die Flieh- und die Schwerkraft ein, atmest und entspannst.

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Falls Du Hilfe bei der Entspannung brauchst – im Dezember gibt es noch einmal den „Pop Up. Hand Arbeit.“ in der Praxis in Wien, mit Glühmost und gratis Entspannungssitzungen, Schminkberatung, sowie Stoff statt Plastik-Taschen und Wohnaccessoires aus österreichischer Schafwolle von Sheepish. Kostenfreie Entspannungs-Sitzungen gibt es auch noch einmal im Thalia in Linz (voraussichtlich 13. Dezember, 15 – 17:30h) und falls Du nachhaltiges Wohlbefinden schenken/haben willst, ist das heurige Weihnachstangebot 4 Sitzungen zum Preis von 2*.

Schönes Schenken. Schönes Beschenktwerden.

 

 

Dafür Sein

Dafür Sein

Foto: Cora K. Hiebinger

Random Acts of Kindness als sanfte Revolution

Neulich habe ich folgenden Post auf FB gelesen:

„While much of America seems to be getting more and more divisive, I’m going to be holding doors for strangers, letting people cut in front of me in traffic, greeting all I meet, exercising patience with others, and smiling at strangers.“

Dazu passend die Rede unseres Bundespräsidenten Alexander van der Bellen zum Nationalfeiertag, der da sagte:

„Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen. Lassen wir uns nicht einreden, Mitgefühl zu zeigen, sei weltfremd. Lassen wir uns nicht einreden, ausschließlich an sich selber zu denken sei das einzig Kluge, Realistische und die eigentlich wünschenswerte Norm. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Normen sich verschieben und wir stumpf werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Recht des Stärkeren das Maß aller Dinge wird.“

Wir haben die Wahl

Beide Zitate beziehen sich auf die realistische Möglichkeit eine Wahl zu haben. Eine Wahl nicht nur an der Urne (das ist Anfang November für die AmerikanerInnen relevant), sondern auch die Wahl, wie wir sein möchten. Was wir tun, oder eben nicht tun wollen. Was wir aussprechen, und was wir für uns behalten. Wie wir etwas sagen und welche Wörter wir verwenden – oder eben nicht. Und selbst wenn unsere Gedanken oft einfach wie aus dem Nichts aufzutauchen und völlig außerhalb unserer Kontrolle zu liegen scheinen, können wir auch hier entscheiden wie viel Aufmerksamkeit wir einem Gedanken geben, wie sehr wir uns mitreißen lassen in eine Richtung – oder eben nicht.

Unsere Wahlmöglichkeiten scheinen in der heutigen Zeit immens – gab es früher ein Joghurt von der Molkerei des Bundeslandes, kann man jetzt in jedem ADEG verschiedene Marken und Sorten erstehen, vielleicht eigentlich vom selben Anbieter, aber das ist oft schwer zu durchschauen. Billigsttarife ermöglichen es jedeR von uns, auch im kommenden Jahr wieder eine Fernreise in ein exotisches Land zu buchen. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten aller eingeschränkt mit jedem vermüllten Strand, jedem Grad Klimaerwärmung, jeder ausgestorbenen Spezies, jeder versiegten oder an Nestlé verkauften Wasserquelle.

Widerstand

In letzter Zeit habe ich mich vermehrt von meiner Empörung über den Status der Welt, – darüber, was politisch bei uns und auch anderswo passiert, wie sehr die Wahrheit verdreht wird und wir alle für dumm verkauft werden, wie nonchalant von den Mächtigen Gesetze gebrochen werden und die mit einem Klaps auf die Hand „bestraft“ werden und wie wenig die wirklich bedrohlichen Themen  – z.B. die des Klimawandels – angegangen werden – mitreißen lassen. Das hat mich viel Energie gekostet und meinen Stresslevel in ungesunde Höhen geschraubt. Ich stelle mich hiermit dieser Realität und der Tatsache, dass ich meine Ressourcen damit überstrapaziere und ich so nicht weitermachen kann.

Dafür Sein

Auch wenn ich mir vermutlich weiterhin die Haare raufen, wenn ich den 10. SUV des Tages mit laufendem Motor stehen, oder die mit 0,25l Einweg-Plastikflaschen überquellenden Mistkübel der Stadt sehe; ich habe beschlossen, mich nicht mehr darin aufzureiben, gegen das alles zu sein, sondern mich noch mehr darauf zu fokussieren, für etwas zu sein. Für etwas, das ich in der Hand habe. D.h., dieses Für heißt, dass ich meinen ökologischen Fußabdruck noch weiter zu verringern suche. Und dass ich – wie in den obengenannten Zitaten beschrieben – mich immer wieder dazu entscheide, freundlich und geduldig zu bleiben, sozusagen als paradoxe Intervention auch zu Leuten, die mir den Vorrang nehmen, sich vordrängen, unhöflich sind.

Und noch öfter wähle, freundlich und höflich zu sein zu Fremden, Türen aufzuhalten, zu grüßen, zu lächeln, das Handy auf lautlos zu stellen und vom Tisch zu räumen, wenn ich mit jemandem dort sitze, den KassiererInnen im Supermarkt Aufmerksamkeit zu schenken, Dinge aufzuheben, die jemandem zu Boden gefallen sind. Zu wählen, mich nicht daran zu gewöhnen, dass das jetzt eben so ist bei uns, dass die Menschen eben so sind, dass ich scheinbar nichts verändern kann. Und mich immer wieder bemühen, meinem eigenen Ideal davon, wie man sein, was man tun soll zu entsprechen. Und wenn ich es wieder einmal nicht schaffe nicht auszurasten im Angesicht großer Präpotenz und Arroganz, auch zu mir freundlich zu sein ob dieses Ausrutschers. Und weitermachen mit dem Dafür-Sein und vielleicht damit kleine, revolutionäre Nester zu initiieren von Freundlichkeit, Respekt, Aufmerksamkeit. Die sich zu einem Netzwerk des Miteinander, des Mensch-Seins verbinden und die Welt durchdringen. Und sie damit verändern. Mit jedeR von uns.

Wo bist Du zu Hause?

Wo bist Du zu Hause?

Foto: Cora K. Hiebinger

Seit September biete ich jeden Donnerstag Sitzungen in Linz, der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, an. Nachdem ich mittlerweile schon doppelt so lange in anderen Städten  lebe als in Linz, hat mich das plötzliche Bedürfnis, wieder mehr Zeit in Oberösterreich zu verbringen doch etwas überrascht (und nicht nur mich 🙂 ). Und obwohl ich trotz dieser langen Abwesenheit vor jedem Besuch in Linz immer kundtat, dass ich „nach Hause“ fahre, kam ich auch immer „heim“ wenn ich wieder in Wien (oder New York) ankam.

Das Gefühl, dass sich jetzt in mir breit macht, wenn eine Linzer Klientin ein typisch oberösterreichisches Wort verwendet, das ich in Wien so nie zu hören bekomme – oder wenn ich in OÖ den Blick schweifen lasse in die Landschaft, die doch eine sehr andere Qualität hat als die rund um Wien, ist eines, das Du sicher kennst. Ob es nun ein Lieblingsplatz im Wohnzimmer ist, auf den du dich mit Kuscheldecke zurückziehst, wenn du nach einem langen Arbeitstag nach Hause zurückkommst, oder ein Lieblingsort in der Natur, auf den du dich regelmäßig begibst, um Entspannung zu finden. Selbst in Pilates-Gruppenstunden platzieren die meisten ihre Matte immer wieder auf denselben Platz. Ein Platz, den wir manchmal in Seminaren zu suchen aufgefordert werden – geht im Raum herum und bleibt da, wo es sich stimmig anfühlt. Es ist eine Stimmigkeit, ein Wiedererkennen. Es sind Augenblicke des zur Ruhe Kommens, des Ankommens, wo du die Gewissheit spürst, dass – jetzt gerade – alles gut ist, alles passt, so wie es ist.

Und wahrscheinlich kennst du das Gefühl auch von Sitzungen. Wenn sich plötzlich eine Selbstverständlichkeit breit macht, Du für eine Weile aufhörst gegen den Status Quo anzukämpfen, gegen das, was nicht so ist, wie du es gerne hättest; und stattdessen im Einklang bist mit dem was ist. Damit, was und wie Du bist. Zustimmst, dass es ist, wie es ist – selbst wenn da Schmerz ist, oder Angst. Kein Gefangen-Sein in einem Zustand, keine Enge oder Einschränkungen, die du dir selbst auferlegst. Du bist einfach. Ich nenne diese Empfindung, dieses „Einfach-Sein“ auch „Ohne-Extra“ oder „Wesen“ sein. Ohne irgendwelchen Strategien, Glaubenssätzen, Überlegungen dazu, wie wir sein sollen, was wir zu tun haben. Nichts-Angelerntes, Geübtes, sondern ein simples „Ich bin“. „Du bist“. Der Inbegriff von Körper sein – eben ohne Extra. Ein Seins-Zustand, der sich häufig genüsslich anspürt, oder zumindest Erleichterung verschafft.

Heimkommen in den Körper – und die Vorteile davon

Dieses bei sich ankommen, heimkommen in den Körper hat viele Vorteile.

Am offensichtlichsten ist wahrscheinlich, dass Du, wenn Du kein „Extra“ machst, weniger Energie verbrauchst. D.h., statt die Schultern hochzuziehen und das Kiefer anzuspannen, lässt du beide Bereiche locker und atmest tief. Statt Körperbereiche abzukapseln und nicht bzw. wenig spürbar zu machen, schenkst du ihnen Aufmerksamkeit. Statt im Kopf mit immer wiederkehrenden Gedanken beschäftigt zu sein, genießt du die Stille in und um Dich. Die Energie, die du dir ersparst (weil du kein „Extra“ machst) kannst du dann für sinnvollere Dinge verwenden: Dinge, die dir Spaß machen – oder du steckst sie in deine Arbeit und die geht dir dann leichter von der Hand, ist erbaulicher, und es bleibt dir mehr Freizeit weil du mit deinen Aufgaben schneller fertig bist.

Die Extras, die wir uns und unserem Körper antun, kosten nicht nur Energie, sie reduzieren auch häufig unser Wohlbefinden. Entweder, weil wir durch die ewige Anspannung unseres Schulter- und Nackenbereichs auch häufig Kopfschmerzen haben, oder weil wir vor lauter Einziehen unseres Bauchs unsere Verdauung behindern und er mit Aufgebläht-Sein reagiert. Abgesehen davon kann es sich – wie oben bereits erwähnt – sehr wohlig und genüsslich anfühlen, einfach der Körper zu sein, der man ist. Ohne an ihm herumzunörgeln und zu -zupfen.

Die Extras betreffen natürlich nicht nur überflüssige Anstrengung in bestimmten Körperteilen, sondern eben auch Glaubenssätze oder die Art, wie wir in bestimmten Situationen automatisch denken. Und vielleicht ist ja die Überzeugung – „Das wird eh wieder nichts“ oder „Die anderen können das alle viel besser“ nicht wirklich deine, ganz persönliche Überzeugung, sondern etwas, was du von irgendjemandem häufig gehört und dann übernommen hast, oder was – als du 4 warst und alle anderen schon 8, damals zwar gestimmt, heute aber keine Gültigkeit mehr hat.

Wenn KlientInnen in Sitzungen diesen Zustand des Selbstverständlich-Seins, Körper-Seins erfahren, ist oft auch eine spürbare Erleichterung im Raum. Kein Wunder eigentlich, dass unsere Körper froh sind, wenn sie die Extras, die wir ihnen abverlangen (Lächeln obwohl uns nicht danach zumute ist, den Mund halten, obwohl wir etwas zu sagen hätten, die Zähne zusammenbeißen, obwohl uns zum Weinen ist, ….) aufgeben dürfen.

Wenn wir davon ausgehen, dass jede und jeder von uns ein ganz außergewöhnlich einzigartiges Wesen ist mit ganz bestimmten Charakteristika und Qualitäten, dann ist neben all diesen persönlichen Vorteilen des Heimkommens in den Körper auch noch die Welt an sich eine Gewinnerin wenn wir heimkommen. Denn wenn Du die Fähigkeit hast, besonders einfühlsam zu sein und die verschiedensten zwischenmenschlichen Schwingungen nicht nur wahrnehmen, sondern auch verstehen kannst – und dieses Talent nicht in die Welt bringst, weil du immer darauf gedrillt wurdest, doch besser mit harten Fakten zu jonglieren – ist die Welt ein ärmerer Ort.

Wenn du aber bei deiner Selbstverständlichkeit ankommst, ist es leichter zu spüren, was du liebst und brauchst – und im Bestreben, das dann zu verwirklichen, in dein Leben zu bringen, kommst nicht nur du deinem persönlichen Glück näher, sondern machst gleichzeitig die Welt zu einer besseren.

Hartmut Rosa schreibt in seinem neuen Buch: Resonanz:

„Das Leben aber gelingt, … nicht per se dann, wenn wir reich an Ressourcen und Optionen sind, sondern, so banal, ja tautologisch dies zunächst klingen mag: wenn wir es lieben. Wenn wir eine geradezu libidinöse Bindung an es haben. Es, das sind dabei die Menschen, die Räume, die Aufgaben, die Ideen, die Dinge und Werkzeuge, die uns begegnen und mit denen wir es zu tun haben. Wenn wir sie lieben, entsteht so etwas wie ein vibrierender Draht zwischen uns und der Welt.“

Wenn wir Körper sind, ist da nicht nur ein einzelner vibrierender Draht, sondern wir können uns über die gesamte Körperoberfläche mit der Welt verbinden. Und spüren, was ist.

Wenn Du Lust hast, Deine Selbstverständlichkeit zu entdecken – probier eine Sitzung aus: jeden Donnerstag von 9 – 14h in Linz, den Rest der Woche wie gehabt in Wien. Im Oktober mit dem Codewort: „Körper-Sein“ für NeukundInnen zum halben Preis.

Hier noch eine kurze Übung zum Ausprobieren:

Am besten du legst dir gute Musik auf, und bewegst dich im Rhythmus dazu, so wie es dir angenehm ist. Schau, dass du nicht einfach ins Disco-Fieber gleitest sondern wirklich bewusst deine Beine, dein Becken, den ganzen Körper spürst und sich bewegen lässt.

Dann bleib stehen (oder setzt dich aufrecht hin). Die Füße sind satt auf dem Boden platziert, du gibst dein Gewicht an den Untergrund ab.

Nimm ein paar tiefe Atemzüge.

Dann atme ein (tief aber ohne Anstrengung)

halte den Atem und spanne den Körper an (nicht 100%, aber so ca. 75%)

stell dir vor, du legst alles an Ablenkungen, Sätzen die im Kopf herumschwirren, in das nächste Ausatmen.

Atme aus mit „TSSSSSSS“.

Atme weiter.

Spüre den Boden unter dir und lass deine Fußsohlen Wurzeln schlagen, dehne deine Wahrnehmung nach unten in den Boden aus.

Auch das mach ohne Anstrengung, erlaube es einfach, dich mit dem Boden zu verbinden.

Dann spür den Raum über dir und dehne deine Wahrnehmung nach oben aus.

Mach das einige Atemzüge lang, ohne jegliche Anstrengung.

Dann spür noch einmal nach unten und nach oben, dehne deine Wahrnehmung aus.

Dann nimm die restlichen 4 Richtungen – nach vorne, nach hinten, nach links und nach rechts auch mit und dehne deine Wahrnehmung, den Raum den du einnimmst auch in diese Richtungen aus.

Lass dich von Wänden, Decken, anderen Gegenständen oder Personen nicht aufhalten. Erinnere dich immer wieder daran, dass das Ganze kein Kampf ist, sondern ein natürlicher Seins-Zustand unseres Körpers – wir – als Wesen – hören nicht an unserer Hautoberfläche auf. 🙂

Willkommen daheim.

 

Gedanken über den Schmerz, 2

Gedanken über den Schmerz, 2

Foto: Julia M. Rohn

Während der April-Blog von 2017 „Schmerz lass nach“ Gedanken zum Thema Trauer und Schmerz sammelte, geht es in diesem Blog des Herbstbeginns um körperlichen Schmerz. Auch wenn es für den Körper wohl wenig Unterschied macht, worauf der Schmerz beruht – auf einer verlorenen Liebe oder einem fehlbelastetem Knie – weh tun tut es allemal. So schreibt auch Harro Albrecht in seinem Buch Schmerz. Eine Befreiungsgeschichte:

„Der Schmerz ist die Grenzfläche, an der Psyche und Körper aufeinandertreffen. Er ist Trennungsschmerz, Wundschmerz und psychische Verletzung durch Zurückweisung. Er ist ein Phänomen, welches das ganze menschliche Leben umfasst.“

Schmerz ist ein Kommunikationsmittel des Körpers. Er ist ein Hinweis an uns – halt, hier stimmt etwas nicht. Achtung, hier ist Gefahr im Verzug. Wie sinnvoll und wichtig das ist, erschließt sich uns dann, wenn wir den Leidensweg von Menschen mit einer seltenen Krankheit (CIPA = hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ IV) betrachten, die keinen Schmerz spüren können. Da sie keinen Schmerz spüren, lassen Kinder mit diesem genetischen Defekt bei ihren Unternehmungen nur wenig Vorsicht walten, was zu wiederholten, schweren Verletzungen führt. Bereits verletzt, schonen sie den betreffenden Körperteil auch nicht, weil es ja nicht wehtut. Langfristig werden so Knochen und Gelenke zerstört.

Auch wenn Dir jedoch theoretisch nachvollziehbar ist, warum Schmerz eine sinnvolle Einrichtung des Körpers ist, mag natürlich trotzdem niemand Schmerzen haben. So ist unsere übliche Reaktion darauf auch genau das: wir ignorieren ihn, wollen ihn loswerden, kämpfen dagegen an. Und selbst wenn eine Verletzung eigentlich schon wieder gut ist, verharren wir doch oft in einer Vermeidungshaltung und schränken unseren Bewegungsspielraum aus Angst vor neuerlichen Schmerzen ein. Sei es, dass wir den Arm nicht mehr über 90 Grad heben, oder dass wir Wanderungen oder sonstige Aktivitäten resigniert aus unserem Freizeitprogramm streichen.

Abgesehen davon, dass uns jede unserer automatischen Reaktionen auf Schmerz Energie kostet und zusätzliche Belastungen kreiert – wir müssen aktiv etwas tun, um z.B. eine schmerzhafte Zehe auszublenden, oder gegen den Status Quo einer wehen Schulter anzukämpfen, oder unsere schmerzende linke Hüfte nicht zu belasten – machen wir die Bemühungen unseres Körpers zunichte mit uns zu kommunizieren wenn wir den Schmerz nicht wahrhaben wollen, unserem Körper also kein Gehör schenken. Kein Wunder, dass er dann manchmal zu schreien beginnt – so ähnlich wie ein gestresster Elternteil, der seinen Teenager-Kindern gegenüber laut wird, weil sie ganz einfach nicht zuhören.

Selbstverständlich braucht ein frisch operiertes Knie Entlastung, und die Versteifung der Rückenmuskeln bei einem akuten Bandscheibenvorfall ist ein sinnvoller Schutzmechanismus des Körpers. Aber oft hinken Menschen noch 2 Jahre nach einem Unfall – einfach weil sie sich in der akuten Phase eines Schmerzes ein Kompensations-Bewegungsmuster angewöhnt haben, das längerfristig zu neuen Fehlbelastungen und damit Schmerzen in anderen Körperbereichen führen kann. Und statt Energie dafür aufzuwenden, sich gegen den Schmerz zu wehren, fährst du sehr viel besser damit, dem Körper die Aufmerksamkeit zu geben, die er mit dem Schmerz versucht von Dir einzufordern. Aufmerksamkeit ist Energie, und wenn etwas wieder gut werden soll, benötigt der Körper Energie.

Vor ein paar Jahren war Fabrizio Benedetti, ein renommierter Placebo-Forscher an der Abteilung für Neurowissenschaften der Universtiät Turin einer der RednerInnen beim jährlichen Spiraldynamik-Kongress in Zürich. Er berichtete von Studien, in denen PatientInnen Schmerzinfusionen bekamen, ohne zu wissen, wann genau das Schmerzmittel zugeführt wurde. Der Zeitpunkt der Schmerzmittelgabe korrelierte überhaupt nicht mit der von den PatientInnen gefühlten Erleichterung. Eine weitere Untersuchung testete die gefühlte Schmerzlinderung in PatientInnen, die eine „Ultraschallbehandlung“ erhielten. Von drei Gruppen bekam eine die Behandlung von einer TherapeutIn die nur das Notwendigste mit ihnen sprach, die zweite von einem, der nett war, und die dritte von einer, die überaus empathisch sehr gezielt auf die PatientIn einging. Das Ultraschallgerät war dabei gar nicht wirklich eingeschaltet. Nicht überraschend, berichteten die PatientInnen der dritten Gruppe von der größten Schmerzreduktion. Ich interpretiere diese Ergebnisse jetzt einmal frei dahingehend, dass der Körper Aufmerksamkeit und Entspannung möchte, und dass – wenn wir wagen uns die Option zuzugestehen, dass es auch wieder besser werden kann (und die Sätze, die unser Verstand möglicherweise wiederholt – Es wird immer so bleiben. Es wird nie wieder gut. – nicht glauben), genau das passiert – es wird besser.

In Sitzungen machen wir uns diese Effekte zunutze und nutzen dann die Werkzeuge der Grinberg-Methode, der Spiraldynamik und von Pilates.

Statt zu versuchen, den Schmerz so schnell wie möglich loszuwerden, schenken wir ihm und dem Körper Aufmerksamkeit. Oft reduziert alleine das wirkliche, ehrliche Hinspüren bereits einen Teil des Schmerzes. Weil wir aus dem Drama aussteigen, dass der Verstand möglicherweise abspult (Was ist wenn es wieder so schlimm wird wie gleich nach der OP? Ich werden nie wieder Sport machen können! Ich verliere meinen Job wenn ich das mit dem Rücken nicht hinkriege!) und einfach einmal der Realität ins Auge „spüren“. Und dabei atmen. Und uns entspannen. Und dann spüren wir möglicherweise, dass da ein Schmerz ist, unser Körper aber eigentlich recht gut damit umgehen kann und die Sache sehr pragmatisch sieht. Und dass ein Teil des Gefühls es nicht aushalten zu können Panik ist, und nicht Schmerz.

Weiters verwenden wir unsere Aufmerksamkeit, um herauszufinden welchen Zustand wir kreieren, wenn wir den Schmerz ignorieren oder loswerden wollen, oder wenn wir darauf warten, dass er wieder auftritt (und wie sehr wir dabei Energie verschwenden, die wir eigentlich dafür benötigen würden, dass es wieder gut wird). Möglicherweise hörst Du auf zu atmen, ziehst den Bauch ein, eine Schulter hoch, spannst die Beine an und machst dich „tapfer“, wappnest dich, inklusive „stiff upper lip“. Und schon ist der Schmerz da oder stärker als noch gerade eben. Viele KlientInnen waren schon sehr erstaunt, wie sehr sie ihren Schmerz selbst beeinflussen können, ihn stärker machen und ihn auch wieder reduzieren – und wie automatisch und ohne viel Nachzudenken oder Auszuprobieren sie das sofort hinbekommen – egal ob Kopf-, Regel- oder Rückenschmerz.

Dann übst Du das kreieren des Zustands und vor allem das Loslassen desselben immer wieder, sowohl in Sitzungen als auch zu Hause in Deinem Alltag. Du übst, mutig zu sein, hin zu spüren zu dem was ist, trotzdem tief zu atmen, dich trotzdem zu entspannen. Du lernst, die Angst zu erlauben, die du natürlich vor dem Schmerz hast. Und Du lernst mehr und mehr Kontrolle darüber zu erlangen, wie du ihn beeinflussen kannst und mit dem Schmerz umgehst. Und wie du mit dir umgehst.

Denn abgesehen von dem Zustand, mit dem du auf den Schmerz reagierst gilt es auch herauszufinden, warum der Schmerz überhaupt da ist. Ist es eine Fehlbelastung, die du durch eine ungünstige Körperhaltung bewirkst? – Dann machen wir eine Standanalyse und du lernst, deine Haltung wieder ins Lot zu bringen. Ist es eine strukturelle Schwäche oder (verspannte) Unbeweglichkeit in einem Körperbereich, der dazu führt, dass andere Bereiche das ausbaden müssen und jetzt überbelastet sind? – Dann bekommst du Übungen aus der Spiraldynamik oder Pilates, um die schwächelnden Bereiche wieder fit zu bekommen und du lernst die starren Bereiche wieder beweglicher zu machen. Bewegst du dich überhaupt zu wenig, oder fehlt der Genuss in deinem Leben, und dein Körper schreit nach Tanz und Tollerei? Zwingst du dich, in einer Situation zu verharren, die deinem Wohlbefinden schmerzhaft abträglich ist? – Dann kannst du lernen, deinen Schmerz als Motivation zu nutzen, Dein Leben zu verändern, um das, was Dir fehlt wieder zurückzugewinnen.

Und keine Sorge, meist sagt der Körper sehr klar was Sache ist. Du musst ihm nur zuhören. Und ich übersetze gerne. 🙂

Im September gibt es für alle NeukundInnen in Linz Sitzungen zum stark reduzierten Einstands-Preis. Und das September-Spezial ermöglicht es allen, die einen neuen Umgang mit Schmerz lernen möchten, dies unter „günstigen“ Bedingungen zu tun. Melde dich einfach.

More of the Same – oder Augen zu und durch

More of the Same – oder Augen zu und durch

Foto: Cora K. Hiebinger

Es ist heiß. Sehr sogar. Spontan wird darauf reagiert mit dem Kauf von mehr Kühlaggregaten und dem Hochschrauben der Klimaanlagen. Vor manche Geschäfte braucht man sich nur vor die automatischen Schiebetüren stellen, um von einem Schwall kalter Luft eingehüllt zu werden. Wer jetzt im Auto sitzt und den Motor laufen lässt, argumentiert mit dem Bedarf an Kühlung (und weniger oft mit der nötigen Handy-Aufladung). Wer es sich leisten kann, fliegt in kühlere Gegenden und lässt die Winterflucht-Destinationen alt aussehen.

Von offizieller Seite reagiert man sinngemäß mit einer 140km/h Test-Strecke und plant den Lobau-Tunnel. Durch einen Neuentwurf des Standortentwicklungsgesetzes soll die Genehmigung von „Großprojekten im öffentlichen Interesse“ automatischer genehmigt und damit beschleunigt werden und bestehende Gesetze zum Umweltschutz – z.B. das Verbot des „vermeidbaren“ Laufenlassen des Motors werden nicht exekutiert.

Also – More of the same – oder Augen zu und durch.

Im Kleinen machen wir es nicht anders. Um Situationen zu überstehen, kreieren wir einen Zustand. Da wir unsere Zustände üblicherweise als Kinder/Jugendliche entwickeln und erlernen, sind sie – als Strategie für den Umgang mit herausfordernden Situationen – enden wollend durchdacht. Jedenfalls ist der Entwicklung keine Kosten-Nutzen-Rechnung vorausgegangen. Was zu Beginn nicht so schlimm ist – immerhin haben wir alle überlebt und sind groß geworden und kommen mehr oder weniger gut zurecht. Allerdings addiert sich der Preis, den wir für unsere Zustände zahlen über die Jahre. Und dann zwickt es halt irgendwann mal mehr als früher. So wie auch das Wetter immer öfter Kapriolen schlägt und einige der Konsequenzen der Globalen Erwärmung – über die ich schon vor Dekaden in der Schule gelernt habe – bereits gang und gäbe – zur Selbstverständlichkeit geworden sind. So wie unsere Zustände uns wie eine zweite Haut begleiten.

Nehmen wir den folgenden Zustand: Schultern hoch, Atmung flach, Brust eng, Kinn vorgestreckt, Bauch eingezogen, Beine angespannt. Man tut so, als hätte man alles im Griff und macht gute Miene zum bösen Spiel. Dieser Zustand ist z.B. die Strategie einer Person, mit Stress und Angst umzugehen. Oder ihre Wut nicht zu zeigen und stattdessen „lieb“ und „verständnisvoll“ zu tun.

Je öfter wir diesen Zustand kreieren, desto besser „können“ wir ihn und desto „normaler“ wird er für uns – und für alle die uns kennen. D.h. irgendwann erwarten alle in Deinem Umfeld, dass du das Kind schon schaukeln wirst, egal wie viele Anforderungen gerade auf dich einstürmen. Und egal, was man dir zumutet oder wie sehr jemand versucht, mit dir Schlitten zu fahren, dein Verständnis wird eingefordert. Und du erfüllst brav die Erwartungen.

So füllt sich langsam aber sicher ein Reservoir. Ein Reservoir an Angst. Oder ein Reservoir an Wut. Ein Reservoir an „unerwünschten“ Gefühlen, für die du nur diesen einen, automatischen Umgang hast, nämlich deinen Zustand. Je voller das Reservoir, desto größer der Druck und desto mehr „Gegendruck“ = Zustand musst du erzeugen, um das Reservoir, den status-quo aufrecht zu erhalten. D.h. du benötigst immer mehr Energie.

In einem Ökosystem mit begrenzten Ressourcen heißt das dann auch, dass du für andere Dinge weniger Energie zur Verfügung hast.

Und die körperlichen Anzeichen des Zustands sind deinem Wohlbefinden auch nicht wirklich zuträglich: durch das ständige „Schultern hoch“ entwickeln sich vielleicht schmerzhafte Verspannungen, die über den Nacken weiter in den Kopf ziehen. Durch flache Atmung wird der Torso weniger durchbewegt, innere Organe weniger massiert, die Verdauung, der Lymphabfluss, die Blutgefäße weniger unterstützt, die Abatmung von Abfallprodukten reduziert, und weniger Sauerstoff für Energiebereitstellung aufgenommen; „Bauch eingezogen“ kann zu Verdauungs- und Unterleibsbeschwerden führen. All das kann im Gegenzug zu einer gedrückten, negativen Stimmung führen und deine Konzentrationsfähigkeit und Klarheit beeinträchtigen. Wenn das Eigenschaften sind, die du für deinen Job dringend brauchst, musst du dich noch mehr anstrengen, um deine Arbeit gut erledigen zu können. Rundherum ein Verprassen von Ressourcen – genau wie wir es global mit unserer Umwelt auch tun.

Und genauso wenig, wie der Plastikmüll nicht einfach verschwindet, nur weil er jetzt gerade in aller Mund ist und ganz viel Schreckensbotschaften über vermüllte Strände und Gewässer im Umlauf sind, verschwindet auch das, was sich in Deinem ganz persönlichen Reservoir aufgestaut hat nicht einfach von selbst. Und manchmal beginnt es auch so richtig zu „modern“.

Stop!

Wie oben erwähnt – wir brauchen offensichtlich nicht auf die Regierung oder sonst jemanden hoffen, der uns aus der Misere rettet. Tempo 140 ist wohl nicht die geeignetste Antwort auf die Umweltprobleme unserer Zeit.

Aber du selbst hast es in der Hand. Du kannst immer entscheiden, was du tun willst. Eine weiter Einweg-Plastikflasche kaufen und den Müllberg damit vergrößern, oder das zu stoppen: d.h. aufhören, solche Produkte zu kaufen. Du kannst dir stattdessen eine hübsche Glas- oder weichmacherfreie Plastikflasche zulegen und die immer wieder befüllen. In Wien jedenfalls mit wohlschmeckendem Alpquellwasser.

Du kannst auf dem Heimweg schnell noch einkaufen gehen und jede Tomate und Banane in ein eigenes Plastiksackerl geben, oder jetzt gleich ein paar Sackerl oder Stofftaschen (z.B. von Stoff statt Plastik) in deine Haupttasche einstecken und die immer mit dabei haben – für alle Fälle. D.h. du stoppst die Verschwendung von Ressourcen.

Und du kannst weiterhin dein Reservoir befüllen und deine Energie und dein Wohlbefinden dafür aufbrauchen, es geschlossen zu halten – oder du entscheidest dich dafür, zu stoppen.

D.h. in diesem Fall, deinen Zustand zu stoppen. Ihn loszulassen.

Ihn nicht mehr zu kreieren.

Die Schultern zu entspannen. Sie wie ein Babyhäubchen sanft auf den Brustkorb gleiten zu lassen. Erlauben, sie dorthin abzulegen, wo sie hingehören. Wo sie ihren Platz finden werden.

Wieder tief(er) zu atmen. Tiefe, ruhige Atmung suggeriert dem Hirn „Aha. Wir sind entspannt“. Und ein Teil deines Zustands wird sofort wegschmelzen. Ohne jegliche Anstrengung.

Egal, was Teil deines „Zustands“ ist, du stoppst alles was dazugehört. Und das ist manchmal nicht ganz einfach – weil sich der Zustand ja ganz normal anfühlt. Und weil es – wie wir auch global sehen – äußerst verlockend ist, den Status Quo beizubehalten.

Es erfordert

  • Aufmerksamkeit (zu bemerken, wo du selber Ressourcen verschwendest)
  • die Erkenntnis, dass du selbst kein Opfer (mehr) bist, selbst entscheiden kannst und deine Handlung auch eine Wirkung zeigen (dein persönlicher Müllberg wird kleiner) und
  • Konsequenz (die befüllte Flasche immer von zu Hause mitzunehmen).

Und es heißt, deine Komfortzone zu verlassen.

Denn wenn du aufhörst, so zu reagieren wie immer, werden sich Dinge zu bewegen beginnen. Gibt es vielleicht Brösel. Spürst du Dinge, die du ganz und gar nicht spüren willst. Erfährst du, dass du viel Energie verwendet hast, um eine Illusion aufrechtzuerhalten.

Aber stoppen funktioniert. Deine Muskeln wissen, wie sie loslassen können. Du kannst entscheiden, wie du atmest. Du kannst sogar entscheiden, was Du denkst, welchen Gedanken du Aufmerksamkeit schenkst. Was du glauben willst, und was nicht.

Niko Paech schreibt in seinem Buch:

„Befreiung vom Überfluss“: Derzeit verzetteln wir uns in einer reizüberfluteten Konsumsphäre, die unsere knappste Ressource aufzehrt, nämlich Zeit. Durch den Abwurf von Wohlstandsballast hätten wir die Chance, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, statt im Hamsterrad der käuflichen Selbstverwirklichung zusehends Schwindelanfälle zu erleiden. Wenige Dinge intensiver zu nutzen und zu diesem Zweck bestimmte Optionen einfach souverän zu ignorieren, bedeutet weniger Stress und damit mehr Glück.“

Durch den Abwurf des „Zustands“-Ballasts haben wir die Chance, das zu sein, was wir wirklich sind. Zu unserer Essenz zu kommen. Ohne Extra. Unsere Passion zu finden, das, was wir mitbekommen haben für die Welt. Und ein größeres Glück kenne ich nicht als das, wenn der Körper einfach ist und das sein darf, was er ist. Wie eine natürliche Lichtung im Wald mit einem moosbewachsenen Felsblock und einem kleinen See, über den eine Libelle schwebt.

Hast Du Ballast abzuwerfen?

Für den Monat August biete ich allen Interessierten Sitzungen zum geschmolzenen Hitze-Preis an. Anruf oder Mail genügt – und wir sorgen gemeinsam für eine Energieumverteilung – aus dem Reservoir und Zustand in dein selbstbestimmtes, lustvolles, leidenschaftliches Leben.

Die Essenz der Freiheit. Die Freiheit der Essenz.

Die Essenz der Freiheit. Die Freiheit der Essenz.

Foto: Cora K. Hiebinger

Wanderschuhe. Badeanzug. Schlafsack und Liegematte. Oropax. Lesestoff. Gewürze. Taschenmesser. Kaffee. Campinggeschirr und -kocher. Zelt. Gewand in Schichten. Sandalen. Waschzeug. Sonnencreme. Kopfbedeckung. Handtuch.

Das sind die Dinge, die ich für meinen Urlaub im Salzkammergut einpacke. Wanderschuhe sind für einen Aufenthalt am Fuße des Höllengebirges selbstverständlich ein Muss. Der Hochlecken lockt auch heuer wieder mit seinem Ausblick über das Seengebiet. Badeanzug muss natürlich ebenfalls mit – campen am See heißt, dass man schon vor dem Frühstück das erste Mal schwimmt – und selbst wenn die Außentemperaturen vom hochsommerlichen wieder einmal eher ins frühlingshafte sinken, bleibt die Wassertemperatur doch gleichmäßig angenehm. Da mir guter Schlaf sehr wichtig ist, habe ich Oropax mit dabei (die Zeltwände sind dünn und nicht allen ist das immer so ganz klar) und als Ersatz für meine alte Iso-Matte eine großartige Liegematte erstanden, die es mir ermöglicht, weiterhin auf dem Zeltboden zu schlafen. Gutes Essen ist mir auch sehr wichtig, d.h. auch wenn ich mich auf einen Seesaibling-Steckerlfisch und einmal eine Reinanke freue, wird doch vorwiegend auf dem Campingkocher gekocht. D.h. Salz, Pfeffer, Curry, Oregano, Chilli und die Spezialmischung meines Kollegen Bernhard Friedrich sind fix mit dabei. Und natürlich ausreichend Lesestoff, mit dem mich Anna Jeller verlässlich versorgt.

Öffentlich anzureisen hilft sehr, nur das Nötigste mitzunehmen, das, was für mich die Essenz eines Urlaubs ausmacht. Das mag für jedeN etwas anderes sein, aber wie auch immer, was ich nicht selber schleppen kann, kommt einfach nicht mit. Aber auch wenn diese Reduktion auf das Nötigste aus einer Notwendigkeit heraus entsteht, schätze ich doch das Konzept der Essenzsuche seit Jahren mehr und mehr. Um nichts anderes geht es ja auch in meiner Arbeit – im Grunde begleite ich meine KlientInnen immer wieder auf diesem Weg zu ihrer ganz persönlichen Essenz.

Verhaltensweisen, Atemmuster, Glaubenssätze oder Überzeugungen die wir uns im Laufe unseres Erwachsenwerdens antrainiert haben sind nichts anderes als „Extras“, die wir ohne viel nachzudenken über Jahrzehnte mit uns herumschleppen. Als „Überlebens“-Strategie, die wir uns vielleicht mit 4 zugelegt haben, schlucken wir unseren Zorn herunter und sind ganz, ganz lieb. Oder wir fahren uns ganz herunter und gehen in einen Überdauerungs-, einen Aushalte-Zustand, voll überzeugt davon, sowieso nichts ausrichten zu können. Oder wir haben uns eine automatische Rüstung angelegt, die uns alle und alles etwas vom Leib hält. Das Problem: solche Extras kosten uns Energie und Aufmerksamkeit, können zu Verspannungen oder sonstigen Beschwerden führen und überlagern unsere eigentliche Essenz zumindest mit einem Grauschleier.

Umso erfrischender ist es, wenn es einE KlientIn schafft, so einen Extra-Zustand abzulegen. Plötzlich ist jemand nicht mehr „lieb“ sondern ganz, ganz klar. Plötzlich spürt sich jemand nicht mehr als hilfloses Opfer, sondern kraftvoll und voller Schabernack. Plötzlich ist jemand nicht mehr von der Welt getrennt, sondern sanft und großzügig mit ihr verbunden.

Nur mit dem zu reisen, was man wirklich braucht ermöglicht Flexibilität und Unabhängigkeit. Es macht leicht und gibt ein Gefühl der Freiheit. Und – da die Welt – davon bin ich überzeugt – die Essenz von jedeR von uns dringend braucht, machen wir mit jedem Loslassen eines Extras die Welt zu einem besseren Ort.

Es ist nicht so schwierig, wie es scheint. Es geht im Grunde immer nur darum, etwas nicht mehr zu tun, zu glauben, etwas loszulassen. Immer wieder. Und Deine Essenz wird immer sichtbarer und zu glänzen beginnen.

Wenn Du Unterstützung dabei willst, dich von ein paar Extras zu befreien – ruf mich an. Und verbessere dabei auch gleich die Welt. 😎

Für eine neue Selbstverständlichkeit

Für eine neue Selbstverständlichkeit

Foto: Cora K. Hiebinger

In den letzten Monaten war das Thema Plastik vermehrt in allen Medien. Grauenerregende Fotos von kläglich verendeten Meerestieren, die sich entweder in Plastikmüll verfangen haben (z.B. 6er-Tragerl-Plastikring) oder deren Magen so mit Müll gefüllt war, dass sie keinen Platz mehr für echte Nahrung hatten und als Mahnmal unserer Verantwortungslosigkeit und unseres Nicht-Denkens an vormals idyllischen Stränden verhungert angespült wurden.

Daneben gibt es immer wieder Jubelmeldungen über +/- innovative Ideen. Schweden verbrennt seinen Müll zur Energiegewinnung, 4 Ocean (https://4ocean.com/pages/our-story) sammelt Müll an Stränden und im Meer mit Teams von Freiwilligen. Eine Bierbrauerei in Florida machte Schlagzeilen, weil sie einen essbaren 6er-Tragerl-Plastikring für ihre Bierdosen entwickelt hat. Und immer wieder werden Einweggebinde (Partygeschirr, Besteck, Sackerl) aus abbaubaren Materialien entwickelt. Es gibt sogar eine Seite für Bio-Einweggeschirr – irgendwie doch ein Oxymoron.

Es stimmt, dass in Schweden Recyceln zum guten Ton gehören zu scheint. Das Video, das auf Facebook ganz, ganz viele Likes und Ohs und Ahs bekommen hat, zeigte aber lediglich, dass sogar Müll aus anderen Ländern importiert wurde, weil ganze Stadtteile mit der Abwärme bzw. mit Elektrizität der Verbrennungsanlage versorgt werden konnten. Aber daraus die Erfolgsmeldung zu machen, dass Schweden 99% seines Mülls recycelt (wie es in den Berichten kolportiert wurde), ist nicht ganz richtig, wenn 50% des Mülls verbrannt wird. Das überdehnt den Begriff des Recycelns doch schon etwas.

Wenn wir den Status Quo realistisch betrachten ist uns wohl allen klar, dass es ein Problem gibt. Wir verschwenden bedenkenlos Ressourcen, als gäbe es kein Morgen, und ganz oft tun wir das aus Bequemlichkeit und weil wir keine Aufmerksamkeit dafür haben, was wir da eigentlich Tun – und dass das, was wir tun unweigerlich Konsequenzen hat.

Egal, ob es um die globale, nationale, regionale, oder unsere ganz individuelle Umwelt – nämlich uns selbst und unsere Energiereserven – geht: ich glaube, dass es gewisse Parallelen gibt zwischen der Haltung, die wir uns und unserem Körper gegenüber, und der, die wir unserer Umwelt als Ökosystem gegenüber haben.

Mit einem mechanistischen Weltbild, in dem wir unseren Körper als Maschine betrachten, die gefälligst funktionieren soll, ohne seine Bedürfnisse (nach z.B. Erholung und ausreichend Schlaf, frischer Luft, Wald und Wiesen, gesunder Ernährung, Stille) auch nur wahrzunehmen, fällt es vermutlich wenig auf, wenn wir unsere Umwelt mit genauso wenig Respekt und Aufmerksamkeit behandeln. Wir übersehen dabei aber, dass unsere Körper ja nicht in einem Vakuum existieren, sondern in Abhängigkeit von einer gesunden Umwelt. Das unsere Haltung eben Konsequenzen nach sich zieht.

Ein Paradigmenwechsel für eine neue „Umwelt“-Strategie

Gerald Hüther hat in seinem Buch „Raus aus der Demenzfalle“ in bekannt brillanter Art sehr klar beschrieben, warum es nicht so leicht ist sich zu ändern. Unser Hirn braucht in Ruhe 20% unseres Energieumsatzes. D.h. ohne, dass wir Nachdenken, etwas Lernen, uns Bewegen oder irgendeine +/- anspruchsvolle Tätigkeit ausführen, frisst unser Hirn 20% unseres täglichen Kalorienbedarfs. Ungefähr so wie ein Porsche Cayenne Turbo oder sonstige immer beliebtere Geländewägen, die im Stadtverkehr 18 Liter brauchen. Evolutionär gesehen ist unser System natürlich darauf bedacht, unseren Energieverbrauch möglichst gering zu halten. Neue Denk- und Bewegungsmuster im Hirn zu bahnen, kostet zusätzliche Energie: die alten Bahnen müssen abgebaut und die neuen aufgebaut werden. Also vermeidet unser System, Dinge zu verändern.

Da wir aber Menschen sind, können wir uns trotzdem entscheiden, dieses evolutionäre Energiesparprogramm zu überschreiben, diesen Umbau anzugehen. Und immer wieder anzugehen. Immer wieder zu wählen, was wir wie tun wollen.

D.h. dass wir etwas, das wir jetzt als selbstverständlich betrachten – die Schulter hoch zu ziehen wenn wir gestresst sind, aufzuhören zu atmen, an einer Überzeugung festzuhalten, die behauptet, dass wir das sowieso nie schaffen werden – hinterfragen und uns weigern, immer wieder gleich zu reagieren.

Im Großen heißt das dann vielleicht, dass wir die Selbstverständlichkeit hinterfragen, mit der Fernreisen einmal im Jahr auf dem Programm stehen; mit der jedeR über 18 ein Auto hat und vorwiegend alleine auch für Strecken benutzt, die öffentlich genauso gut erreichbar wären; mit der man beim Einkaufen erwartet, ein Sackerl in die Hand gedrückt zu bekommen (und dazu gehören auch die ganz dünnen für Einzelfrüchte); mit der man sich gedankenlos täglich seinen Coffee-To-Go im Einweggebinde reinzieht.

Ein weiterer erschwerender Faktor für einen Paradigmenwechsel ist, dass wir es nur selber machen können. Unsere Muster und Selbstverständlichkeiten, unsere ganze „Normalität“ ist eng mit denen anderer verwoben.

Wenn wir die Schritte betrachten, die in großen Konzernen in Sachen Plastikvermeidung getätigt werden – da werden hinter Werbekampagnen gegen das Plastiksackerl die Altpapiertransportwägen immer noch täglich neu mit Plastik eingewickelt. (Photo).

Und wenn eine Regierung allen Ernstens Tempo 140 als sinnvolle Verkehrsstrategie ansieht, wird deutlich, dass von dieser Seite wenig Unterstützung für die Förderung und Aufwertung des öffentlichen Verkehrs zu erwarten ist. Natürlich wird auch niemand für Dich tief durchatmen, oder eine Stunde vor dem Schlafengehen alle elektronischen Geräte abschalten – auf dass dein Körper in Ruhe Melatonin für eine geruhsame Nachtruhe produzieren kann.

Eine neue Selbstverständlichkeit – Schritt für Schritt

Es ist natürlich großartig, wenn jemandem etwas dazu einfällt, wie wir die Plastikberge relativ effizient wieder aus der Landschaft fischen können. Oder Materialien zu entwickeln die auch irgendwann mal wieder verrotten statt generationenübergreifend Mülldeponien zu füllen, die Meere zu verschandeln und als Giftstoffe aus Produktion und Verbrennung, sowie als Nanopartikel auch in unseren Körpern zu landen.

Einer Möwe, die sich in einem 6er-Tragerl-Ring verfangen hat, hilft es jedoch wenig, dass das Teil essbar ist. Und Recyceln alleine ist ganz einfach zu wenig. Wenn wir Glaubenssätze betrachten, wird das besonders deutlich – wir recyceln sie bis zum Umfallen, erzählen uns immer wieder das Gleiche und verheddern uns immer mehr, weil wir jedes Mal, wo wir althergebrachte Muster wieder abspulen, das Muster weiter verfestigen.

Das Ganze funktioniert natürlich auch in die umgekehrte Richtung. Jedes Mal, wenn Du das tust, was Deine neue Selbstverständlichkeit unterstützt (Deine Schultern loslassen, Handy/TV/PC ausschalten, Dich zu weigern, einen Uralt-Glaubenssatz zu glauben) baust Du alte Bahnen ab und ermöglichst Neues.

Probier einmal für drei Wochen, deine Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen.

  • entspricht deine Zu-Bett-Geh-Zeit Deinem Schlafbedürfnis, oder müsstest du eigentlich schon früher schlafen gehen?
  • wirst Du tagsüber unterwegs etwas zu trinken brauchen und könntest Du eine Flasche wieder befüllen statt eine neue zu kaufen?
  • schmeckt Dir das Essen in der Kantine, oder gehst du nur dorthin, weil es bequem ist?
  • hast Du eine Tragetasche eingesteckt, falls Du unterwegs ein paar Einkäufe machen musst?
  • veränderst du bei der Arbeit immer wieder deine Sitzposition oder vergisst du speziell unter Stress Dich zu bewegen?
  • brauchst du für einen bestimmten Weg das Auto wirklich?
  • strengst du dich bei der Verrichtung alltäglicher Tätigkeiten unnötig an und hörst auf zu atmen?
  • macht es Sinn, ein bestimmtes Teil wegzuwerfen, oder könnte sich jemand noch daran erfreuen (d.h. lieber zum Hilfswerk, zur Caritas, etc. bringen)?

Je mehr du deine Aufmerksamkeit auf diese Dinge richtest, desto mehr wird dir auffallen, wo es noch Sinn macht nachzudenken und zu evaluieren, ob das, was dir selbstverständlich geworden ist wirklich so „normal“ und „sinnvoll“ ist. Und je mehr Menschen diesen Paradigmenwechsel angehen, desto mehr wird das uns allen – inklusive unserer Umwelt – Wohlbefinden bescheren. Vor allem, wenn wir uns immer wieder daran erinnern, dass das Ganze evolutionär nicht so ganz einfach ist und es mit Freundlichkeit zu uns selbst (und anderen) angehen.

Mir ist dieses Thema sehr wichtig und ich bin davon überzeugt, dass wir dringend einen Paradigmenwechsel benötigen. Um diesen Wechsel anzukurbeln biete ich ab sofort ein Paradigmen-Wechsel-Paket an. Es wird auf jeden Fall Deinen Einsatz für die Umwelt mit Unterstützung darin belohnen, deinen ganz persönlichen Paradigmenwechsel für mehr Wohlbefinden und Gesundheit durchzuziehen. Bei Interesse schreib mir eine Nachricht. Ich freue mich auch über Kommentare, wie Du das Thema Plastik, Paradigmenwechsel, und Umweltschutz im weitesten Sinn siehst und welche kreativen Ideen dir noch dazu einfallen.

Warum ich Feministin bin

Warum ich Feministin bin

 

Foto: Cora K. Hiebinger

 

Ich stehe nicht so auf Ungerechtigkeit.

Als ich klein war, wollte ich unbedingt Tierärztin werden.  Als Kind ließ ich mich von der allumfassenden Weisheit der Erwachsenen davon überzeugen, dass das keine gute Idee sei – „die Bauern kommen doch nie zu Dir als Frau.“ Da ich nicht nur Schoßhündchen behandeln wollte, sondern auch und vor allem große Tiere, und da ich die Dinge damals als gegeben hinnahm, wandte ich mich anderen Interessen zu.

Das war dann z.B. das Tanzen. Obwohl es nur wenige Männer in diesem Bereich gab, waren die meisten Lehrer und aufgeführten Choreographen Männer (und viel hat sich seither nicht geändert). An der Martha Graham School hatten fast alle Männer ein volles Stipendium. Ich erinnere mich speziell an einen Kollegen, der, mit leichter Wampe, selten im Training auftauchte und noch nicht einmal seine Füße streckte. Von uns Frauen gab es so viele, dass Stipendien selten waren – und wenn, dann hatten wir uns wirklich, wirklich anzustrengen, um es zu ergattern und dann auch zu behalten. Umgekehrt fällt mir dieser Zugang eher selten auf, dass – um die Frauenzahl in einem männerdominierten Bereich zu erhöhen, es irgendwelche aktiven Förderungen gäbe oder sich Lockmittel aus einem Füllhorn ergießen.

Als Kind erinnere ich mich an das beruhigende Geräusch der Nähmaschine, an der meine Mutter bis spät in die Nacht saß, um uns einzukleiden. Meine Mutter, die, als sie noch einer Lohnarbeit nachging, ihr Gehalt an meinen Vater, sprich – das Familienoberhaupt, abgab und dann regelmäßig um Wirtschaftsgeld betteln musste. Von meinem Vater, der am Sonntag auf der Couch schlief, während meine Mutter kochte, abwusch, die Küche putzte. Danach fuhren wir zu meiner Oma, in deren Küche die Frauen beisammensaßen und Essen herrrichteten, während die Männer im Wohnzimmer Schach spielten. Als ich mit 17 mit einem AFS-Stipendium ein Jahr in der Türkei lebte, hatte ich zwar Heimweh, aber relativ wenige Probleme mit der Anpassung – die Rollenverteilungen waren ähnlich, wenngleich noch etwas überzeichneter.

Zurück in Österreich war es dann aus mit dem Hinnehmen der Gegebenheiten. Eine Schulkollegin deckte mich mit einschlägiger Literatur ein und ich begann mich einzulesen – Alice Schwarzer’s „Der kleine Unterschied“, und die Klassiker „Die Töchter Egalias“ und „Die Scham ist vorbei“ standen am Beginn meines Politisch-Werdens, Frauen-, Friedens- und Anti-AKW-Demos der 80’er folgten, und dann natürlich die Stopfenreuther Au.

Meine Mutter hatte keine andere Wahl als sich zu emanzipieren, als sie plötzlich Alleinerzieherin dreier Halbwüchsiger ohne eigenes Einkommen war. Und wer einmal beginnt, die Dinge in Frage zu stellen, kann relativ schnell vieles bemerken, was im Argen liegt. Ich bemerkte also einiges, z.B.: ein Uni-Assistent, mit dem ich eine Affäre hatte kam zu dem Schluss, dass ich lesbisch sein müsse, weil ich die Pille nicht nahm und ihm vorschlug ein Kondom zu verwenden. Ein Studienkollege stellte fest, dass ich wohl einen Mini-Rock angehabt hätte, weil ich ein „Sehr Gut“ auf eine Prüfung bekam und meinte zum Drüberstreuen, er fühle sich benachteiligt, weil es fast ausschließlich männliche Professoren gäbe und ihm also diese Möglichkeiten, die er mir da ganz selbstverständlich unterstellte, nicht offenständen. Ein verheirateter Assistent, der Einfluss auf die Entwicklung meiner Diplomarbeit hatte, bedrängte mich über Jahre hinweg mit eindeutigen Angeboten und Anspielungen. In meinem einzigen Job in der Privatwirtschaft erfuhr ich, nachdem ich gekündigt hatte, dass ein Teamkollege, der sein Studium noch nicht abgeschlossen hatte, keinerlei relevante Berufserfahrung mitbrachte und 2 Jahre nach mir eingestiegen war, mehr verdiente als ich. Das erklärt die Vertragsklausel im All-Inclusive, die uns untersagte über unsere Gehälter zu sprechen. Das sind, wie gesagt nur ein paar „Highlights“.

Wenngleich es in meinem Alter in gewisser Weise angenehmer ist auf die Straße zu gehen, weil ich mittlerweile der Unsichtbarkeit anheimgefallen bin und es kein Betatschen, Pfeifen, und keine mehr oder weniger „charmanten“ Bemerkungen über Körperteile mehr gibt, war ich doch kürzlich erstaunt, von einem betagtem Sportlehrer abfällig auf mein Dekolleté angesprochen zu werden – das darin bestanden hat, dass ich keinen Rollkragenpullover getragen habe. Die alte Scham kam da gleich wieder zurück, dass ich da etwas falsch gemacht hätte.

Und abgesehen davon, dass ich mir für meine Nichten und die Töchter meiner FreundInnen wirklich wünsche, dass ihnen diese mir in jüngeren Jahren allgegenwärtigen „Highlights“ erspart bleiben mögen, nervt es mich ehrlichgesagt nach wie vor, dass jede männliche Person, die einmal irgendwo einen Mucks gemacht hat, in einem Straßennamen verewigt worden ist, während selbst berühmte Frauen kaum vertreten sind. Mein Vater schenkte mir und meinen Geschwistern einmal je ein Exemplar von Dietrich Schwanitz’s „Bildung – Alles, was man wissen muss“. Der Vorwurf im Spiegel: „Auf 500 Seiten dampfte Schwanitz 2500 Jahre abendländischer Geschichte ein“ betraf die „Vereinfachung bis zur Unkenntlichkeit“, nicht jedoch das Fehlen der Frauen. Die Süddeutsche Zeitung hat in ihrer Reihe „50 große Romane des 20. Jahrhunderts“ und „Weitere 50 große Romane des 20. Jahrhunderts“ mehr als 90% männliche Autoren. Ich muss wirklich nicht lange nachdenken, damit mir ein paar großartige Bücher von Autorinnen aus dem 20. Jahrhundert einfallen, die auch nicht alle weiß sind. Kate O’Riordan, Patricia Highsmith, Marlen Haushofer, Edwidge Danticat, Emmmanuéle Bernheim, Alice Munro, Anna Mitgutsch, Paule Marshall, A.L. Kennedy, Yoko Ogawa, Alice Walker, Annie Proulx, Margret Atwood, Octavia Butler, Gloria Naylor, Toni Morrison, Joyce Carol Oates, Anita Brookner, Jhumpa Lahiri, Toni Cade Bambara….. Und sexistische Werbung, in der sich (halb)-nackte Frauen auf verschiedensten Gebrauchsgegenständen rekeln ist da noch gar nicht erwähnt.

Wir haben 2018. Und ich bin immer wieder fassungslos. Auch darüber, dass ich entweder als „überempfindlich“ oder „militant“ bezeichnet werde, sobald ich diese Schieflage anspreche. Oder mir unterstellt wird, dass ich gegen Männer bin oder sie gar hasse. Nein, bin ich nicht. Nein, tue ich nicht. Ich mag Ungerechtigkeit nicht.

Und ja, es nervt mich, wenn ich im Anatomieunterricht ständig von den Supermuskeln der starken Männer höre, und die Frauen wieder einmal nur beim Glutaeus erwähnt werden, „der ja wohl knackig zu sein hat“ (O-Ton Krafttraining Guru), und der bei „Schwächeln“ – zum „die Männer erfreuenden“ Po-Wackeln führt. Da hilft es dann wirklich nur mehr, sich rehäugig zu inszenieren und unschuldigst nachzufragen, ob diese Muskeln aber schon bei Frauen und Männern existieren und dieselbe Aufgabe haben.

Und nein, ich fühle mich nicht inkludiert, wenn ständig nur die männliche Form verwendet wird. Allen, die in ihren Texten als Fußnote anfügen, dass aus „Gründen der besseren Lesbarkeit“ die männliche Form verwendet wird, aber Frauen selbstverständlich auch mit gemeint sind kann ich nur sagen – wenn sich in den Hirnen, unserer Wahrnehmung, im, „Hinnehmen der Gegebenheiten“ etwas ändern soll, dann ist so ein Hinweis einfach nicht nur nicht genug, sondern ganz einfach lächerlich. Schreibt einfach mal alles in der weiblichen Form, und schreibt den Hinweis dahingehend um, dass selbstverständlich Männer auch gemeint sind. Und genau wie in einem Lernprozess, jede/jeder, der/die eine Veränderung anstrebt und sich mehr Gerechtigkeit in diesem Kontext wünscht, sollte seine Aufmerksamkeit schulen und immer wieder Dinge ansprechen. Ich bin über 50 und kann mich mittlerweile schon ganz gut wehren, aber ich finde den Status quo trotzdem nach wie vor irritierend – und ich möchte, dass sich etwas ändert. Damit nicht auch die nachfolgenden Generationen (meiner Nichten und Töchter von FreundInnen) so viel ihrer Energie in das sich wehren und schützen und abgrenzen stecken müssen, sondern ganz einfach in Ruhe Ihr Leben leben können.

In diesem Sinne gibt es diesen Mai ein Spezial-Paket.

 

Frühlingserwachen

Frühlingserwachen

Foto: C.K. Hiebinger

Vom unermüdlichen Wunsch des Körpers, er selbst zu sein.

Wenngleich sich der Frühling heuer bitten ließ, ist es doch jetzt endlich im Begriff ins Land zu ziehen. Einer der Gründe, warum ich diese Jahreszeit ganz besonders liebe, ist die Aufbruchsstimmung, die in der Luft liegt: die Vogelmännchen singen, was das Zeug hält, die Knospen bersten in ein rosa Blütenmeer, das Grün sprießt, und endlich, endlich gibt es auch wieder frisches, oberirdisches Gemüse. Nichts gegen Wurzeln, aber nach mehr oder weniger 5 Monaten an Kürbis, Kraut, Kohl und Knollen kann ich es kaum erwarten ein knackiges Radieschen zu verzehren – und die Spargelsaison ist auch nicht mehr weit.

Dieses allgemeine Aufbegehren und Wachsen ist ein gutes Beispiel für Resilienz: nach Monaten des Rückzugs und Wartens werden die zunehmend besser werdenden Bedingungen umgehend genutzt, Gelegenheiten am Schopf gepackt: ob das nun Futter-, Partner-, oder BestäuberInnensuche ist, die Natur lässt sich nicht lange bitten. Sobald sie Temperatur- und Lichtverhältnisse als förderlich für ihre Belange erkennt, tut sie alles, um ihr Potential zu erfüllen: die Vögel übertönen den Autolärm, die verbliebenen Bienen sammeln trotz Massensterben Nektar, alles Grün strebt zur Sonne und sorgt für frische Atemluft.

Unsere Körper (also wir) reagieren ähnlich, wenn sich ihnen plötzlich ganz unerwartet die Möglichkeit bietet einen Schritt in Richtung Erfüllung ihres Potentials zu gehen. Das könnte selbstverständlich sein, sind wir doch durchaus Teil der Natur – aber so wie wir leben und uns und unseren Körper behandeln, verwundert es durchaus manchmal, welche Resilienz, welcher Wille zu heilen, sich wohlzufühlen, und eben sein Potential zu erfüllen trotz allem in ihm steckt.

Wenn KlientInnen neu in meine Praxis kommen, passiert in der ersten Sitzung oft genau das – der Körper sieht eine Gelegenheit, endlich aus einem ihm auf-oktroierten Zustand (z.B. starrer Brustkorb, flache, minimalistische Atmung, Becken und Beine wie nicht vorhanden) auszubrechen und nutzt die Gunst der Stunde, dieses einengenden Korsett zu sprengen und sich seinem individuellen Gleichgewicht wieder anzunähern. Und eigentlich kann der Körper das sehr gut – solange sich der Verstand noch keine Gegenstrategie überlegen konnte, weil er viel zu überrascht ist von diesem Befreiungsschlag. Der Körper tut sich nicht mehr ganz so leicht, sobald der Verstand Zeit hatte, sich Argumente zurechtzulegen, warum es absolut nicht möglich sei, tiefer zu atmen, warum es – koste es was es wolle – zu vermeiden sei, wirklich hinzuspüren zu einem Gefühl, warum es unter keinen Umständen zu erlauben sei, nicht zu wissen, was als nächstes kommt.

Aber das Schöne und Beruhigende ist, dass die Resilienz des Körpers und sein Bestreben, eben der Körper, der Mensch zu sein, der er ist – so unglaublich groß ist – und er eben immer wieder versucht bei sich anzukommen. Selbst wenn man sich z.B. den Oberschenkelknochen bricht, wächst der normalerweise wieder zusammen, und wenn man ihn dann wieder normal belastet, wird er auch schön gerade. Kleineren Wunden kann man fast schon zuschauen, wie sie sich wieder schließen, und auch wenn man seinen Körper über lange Zeit hinweg quält mit unpassendem Schuhwerk, Langeweile oder ständiger Überarbeitung, ihm zu wenig Erholungspausen und Bewegung gönnt und mit Junk-Food zumüllt – die Chancen stehen gut, dass er trotzdem willig mitmacht, sobald wir einen Neustart zur Veränderung wagen.

E.e.cummings hat das in seinem Gedicht „O sweet spontaneous Earth“ sehr gut auf den Punkt gebracht:

 

….

thou answerest

 

them only with

 

 

spring)

 

e.e.cummings

Dieser erste Schritt erfordert Mut, keine Frage. Denn Veränderung macht immer auch Angst und ist stets auch mit „unangenehmen“ Gefühlen verbunden. Aber mit jedem Schritt, den wir mutig in Richtung unseres Potentials gehen, ist es als würden unsere Zellen frohlocken; weil unser Körper, genau wie die Knospen im Frühling, im Grunde nichts anderes will, als seine Bestimmung zu erfüllen, das zu sein, was er ist.

Nach Sitzungen, wenn wir wieder etwas von dem losgelassen hast, was uns von dem trennt was wir eigentlich sind, breitet sich oft ein Gefühl der tiefen Ruhe und Zufriedenheit in uns aus, ein Gefühl von Selbstverständlichkeit, dass es gut ist, wie es ist – und dass wir gut sind, wie wir sind. Und je mehr und je öfter wir dieses Gefühl spüren, desto mehr unterstützt es uns darin, unseren Verstand zu überzeugen, dass das, was er als Strategie vorschlägt vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Dass die Katastrophenszenarien, die er uns als wahrscheinliche Konsequenz vor Augen hält, wenn wir die „Sicherheit“ unseres – wenngleich quälenden und nicht zielführenden, aber gewohnten, vielfach erprobten Verhaltens aufgeben – und stattdessen zumindest einfach mal wieder tief durchatmen – nichts mit unserer jetzigen Realität zu tun haben. Und wir, da unsere Körper es sich so sehr wünschen, glücklich und wir selbst zu sein mit allem was wir sind, stets einen mächtigen Verbündeten bei uns haben, um die angestrebten Veränderungen zu realisieren. So lange wir leben, ist er bereit und heißt uns willkommen, wenn wir wieder Körper werden wollen. Wenn Du Lust hast, diesen Weg gemeinsam mit mir zu gehen – auf in den Frühling!

Ich war noch nie in Bibione……

Ich war noch nie in Bibione……

Foto: Cora K. Hiebinger

Warum der Vergleich Dich doch nicht sicher macht.

Als ich noch in die Schule ging, fuhren viele meiner KlassenkameradInnen nach Italien auf Familienurlaub. Bibione war einer der Orte, die mir aus ihren Erzählungen in Erinnerung geblieben sind: Meer, Sonne, riesige Eisbecher, Nudeln als Vorspeise, im Teenageralter dann zusätzlich die feschen, schwarzhaarigen Italiener (das war vor der allgemeinen Koedukation). Das war damals der Gipfel des Exotischen.

Da konnte ich nicht mithalten. Bei uns gab es keinen gemeinsamen Familienurlaub und ich nahm viele Jahre am Ferienprogramm der Stadt Linz teil, das die Kids, die nicht nach Italien fahren konnten, auf Sommerfrische ins Mühlviertel schickte. Da gab es dann 3 Wochen lang frische Luft an der tschechischen Grenze, basteln, Partys, Theater, Wald und – besonders aufregend – der verbotene Schritt über den eisernen Vorhang in der Mitte des seichten Grenzflusses Maltsch. Es machte Spaß, den ganzen Tag draußen zu verbringen und manche dort geschlossenen Freundschaften hielten jahrelang. Der Neid darüber, nicht in Italien gewesen zu sein kam erst im Nachhinein, nachdem Schulkolleginnen meine Erzählungen nur müde belächelten und ich im großen Kreis der Italienexpertinnen nicht mitreden konnte. Das Mühlviertel hielt dem Vergleich einfach nicht stand.

Es gab da noch einige Situationen, in denen ich im Vergleich mit anderen nicht mitkam. Ich trainierte nicht im neuen, supercoolen Jazzdance-Studio und wurde deshalb nicht eingeladen, bei den Kurzchoreographien mitzumachen, die in den Schulpausen unter der Leitung eines Mitglieds eben jenes Studios einstudiert wurden; der Vorgesetzte meines Vaters, der mit seiner Familie zufällig im selben Wohnblock wohnte wie wir, untersagten seinen Kindern mit uns zu spielen, weil der Klassenunterschied denn doch zu groß sei; meine Mutter achtete stets auf gesunde Füße und so war an Absätze oder sonst wie fesche, schnittige Schuhe nicht zu denken.

All das führte dazu, dass ich mich kränkte und, um mich nicht ständig unterlegen zu fühlen, mir gute Argument überlegte, warum es ja sowieso viel besser sei, wie es in meinem Leben war: Jazzdance war ja nichts im Vergleich zum klassischen Ballett, das ich im (subventionierten) Konservatorium lernte. Die Chefkinder waren vielleicht finanziell bessergestellt, aber wir waren „braver“ und hatten bessere Noten; und all die Mädels, die schon als Teenager Stöckelschuhe trugen hatten ja keine Ahnung, was das für die Zukunft ihrer Füße, Beine und Rücken bedeutete.

Das zweite große Vergleichs-Schlachtfeld war zwischen mir und meiner großen Schwester. Die war schon damals fast 5 Jahre älter als ich und meine Bemühungen ihr nachzueifern und all das zu können, was sie konnte waren v.a. in jungen Jahren natürlich zum Scheitern verurteilt.

Wie oben schon erwähnt führt das „uns mit anderen vergleichen“ oft dazu, dass wir uns unterlegen fühlen und dann etwas tun, damit wir nicht mehr unterlegen sind – d.h. wir heben andere auf ein Podest, um sie auch sogleich wieder runterzustoßen. Und dann machen wir das gegenseitig ständig – rauf, runter, rauf, runter, …… Mühsam. Und nicht förderlich für gleichberechtigte, ausgewogene Beziehungen. Niemand mag klein gemacht werden, aber auch auf ein Podest gestellt zu werden ist anstrengend und nervig.

Wenn wir uns mit anderen vergleichen vergessen wir außerdem oft zu spüren, was wir eigentlich selbst wollen. Das ist ja möglicherweise gar nicht das, was die anderen haben oder tun.

Und zuletzt – wir sind alle verschieden und haben unterschiedliche Ausgangsbedingungen. Wenn jemand gerade mit Pilates beginnt macht er eine Übung möglicherweise mit gebeugten Beinen und schafft 5 Wiederholungen. Wenn jemand schon länger trainiert macht sie die Übung mit gestreckten Beinen und zusätzlich vielleicht noch auf labilem Untergrund.

Die Grinberg-Methode bietet probate Werkzeuge, körperlicher und mehr in der Realität zu sein. Das hilft dann auch, das Leben und die Menschen zu sehen wie sie sind und das Große-Ganze besser wahrzunehmen; sich z.B. nicht eine einzelne Eigenschaft herauszupicken, bei der jemand anderer besser abschneidet. Eine SprinterIn kann vielleicht schneller laufen, hat dafür aber weniger Ausdauer. Es ist mühsam – um nicht zu sagen unmöglich – in allem Gut oder gar der/die Beste zu sein.

Das Leben ist um vieles einfacher, seit ich mich nicht mehr vergleiche. Auch meine Beziehungen sind einfacher, angenehmer, sauberer.

Meine große Schwester hat mir zum 50’er eine wunderschöne Patchwork-Decke genäht

– das ist etwas, was ich in diesem Detailreichtum wohl nie fertigbringen werde. Mein Interesse an Patchwork und Decken endet aber auch damit, mich an ihrem Anblick zu erfreuen und mich an kalten Winterabenden in sie einzuwickeln. Wenn ich eine Frage in Sachen Medizin habe, weiß sie als Ärztin immer einen Rat – in Sachen Bewegungsabläufe und Bewegungsapparat fragt sie aber mittlerweile mich – die kleine Schwester. Seit ich mich nicht mehr mit ihr messe und vergleiche sehen wir uns besser. (Und auch wieder öfter).

In Bibione oder Bali – dem heutigen Pendant dazu – war ich immer noch nicht, denn ich genieße weiterhin Urlaub an Orten, an denen es kaum TouristInnen gibt und wo ich in kein Flugzeug steigen muss, sondern mit dem Zug anreisen kann.

Es gibt durchaus Situationen, wo es etwas bringt, sich zu vergleichen. In New York fiel mir auf, dass viele Familien einen sehr starken Familienzusammenhalt lebten. Das vermisste ich bei meiner Familie damals noch und wollte es auch. Zu sehen wie es sein kann und zu spüren, dass man es selbst nicht hat kann eine große Motivation für Veränderung sein. Und so haben wir es verändert und jetzt ist es gut – so wie ich es möchte. Ich bin sehr dankbar für meine Familie und dafür wie mein Leben ist. Und ich möchte wirklich mit niemandem mehr tauschen. Denn Tatsache ist – es gibt in jedem Leben, in jeder Familie irgend etwas. Irgend etwas das nicht so gut funktioniert, schwierig ist. Weil das Leben eben so ist. Ich denke, die eigenen Bündel sind da noch immer die, die für einen selbst am besten zu tragen sind.

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